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15.11.2020, 09:56

Ryu

Es wunderte mich nicht, dass Cael sich für die Zwischenwelt interessierte und ich war mir sicher, dass auch in der andere Welt eine solche Dimension existierte. Taro hatte gelungen, als würde er die Zwischenwelt kennen. Jedenfalls vom Glauben her. Während wir unsere Unterhaltung vertieften, fand ich nebenbei heraus wie der Kompass von Taro funktionierte. Es war die Kugel, die uns führte. Rollte sie auf einer der Sternzacken zu, waren wir auf dem richtigen Weg und sie wurde klar. Befanden wir uns außerhalb der Zacke, veränderte sich die Farbe warnend. Die Kuhle in der Mitte war vermutlich unser Ziel. Jedenfalls schienen wir jetzt auf dem richtigen Weg zu sein, denn sie blieb auf einer Zacke und näherte sich langsam der Kuhle. Außerdem schien Cael zu spüren, dass wir uns der Barriere näherten. Ich nahm die Meerbrise wahr und entdeckte schon das weite Blau. Sicher ließ ich unser Schiff langsam sinken und er landete ein wenig schwankend auf dem Wasser. Die Flügeln wurden eingezogen und ich deaktivierte das Artefakt. "Übernimmst du das Steuer? Ich hole uns was zu Trinken", bat ich meinem besten Freund. Wir waren schon eine Weile unterwegs und langsam meldete sich der Durst. Als er das Steuer übernahm, ging ich in die Kajüte. Dort gab es eine Falltür mit einem kleinen Hohlraum, der von unsere Vorräte gefüllt war. Als ich gerade nach den Wasserbeuteln greifen wollte, vernahm ich ein seltsames Geräusch. Es kam aus der Richtung meines Reisesackes. Stirnrunzelnd starrte ich es an und bemerkte eine Beule, die sich bewegte. Wieder kam von dort ein Geräusch. Misstrauisch öffnete ich langsam den Beutel und aufeinmal erschien Egons Kopf. "Was....", stieß ich überrascht hervor: "Was machst du denn hier?!" Er sah mich treuherzig an, sodass ich ihm nicht böse sein konnte. Schwer seufzte ich und fuhr mit der Hand durch das Haar: "Nun...jetzt bist du hier. Aber es bedeutet, dass du möglicherweise die ganze Zeit in meinem Jackentasche oder Ähnliches sein muss, wenn wir dort drüben sind. Na, komm." Egon kletterte sofort an meinem Arm entlang hinauf zu meiner Schulter, sein Lieblingsplatz, wenn er nicht im Kamin war. Mit dem Wasser ging ich hinaus. "Wir haben einen blinden Passagier", sagte ich zu Cael und musste jetzt schmunzeln. Egon gab von sich ein komisches Geräusch und seine Haut färbte sich leicht grünlich. Ich zog ein Augenbraue hoch: "Da wird Jemand wohl seekrank." Wasser war ihm nie geheuer, weil es nicht sein Element war. Aber mit Eis hatte er merkwürdigerweise kein Problem. "Akela hatte dir doch vor einiger Zeit gezeigt wie man eine Schattenbotschaft verschickt, oder? Könntest du eine Nachricht an Zen schicken, dass Egon bei uns ist? Nicht, dass er wie ein Verrückter nach ihm sucht", bat ich meinem besten Freund.


