Daragh
Nach eine Weile hörte ich auf zu suchen, hier schien ich nichts zu finden und ich musste jetzt den Raum verlassen, denn bald wachten die Wächter auf. Doch als ich zum Ausgang gehen wollte, erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Ein rotbraunes Buch, das im untersten Regal vorne lag. Ich wusste nicht, was daran so ungewöhnlich war, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht weil er abseits gelegt wurde, als hätte man es eilig, um das Buch richtig in dem Regal reinzustellen. Ich griff also danach, es lag kein feiner Staubschicht auf dem Buchdeckel. Offensichtlich wurde es vor nicht zu langer Zeit benutzt. Aber das hieß lange noch nicht, dass Diejenige Informationen über Liones haben wollte. Ich schlug den Deckel auf. Das Blatt war vergilbt, die verschnörkelte Schrift beinahe kaum zu erkennen und dennoch konnte sie entziffern: Liones. Treffer! Darunter wurde scheinbar ein Löwenkopf mit Kohlestift gezeichnet und ich musste daran denken, dass Yelva von den seltsamen auftauchender Mal erzählt hatte, als sie zum ersten Mal Meister Fengh begegnet war. Vielleicht war der Löwe ein königliches Wappenzeichen von Liones. Ich schlug die nächste Seite auf und versuchte so viel wie möglich mir die Texte zu merken. Es schien, als wurden etliche Informationen über Liones gesammelt und zu einem Buch gebunden. Es gab keine Reihenfolge oder Seitenzahl. Zudem wurden die Texte unterschiedlich verfasst, was auf verschiedene Schreibern zurückführte. Es gab auch kein Namen von einem Autor. "Heiliger Mist!", entfuhr es mir, als ich eine Seite entdeckte, worauf ein Bild von der Königsfamilie zu sehen war. Mein Blick haftete auf eine junge Frau und sie sah haargenau wie Yelva aus. Das hier war der endgültiger Beweis. Ich bemerkte einen kleinen Fleck in der untere Ecke. Ich schnupperte daran und es roch nach der Öllampe. Der Fleck sah auch nicht zu alt aus. Es könnte sein, dass Jemand den Verdacht über Yelvas wahre Herkunft gehegt hatte und schließlich hier nachgeforscht hatte bis er auf dieses Bild gestoßen war. Dann musste Jemand sein, der Befugnis zu dieser Abteilung hatte und er musste vorher schon Wissen über Liones besessen haben. Du muss rauskommen, Frau Maltow macht ihren Rundgang, meldete sich Cadal. Ich klappte das Buch zu und legte ihn so zurück, wie ich ihn gefunden hatte. Schließlich löschte ich die Öllampe und stellte sie ebenfalls so hin, wie sie vorher gestanden hatte. Schließlich schlich ich nach draußen und berührte die Wächtern, damit sie aufwachen. Wenn sie ihre Augen aufschlagen, war ich längst nicht mehr da. Ohne Hast verließ ich das Schloss, während meine Gedanken rasten. Ich musste Cadal unbedingt von meiner Entdeckung erzählen. Ihn von Liones erzählen. Denn es gab dort etwas, was sie vermutlich unbedingt unter ihre Fingern haben wollten. Sie wollten nicht nur die Macht über das Land haben.
Yelva
Wenn mein Vater keinen Kompass besitzen würden, hätten wir uns vermutlich längst in diesem großen Wald verlaufen. Ich selbst besaß keinerlei Orientierung mehr und fühlte mich unendlich erschöpft. Es war in den letzten Tagen zu viel geschehen, um alles verarbeiten zu können und ich konnte immer noch die Angst spüren. Sie saß in meinem Nacken und die Haut kribbelte ganz unangenehm. Niall war eingeschlafen, dieser schrecklicher Erlebnis hatte ihn ebenfalls völlig erschöpft. Vater hatte sich in einem nachdenkliches Schweigen eingehüllt. Ich dachte an unser Zuhause. Die Bewohnern von Dorf mochten zwar nicht freundlich zu mir gewesen sein, aber ich war dort geboren und aufgewachsen. Ich hatte unseren Bauernhof geliebt. Und jetzt schienen wir alles verloren zu haben. Was würde aus unsere Feldern? Unser kleiner Garten? Die Tiere, denen ich Namen gegeben hatte? All unser persönlichen Eigentum? Das Atem wurde mir wieder schwerer. Ich war wieder heimatlos geworden und stand mit Nichts dar. Das, was mir wichtig war, hatte ich verloren. Und vor allem die Menschen, die mir am Herzen lag. Der Kummer bohrte schmerzvoll in meinem Brustkorb. Ich spüre was, eine mächtige Energie. Es kommt mir bekannt vor, hörte ich plötzlich Elodie sagen.