Ardan
Als ich Silia entdeckte, war ich froh zu sehen, dass es ihr besser ging als vor wenigen Tagen. Da hatte sie es nicht einmal geschafft zu lächeln. Jetzt tat sie es aber. Schwächer als sonst, allerdings besser als gar nichts. Während Kenai seinen Bruder begrüßte, trat ich auf meine Tochter zu und zog sie in meine Arme. Ich spürte, wie sie sich entspannte. Auch Zen gesellte sich dazu, er presste sein Gesicht in ihre Seite und entlockte ihr damit ein noch breiteres Lächeln. >Ja, ja, ich hab dich auch vermisst, kleiner Bruder.<
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie Zen ebenfalls einen gab. Dann wandte sie sich an ihre Mutter. >Mir geht es besser.< sagte sie in weiser Voraussicht, weil Jadis sich immer Sorgen um unsere beiden Kinder machte. Obwohl sie nicht die leibliche Mutter war, verfügte sie über die nötigen Instinkte. Bislang hatte ich mich zwar nicht groß mit dem Thema eigene Kinder befasst, aber Jadis und ich... das klappte hervorragend. Es sprach nichts dagegen mal darüber zu sprechen, es sogar in die Tat umzusetzen. Besonders nun, da der Krieg vorbei war, konnten wir in aller Ruhe eine wunderschöne Zukunft planen. Mit mehr Kindern. Silia und Zen würden sich bestimmt auch über mehr Zuwachs freuen.
>Es wird Zeit.< verkündete Envar etwas lauter, um sich bei uns allen Gehör zu verschaffen. Er stand auf einem kleinen Hügel am Fuße des Baumes und nickte Jenaya zu, die ein paar Schritte auf ihn zumachte. Das war scheinbar Silias Stichwort. Sie entfernte sich von unserer Gruppe und folgte Jenaya.
Jenaya
Es war schön alle wichtigen Leute beisammen zu haben und diesen besonderen Tag gemeinsam zu feiern. Kenai freute sich, dass sein Bruder es doch geschafft hatte, sich selbst zu überwinden und aufzutauchen, wenn er doch sonst nicht viel von solchen Feierlichkeiten hielt. Silia hatte einen äußerst guten Einfluss auf ihn, wie er scheinbar auf sie auch. Immerhin hatte sie die letzten Tage hauptsächlich bei ihm verbracht, soweit ich es mitbekommen hatte. Er gab ihr Halt, was ich absolut nachvollziehen konnte, weil Kenai auch für mich mein Fels in der Brandung war.
Nun war der Moment gekommen, unser Wunder taufen zu lassen und ihm alles Glück der Welt zu schenken. Envars Augen funkelten in einem hellen Türkis, als er seine Hände nach dem Baby ausstreckte. Weil ich ihm vertraute, fiel es mir nicht allzu schwer Cael in seine Arme zu drücken. Der Kleine regte sich kurz, seine Nase zuckte. Dann öffnete er seine Augen und runzelte die Stirn. Wahrscheinlich hatte er doch mitgekriegt, dass etwas im Busch war. Silia erschien neben mir und lächelte entzückt. >Was für ein wunderbarer Junge.<
Cael bewegte das Köpfchen in unsere Richtung. Fast hätte ich nach ihm gegriffen, weil ich ihn doch lieber an meine Brust drücken wollte, aber da trat Silia schon vor und nickte mir beruhigend zu. Es war nicht so, dass ich mir Sorgen machte. Es war schlichtweg ungewohnt für mich, nicht ständig in seiner unmittelbaren Nähe zu sein. Sicherheitshalber ging ich zurück zu Kenai, um mich bei ihm unterzuhaken. Besser meine Hände blieben bei mir. Ich wollte die Taufe nicht stören.
Silia
Dieser Ort erinnerte mich an zu viele Dinge auf einmal. Gute sowie schlechte Momente. Leider überwiegten die schlechten, selbst wenn das hier nun wie ein Paradies aussah. Ich wusste, wie viel Blut geflossen war, um all das hier erblühen zu lassen und ich wünschte, ich könnte ausschließlich die Schönheit darin sehen. Dem war leider nicht so. Meine Schwester war tot. Sie hatte diesen Ort des Neuanfangs erschaffen. Und in ihrem Baum lagen die Eier von Mal und Fen versteckt. Gut verborgen, weder mit der besten Magie zu finden. Das perfekte Versteck, das wir hätten finden können, damit niemand auf die Idee kam etwas Dummes damit anzustellen. Niemand außer Envar, Akela und mir wussten davon. Je weniger Leute involviert waren, desto besser.
>Es ist uns eine große Ehre, am heutigen Tag ein Zeichen für eine friedvolle Zukunft und ein besseres Morgen zu setzen. Wir alle haben große Verluste erlitten in den letzten Wochen, wir alle leiden und doch klammern wir uns an die Hoffnung, dass wir mit jedem Tag etwas weniger leiden.< begann Envar mit Cael im Arm zu sprechen, der seine süße Stirn runzelte, als wüsste er nicht, worum es ging. Oder er tat es. Damals hatte ich auch wie ein Kind gewirkt, obwohl ich im Inneren sehr viel älter war. Vielleicht steckte in Cael mehr als uns bewusst war.
>Zu leben ist nicht leicht, aber es lohnt sich. Es lohnt sich wegen Wundern wie dieses Kind hier. Gewachsen im Krieg, geboren im Frieden.< fuhr mein Bruder stolz fort. >Wir feiern einen Neuanfang. Ein neues Leben, das uns bevorsteht. Und in diesem Sinne soll Cael Reavstone-Corafilia seinen Segen von uns allen erhalten. Er soll uns daran erinnern, dass Hoffnung die Kraft ist, die wir brauchen, um zu überleben.<
Ich wandte mich von der Menschenmenge ab und legte eine Hand auf den Stamm, in dem warme, reine Energie pulsierte. Darin war der Zauber von Alita enthalten. Sie lebte in der Natur weiter. Ihr Geruch, ihre Magie, ich konnte sie spüren. Mit einem leisen Seufzen öffnete ich meinen Geist und öffnete die Quelle in mir, verband sie mit dem Baum. Durch sie würde ich eine Verbindung zu unserer Welt herstellen. Der Welt der Animagi. Ich würde meine Mutter rufen und darum bitten, dieses Kind zu segnen. Es dauerte nur wenige Sekunden, da tänzelte bereits Licht um meine Gestalt herum. Eine befreiende Energie durchströmte mich. Envar beendete derweil seinen Monolog, drehte sich zu mir und überreichte mir den Kleinen, der kurz nieste. Mein Herz machte einen Satz. Wie süß.
Ich lächelte auf Cael hinab und tippte mit dem Zeigefinger gegen seinen Bauch, seine Brust, seinen Hals, zu seinem Mund, zur Nase und schließlich strich ich ihm über die Stirn.
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