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15.11.2020, 11:31

Cael

Ich stellte mich hinters Steuer, als Ryu beschloss uns etwas zu trinken zu holen und hielt den Kurs auf den Riss in der Barriere gerichtet. Auch ohne Kompass würde ich den Weg finden, aber wir sollten dennoch Taros Magie folgen, damit wir nichts falsch machten. Zumindest spielten das Wetter und der Ozean mit. Strahlende Sonne und weiterhin ruhiges Gewässer. So konnte es von mir aus die nächsten Stunden sein. Je angenehmer die Reise, desto besser. Trotzdem fragte ich mich, ob der Übertritt in die andere Welt einfach sein würde. Taro war gestorben, weil er nicht hierher gehörte, aber wie würden wir auf den Weltenwechsel reagieren? Worin bestand der Unterschied, dass Ryu und ich mit dieser großen Aufgabe betraut wurden, ohne gleich in den sicheren Tod zu fahren? Diese Frage hatte ich mir fast jeden Tag gestellt, leider ohne zufriedenstellende Antwort. Onkel Malevor hatte mal vermutet, es könnte an unserer Magie liegen. Weil sie anders, spezieller war. Möglicherweise war sie kompatibel mit Valaris... Das würden wir schon bald erfahren.
Als mein bester Freund einen blinden Passagier ankündigte und ich Egon auf seiner Schulter entdeckte, schüttelte ich lächelnd den Kopf. >Er ist dir wirklich ähnlich. Rebellisch an Tagen wie diesen.< Da Ivoli für alle weder sichtbar noch spürbar war, hatte ich meinen Gefährten mit dabei. Natürlich bestand die Gefahr, dass mich diese besonderen Magi enttarnten, doch für Ivolis Sicherheit war gut gesorgt. Er war an mich gebunden und genoss die Vorteile meiner Magieverschleierung. Ihn würde niemand bemerken. Auch wenn ich ihn ungern in Gefahr brachte, so hätte ich ihn sowieso nicht davon abbringen können mir zu folgen. Gefährten fürs Leben eben... wie es bei Mama und Maris der Fall war.
>Kann ich machen.< sagte ich und zapfte bereits die Schattenmagie in mir an. Eine Schattenbotschaft zu verschicken, war überhaupt nicht schwer. Man musste nur die Formel kennen, die Worte denken, die man jemandem mitteilen wollte und natürlich eine Verbindung zum Empfänger aufbauen. Ich ließ Zen wissen, dass Egon bei uns war und dass wir uns dem Übergang nach Valaris näherten. Dann schickte ich die Botschaft ab. >So... erledigt.<
Ich richtete meinen Blick zurück aufs Meer und wieder zum Kompass, da die Kugel sich mehr und mehr dem Zentrum näherte. Wir waren schon sehr nah am Ziel.
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15.11.2020, 13:26

Ryu

Mein Mundwinkel zuckte und ich antwortete ihm: "Danke." Ich lehnte mich ans Reling und schaute ebenfalls hinaus zum Meer: "Wenn wir Glück haben bleiben wir größtenteils in dieses Gewässer bevor wir vermutlicher einer der Grenzen von den sieben Meeren durchqueren müssen. Der tropische Ort, wo Taro vermutlich herkam und wo vielleicht auch die Barriere sein könnte, liegt höchstwahrscheinlich nahe an einer der sieben Meere. Aber wenn das Wetter stabil bleibt, können wir darüber fliegen, sodass wir keinen Ärger mit den Meerkreaturen haben. Das Artefakt hat noch ausreichend Energie", überlegte ich laut: "Jedenfalls ist das Schiff Dank seiner Größe und der Technik echt zügig." Egon gab von sich ein klagender Laut und wirkte immer noch grünlich, während er ängstlich auf das Meer schaute. "Da muss du jetzt durch. Du wolltest unbedingt mitkommen", sagte ich zu ihm und stupste ihn leicht an: "Bald sind wir wieder auf dem Land."


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15.11.2020, 14:08

Cael

Das Schiff trieb entspannt vor sich hin, sodass ich mich ebenfalls mit dem Rücken an die Reling lehnen konnte. Wir waren auf Kurs und näherten uns der ersten Grenze der Sieben Meere wie Ryu feststellte. Dort lauerten immerzu Gefahren in den Tiefen der Gewässer. Das war das Gebiet wilder unbezähmbarer Kreaturen und ich war nicht scharf darauf sie persönlich kennenzulernen. Lieber sparte ich meine Kräfte für den Übergang in die andere Welt. Den Riss würde ich auch größtenteils schließen müssen, bevor er zu groß wurde. Diese Aufgabe konnte nämlich nur ich übernehmen.
>Wird schon gutgehen, immer positiv bleiben.< sprach ich meine Gedanken laut aus. Uns blieben nur wenige Stunden, wenn ich die Distanz zum Riss richtig kalkuliert hatte. Stunden, wo wir einfach nur das endlose Blau anstarrten, das Schiff auf Kurs hielten und teils über Belangloses sprachen. Dabei behielten wir sowohl den magischen Kompass als auch die Untiefen des Meeres im Auge. Hier durften wir keine Risiken eingehen. >Ich würde vorschlagen, wir fliegen den Rest. Dann umgehen wir die potenzielle Gefahr doch noch von einem Meerwesen überrascht zu werden. Außerdem spüre ich die fremde Energie deutlicher denn je. Sie ist weiter oben!< Ich hob die Hand und zeigte in eine bestimmte Richtung, wo mit dem bloßen Auge zunächst nichts zu sehen war.
>Wie sieht es mit dem Kompass aus? Reagiert er?<
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85

15.11.2020, 16:50

Ryu

Ich nickte leicht, man sollte die Sache möglichst positiv herangehen. Wenn man vornherein negativ an eine Sache ranging, lief es dann meistens alles schief. Auf einem kleinen Schiff zu reisen war nicht so abwechslungsreich wie auf einem großen Reiseschiff, der verschiedene Ereignisse anbot. Aber dennoch war es nicht langweilig. Cael und ich hatten uns viel zu erzählen, außerdem konnte ruhige Stunden auf dem Meer ganz entspannend sein und die sollten wir genießen, denn solche Momente würden wir bestimmt nicht in der andere Welt zu oft haben. Aber gleichzeitig mussten wir jetzt wachsamer sein, wo wir uns den Grenzen der sieben Meere näherten. Noch waren wir nicht im dunklen Gewässer, wo die meisten gefährliche Kreaturen lebten. Ich überprüfte mit meine Sinnen die Luft und nickte zustimmend: "Das Wetter hat bis jetzt gehalten und wir haben günstigen Wind." Ich ging an das Steuer und runzelte mit der Stirn: "Oben?" War Taro etwas in unsere Welt gefallen? Ich warf einen Blick auf dem Kompass. "Die Kugel befindet sich an der Grenze der Kuhle und zittert. Das kann nur bedeuten, dass wir kurz vor unserem Ziel sind. Dann lass uns fliegen." Ich aktvierte das Artefakt und unser Schiff hob sich träge vom Wasser ab. Ich vertraute Caels Instinkt.


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15.11.2020, 20:14

Cael

Ich nickte nochmal bekräftigend. Das war weder ein Riss im Wasser noch eine unsichtbare Stelle direkt vor uns. Es befand sich schräg über uns, deshalb sollten wir hoch. Das musste auch der Grund sein, warum die Kugel im Kompass nicht vollständig in der Kuhle war. Das Ziel war zwar in der Nähe, nur nicht genau dort, wo wir uns gerade aufhielten.
Ryu setzte wenig später die Segel und aktivierte den Zauber, der das Schiff zum Fliegen brachte. Massen an Wasser perlten am glänzenden Holz ab, es rauschte und tropfte laut, bis wir schließlich mehr und mehr an Höhe gewannen. Das Summen in meinem Kopf, das, was an meinem Geist zupfte, wurde stetig lauter und ich spürte deutlich, dass wir uns dem Riss näherten. Wenn ich mich nicht irrte, sah ich sogar ein fast unscheinbares Flimmern mittig in der Luft. Darauf steuerten wir geradewegs zu. >Halt genau diese Position, wir sind gleich da!< rief ich meinem besten Freund zu, während ich ganz vorne stand und meine Magie für das Versiegeln des Risses weckte. Energie aus der Zwischenwelt erfüllte mich, floss bis in meine Finger, die langsam zu prickeln begannen. Schattenblitze zuckten in meinem Inneren. Ich holte tief Luft, fixierte die schimmernde Fläche und sah kurz über die Schulter zum Kompass, der seltsam zu leuchten und vibrieren begann. Magie, die mir völlig fremd war, breitete sich schlagartig wie ein Schleier im Wind aus und legte sich über das ganze Schiff. Es hüllte uns ein wie ein Kokon. Dann ertönte ein greller Laut. Wie eine Sirene, die Alarm schlug. Ich verzog das Gesicht, weil es zu heftig aufs Trommelfell schlug, blieb allerdings hochkonzentriert, da das Schiff sich langsam aufzulösen begann. Nicht in seine Einzelteile, sondern es... verschwand. Und wir mit ihm. Es ähnelte dem Gefühl wie wenn man durch ein neues Portal schritt, das man zum ersten Mal testete. Komisch. Ungewohnt. Zeitgleich wirkte ich meine Magie, denn sobald wir die andere Seite erreichten, musste dieser Riss hier geschlossen sein, sonst bestand weiterhin die Gefahr, dass jemand Böses unsere Welt betrat. Das wollten wir als Allererstes verhindern, bevor wir uns Gedanken um die Rückkehr machten.
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16.11.2020, 16:59

Ryu

Konzentriert behielt ich den Kurs und bemerkte nun auch die undichte Stelle der Barriere. Ich konnte es nicht so sehen oder deutlich spüren wie Cael, aber ich merkte die winzige Vibrationen in der Luft. Der Kompass begann zu leuchten und vibrierte mit einem dunklen Klang, die Kugel selbst rollte in die Kuhle. Wir hatten tatsächlich den Riss gefunden, der uns nach Valaris bringen würde. Plötzlich legte sich ein Schleier um das Schiff und ich konnte nichts mehr erkennen, gleichzeitig ertönte ein lautes Geräusch, der die Ohren zum Klingeln brachten. Unser Schiff schien sich langsam aufzulösen und der Kompass wurde zu Asche. Schnell griff ich nach einem Notfallseil und während Cael sich darauf konzentrierte die undichte Stelle der Barriere zu schließen, legte ich ihm das Seil um und tat das mit den anderen Ende auch bei mir. Schließlich verstärkte ich den Seil mit meiner Magie, damit er nicht reißen konnte oder Ähnliches. Es diente zur Sicherheit, damit wir uns nicht verloren. Der Schleier wurde dichter und das Geräusch unerträglicher. Zudem spürte ich einen heftigen Sog und gleichzeitig fühlte es sich an, als versuchte die Barriere uns von sich zu stoßen. Und dann verschwanden wir ebenfalls, wie das Schiff.


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16.11.2020, 18:06

Cael

In dem Moment, als sich der Riss schloss und Ryu mit einem Seil dafür sorgte, dass mich der Sog nicht vom Schiff fegte, spürte ich die Veränderung in unserer Umgebung nur zu deutlich. Es war, als hätte man mich, einen Fremdkörper, in eine andere Welt gesetzt. Was auch der Fall war... Ob Taro sich auch so gefühlt hatte? Es war... richtig unangenehm. Gänsehaut überzog meinen Körper und die Magie in mir geriet kurz aus dem Gleichgewicht. Wie ein Kleinkind, das verlernt hatte auf beiden Beinen zu stehen und wieder krabbeln musste. Dieses Gefühl hielt zum Glück nur wenige Sekunden an. Dann kehrte wieder Ruhe ein. Völlige Stille. Beinahe wie die von Malevor.
Als Nächstes empfand ich Kälte. Beißende Kälte. Atemwölkchen bildeten sich vor meinem Mund und dichter Nebel hieß uns willkommen. Ideal für uns Fremde. Dadurch zogen wir keine Aufmerksamkeit auf uns. Nur blöd, dass wir nicht richtig sehen konnten, wo genau wir gelandet waren. Das Schiff schwankte leicht, ich hörte ein vertrautes Gluckern, also mussten wir auf Wasser treiben, das noch nicht zugefroren war. Ein Fluss vielleicht. Ein sanfter Fluss. Vorsichtig weitete ich meine Sinne, tastete mich voran und runzelte die Stirn. Ich sah über die Schulter zu Ryu. Ihn konnte ich trotz des Nebels gut erkennen. >Ich glaube in der Nähe ist eine Stadt. Viele Menschen. Spürst du es auch? Ich hoffe wir steuern nicht direkt auf einen stark besuchten Hafen zu...< Erst mussten wir uns langsam an die neue Gesellschaft und Kultur vorantasten. Nichts überstürzen. Es war wie bei der Jagd. Erst auskundschaften, dann zupacken. Nicht, dass wir gleich in die Hände von Kaiserwachen fielen.

Imesha

Ich hielt den Kopf gesenkt, als ich mein Gebet beendete und öffnete anschließend die Augen, leer und traurig, weil der Anblick der zwei Grabsteine mich nach wie vor wie ein Bergrutsch niederschlug. Zwei Duftstäbchen, für jeweils einen Verstorbenen, glühten und verteilten den Duft nach Tsubaki-Blüten. Ich hatte frische rote gepflückt und sie dazulegt. Im Spätwinter blühten sie hier wie verrückt. Sie erinnerten mich an gute, aber auch an schlechte Zeiten. Meistens letzteres. Dunkle Erinnerungen ließen sich schwerer vertreiben, anstatt dass ich mich an den guten festhielt. An Tagen wie diesen war das einfach unmöglich.
In Gedanken versunken berührte ich die in Stein gemeißelte Schrift. Mittlerweile konnte ich sogar blind ertasten wie alt diese Gravur war. Motaro... Sumire... Zwei der einst wichtigsten Menschen in meinem Leben. Beide fort. Viel zu früh und auf eine viel zu schreckliche Weise. Bilder der Vergangenheit drängten sich an die Oberfläche und obwohl ich schon nachts deswegen keine Ruhe fand, plagten sie mich manchmal sogar am Tag. Vielleicht lag es daran, dass die Sonne sich wie die letzten Tage auch versteckte. Hinter dicken Wolken und dichtem Nebel. Die Winter hier waren hart. Härter als der zugefrorene See, auf dem ich viel Zeit verbrachte. Wenn es mir richtig schlecht ging, hoffte ich, das Eis würde nachgeben, brechen und mich in die eiskalte Tiefe ziehen. Aber egal wie stark ich hoffte, nichts dergleichen passierte. Ich blieb am Leben. Motaro und Sumire hingegen... sie blieben tot.
Ich ließ die Hand wieder sinken, stand auf und erschauderte, als ein paar Schneeflocken in meinen Umhang schlüpften. Dann erschauderte ich erneut, nur nicht wegen der Kälte, sondern weil ich plötzlich einen Umschwung in der Magie vernahm, der mich bis ins Innerste schüttelte. Dasselbe Gefühl hatte ich vor einigen Wochen gehabt. Seltsam... Woran lag das? Am Wetter? Wurde ich krank? Verrückt? Wundern würde es mich nicht...
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17.11.2020, 18:03

Ryu

Es war ein seltsames, unangenehmes Gefühl und beinahe war es schmerzhaft. In mir fühlte es sich alles durcheinander an, meine Magie verlor sein Gleichgewicht und dann wurde es still. Ich fühlte mich wieder "richtig" und atmete tief ein, meine Lunge brannte von der plötzliche Kälte. Wir waren in einem dichten Nebel und schienen wieder auf dem Wasser zu sein. Waren wir jetzt in Valaris? Ich zog meine Augenbrauen zusammen und konzentrierte mich. "Ich kann weiter hinten Leben spüren. Viel Leben. Also ja, es scheint dort eine Stadt zu sein", bestätigte ich meinem besten Freund. Bei jedes Wort verließ eine kleine Wolke meine Lippen. Ich hatte einfach angenommen in Valaris gäbe die gleiche Jahreszeit wie bei uns, doch die eisige Kälte belehrte mich eines Besseren. "Hatte Taro nicht erwähnt, dass das Gasthaus abseits von der Kaiserstadt ist?", erinnerte ich mich: "Das wäre ein guter Anfang, um langsam mit der neue Situation zurechtzufinden. Aber zuerst sollten wir sowas wie ein Versteck für unser Schiff finden, bevor wir versehentlich an einem belebten Hafen landen." Cael hatte Recht, dass wir erstmal kein Aufsehen erregen durften. Noch würden wir zu stark auffallen, dass wir aus der Fremde kamen und wie der Kaiser drauf war, würden sie uns dann nicht willkommen heißen.

Ilea

Tee war mehr als nur ein Genuss. Er bestand nicht ausschließlich aus verschiedene Elemente, die durch siedendes Wasser sich zu einem geschmackvollen und durststillendes Gebräu vereinten. Mit wohl gewählten Zutaten besaß der Tee Heilkräfte, die Körperleiden mildern konnten und dieses wertvolles Wissen ging weit zurück in die Vergangenheit. Es gab weitaus noch mehr, als die heilende Fähigkeit. Auch der Geist konnte sich der Wirkung eines Tees nicht entziehen. So manche Teesorte konnte gar eine Offenbarung für die Seele sein und Geheimnisse wurden entlockt. Ich fischte eine kostbare Zimtstange aus dem blubberndes Wasser. Er war für sein wundervolles Aroma bekannt und gehörte zu meinem Lieblingsgewürz. In der Heilkunde war er unter Anderem magenstärkend. Nach ihm folgte der Kardamom, wie der Zimt war er dem Magen wohlgesinnt und auch die Pfefferkörner, die nun ebenfalls den Topf verließen. Dann kam die wohlriechende Gewürznelken, die die erstaunliche Kraft besaß Entzündungen zu lindern. Jetzt war der großzügige Stück Ingwer dran. Kein anderes Gewürz war ein unglaubliches Wunderheiler wie der Ingwer. In noch kochendes Wasser rieselte ich jetzt die getrockneten Blätter des schwarzen Tee hinein, der auf besondere Weise hergestellt wurde. Als die bräunliche Flüssigkeit einen rötlichen Stich bekam, füllte ich etwas davon in meine Teeschale und nahm einen Schluck. Der kräftige, würzige Geschmack entfaltete sich auf meiner Zunge und eine innere Wärme breitete sich aus. Ich genoss diesen kleinen Moment, denn bald würde es vorüber sein und mein Blick glitt zum Fenster. Der eisige Winter war eine stille Jahreszeit, so still wie meine eigene Welt und alles schien in einem tiefem Schlaf versunken zu sein, wie es mein Herz tat. Die karge Bäume hatten längst ihr Blätterkleid verloren, wie ich mein Glauben. Der Winter und ich waren uns nahe verbunden.


90

17.11.2020, 18:53

Cael

Diese Kälte hier war anders als ich es in Ocamma gewohnt war. Sie umfasste dich wie eine eiskalte Faust und hielt dich die ganze Zeit fest. Ich musste meine Magie anwenden, um mich einigermaßen gut zu wärmen. Meine Winterkleidung lag nämlich noch verstaut in meinem Gepäck. Nachher würde ich mich umziehen müssen. Aber erst benötigten wir ein gutes Versteck für unser Schiff, was sich als ziemlich lästig entpuppte. Bei dem dichten Nebel sahen wir kaum ein paar Meter weiter. Aus diesem Grund waren wir gezwungen mehr Magie anzuwenden, damit wir einen Weg fanden, der nicht direkt zum Hafen führte. Ich hörte sogar schon die ersten Stimmen. Lebhaft und durcheinander. Wie es an einem Hafen eben üblich war. Schade, dass es hier keine Emilia gab. Sie wäre eine große Hilfe gewesen.
Ich blieb wachsam, während ich Ryu durch das Gewässer anleitete. Auf der anderen Uferseite des Hafens ragten offenbar Berge in die Höhe und genau dort gab es hier und da leicht versteckte Wölbungen ins Gestein, dass man ein Schiff wie unseres gut mit herunterhängenden Ästen und tarnenden Decken, an die wir natürlich gedacht hatten, versteckt halten konnte. Es war ganz schön aufwendig jede kleinste Stelle zu bedecken, aber schließlich hatten wir Erfolg damit. Der Nebel erledigte den Rest.
Anschließend packten wir unsere Sachen, so leise wie möglich, und prüften erstmal die Lage. >Sollen wir übers Wasser laufen? Denkst du, das bemerkt jemand?< Ich kratzte mich am Hinterkopf.

Imesha

Ich schob das seltsame Gefühl wie üblich beiseite und kehrte zurück in den Bewohnertrakt des Kaiserpalastes. Meine Schritte hinterließen kaum Geräusche auf dem dunklen Holz. Das hatte ich meiner Erfahrung als Spionin für Kaiser Oda zu verdanken. Ihm war ich allerdings für absolut gar nichts dankbar. Ich verachtete und fürchtete ihn gleichzeitig. An manchen Tagen würde ich am liebsten in sein Gemach einbrechen und ihm die Kehle aufschlitzen, während der überwiegende Teil in mir vernünftig blieb und lieber kein Risiko einging. Den Weg zum Ziel würde ich auf andere Weise gehen. Ich hatte es Motaro und Sumire versprochen. Leider... andernfalls wäre ich ihnen blind gefolgt.
Als ich den ersten Torbogen erreichte, biegte ich links ab und folgte den flackernden Laternen, die die wildesten Schatten an die Shoji warfen. Raumteiler aus Holz und Papier. Eine traditionelle Bauart. Je reicher der Herr, desto besser die Materialien. Hier gab es nur das Beste für die Gäste, aber auch für uns Spione. Diejenigen, die eng mit dem Kaiser zusammenarbeiteten und ihm ohne Wenn und Aber zu Diensten standen. Wie ich... Natürlich genoss ich die Vorteile, doch manchmal fragte ich mich, ob ich mit den schlechten Erfahrungen weiterhin leben konnte. Einzig und allein Ruko gab mir Sicherheit und... Wärme... in diesem verdammten Leben.
Hoffentlich war er bald wieder von seiner Mission zurück. Ich brauchte seine Gesellschaft. Besonders nach einem Besuch bei den Gräbern. Er verstand meinen Schmerz am besten.
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17.11.2020, 20:27

Ryu

Nach wenige Minuten hatte ich mich an die beißende Kälte gewöhnt, was ich wohl meiner Magie zu verdanken hatte. Ohne die Magie des Feuers und des Eises hätte ich mir den Hinterteil abgefroren. Das wäre ein peinlicher Abbruch der Mission gewesen und meine Geschwister bis auf Cue hätten mich damit ewig aufgezogen. Auch Cael musste seine Magie anwenden, um einigermaßen warm zu bleiben. Der Nebel war sehr dicht und ohne seine Hilfe hätte ich Probleme gehabt uns sicher durch den Fluss zu führen. Natürlich könnte ich mit der Luftmagie die Sicht lichten, jedoch wäre unser Versteck hinüber. Der Nebel bot nämlich für uns Schutz an. Wir fanden ein geeignetes Versteck für unser Schiff, mit Decken und mit Hilfe des Nebels war nichts mehr zu erkennen. "Ich glaube wir können es riskieren. Ich spüre Niemanden in der Nähe. Und außerdem....kann ich ja an einige Stelle, wo wir langgehen gefrieren lassen, sodass es nicht auffällig aussieht, falls wir gesehen werden", antwortete ich ihm: "Über Eis zu gehen ist bestimmt nichts Ungewöhnliches."

Illea

Nach dem heißen Getränk verließ ich das kleine Wohnhaus, um in das Hauptgebäude hinüberzulaufen. Da sie nicht miteinander verbunden waren, musste ich über die schmale Terrasse gehen. Es war viel mehr ein Gang, der zu der breitere, vordere und hintere Terrasse führte. Dorthin führte nicht mein Weg, sondern zu der kleine Nebentür des Haupthause, die direkt gegenüber der Tür des Wohnhauses lag. Kurz hielt ich inne. Seit einiger Zeit nahm ich seltsame Schwingungen in der Luft wahr. Tief atmete ich die eisige Luft ein und schmeckte den Schnee. Ich schüttelte das seltsame Gefühl fort und flüchtete in das Hauptgebäude. Ein paar Gäste saßen bereits an den Tischen, doch viele Stühle blieben leer. In Winterzeit hatten wir oft wenig Gäste, nur die, die reisen mussten. Dieses Jahr waren es noch weniger. Käme nicht ein paar Kunden für meinem Laden, hätten wir uns wegen den hohen Steuern, die wieder gestiegen waren, Geldsorgen machen müssen. In der Küche fand ich Otōsan ( Vater ) und ich atmete die würzige Luft ein. In einem Topf brodelte eine Suppe. "Guten Morgen, chīsana Hana ( kleine Blume )", begrüßte mich Otōsan.


92

17.11.2020, 21:04

Cael

Ich ließ meinen Blick aufmerksam umherschweifen, selbst wenn ich wegen des Nebels nichts sah. Doch mittels Magie war es mir möglich einen passablen Übergang zum anderen Ufer zu finden. Ryu hatte nämlich recht. Auf Eis zu gehen, weckte weniger Aufmerksamkeit als über fließendes Wasser zu schreiten. Da wir beide in der Eismagie bewandert waren, konnten wir zügig und problemlos einen Pfad aus Eis zaubern, der uns sicher auf die andere Seite brachte. Dabei gingen wir so leise wie möglich vor.
Schließlich erreichten wir einen kleinen Abhang, hinter dem wir erstmal vor Blicken anderer geschützt waren. Da ich mich auf dem Schiff umgezogen hatte, fror ich zumindest nicht mehr und musste auch keine Magie für Wärme einsetzen. Es wäre sowieso besser, wenn wir vorerst keine anwandten, während wir in der Stadt unterwegs waren. >Schritt eins, erledigt. Schritt zwei... Finden wir das Gasthaus.< murmelte ich in Ryus Richtung, als ich mich in Bewegung setzte.
Mir fielen sofort die fremdartigen Pflanzen auf, die selbst dieser beißenden Kälte standhielten. Seltsame Formen, gleichzeitig strahlende Farben. Faszinierend. Weiter oben wartete ein gepflasterter Weg auf uns, der links zum Hafen führte, geradeaus direkt in die Stadt und rechts... keine Ahnung. Zu viel Nebel. Über uns karge Bäume mit leicht hängenden Ästen... Der Winter konnte manchmal deprimierend sein. Hier lag nicht einmal Schnee. Nur brauner Matsch, der bei jedem unserer Schritte aufspritzte. >Ist dein Übersetzerstein aktiviert?< fragte ich meinen besten Freund, als wir geradeaus weitergingen. Am besten wir fragten jemanden nach dem Weg zum Kranichhof.

Imesha

Ich erreichte mein Zimmer, das nur aus einem niedrigen Tisch, ein paar eingetopften Pflanzen, Gemälden sowie Schriftutensilien bestand. Mehr benötigte ich nicht, ich kam mit recht wenig Dingen zurecht. Meine Schlafmatte und die restlichen Gegenstände waren außerdem sicher verstaut in den Ecken des Zimmers, direkt unter den Dielen. Damit blieb der Raum stets sauber und ordentlich. Und vor allem unpersönlich. Je weniger meine Gäste zu Gesicht bekamen, desto besser. Ich blieb weniger angreifbar. Das Denken einer Spionin. Oder bloß Gewohnheit.
Gedankenverloren schob ich einen Shoji einen Spaltbreit auf und spähte hinaus in den kleinen Garten, wo die Kirschbäume nackt und blätterlos den übrig gebliebenen Schnee trugen. Sie waren in einem Halbkreis angeordnet. In der Mitte ein kleiner zugefrorener Teich und mit Steinstatuen dekoriert, die man aus Sagen und Legenden kannte. Ein angenehmer Rückzugsort, wenn nicht andere Gäste oder Bewohner ihn zurselben Zeit nutzten. Ich war lieber für mich allein. Ruko bildete die einzige Ausnahme. Und er war immer noch nicht zurückgekehrt. Oftmals ging ich vom Schlimmsten aus, wenn Missionen länger als geplant dauerten, doch ich versuchte ruhig zu bleiben. Nicht zu viel zu denken. All das Negative zurückzuhalten. Er würde heute Abend kommen. Ganz sicher. Um Oberster General zu werden, musste man sehr stark sein. Ihm konnte demnach nichts Schlimmes passiert sein.
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93

18.11.2020, 19:18

Ryu

Bevor wir aufbrachen, hatten wir uns Wärmeres angezogen und unseren Reisegepäck geholt. Zudem durften wir die Urne und die Schriftrolle nicht vergessen. Währenddessen hatte sich Egon in eine Innentasche meines Oberteil verkrochen, denn auch wenn er Eis und Schnee mochte, so war es nicht gut für ihn lange der Kälte ausgesetzt zu werden. Mit Leichtigkeit gingen wir über dem Fluss und ich stellte fest, dass es überhaupt keine Probleme gab die Magie anzuwenden. Außerdem fühlte ich mich kräftig, es gab kein Anzeichen für plötzliche Schwäche und auch Cael schien wohlauf zu sein. Es war anders als bei Taro, der in unsere Welt sich völlig verausgabt hatte und schließlich starb. Wir entdeckten einen gepflasterten Weg und schlugen ihn ein. Die Pflanzen, die in den Nebel ein wenig sichtbar wurden, waren fremdartig und besaßen interessante Formen. Aber der Nebel und die Kälte ließen sie doch ein wenig trostlos aussehen. "Natürlich", antwortete ich ihm. Unter meine Kleider verbarg sich der Stein, denn ich wusste nicht, ob ein solcher Stein in dieser Welt bekannt war.

Ilea

Geschäftig begann ich die dampfende Miso-Suppen an unsere Gäste zu verteilen, damit sie schon mit ihrem Frühstück beginnen konnten. Nach und nach wurde die schwarzglänzende Tafel mit blumig duftender Reis, eingelegtes Gemüse, frisch gegrillter Fisch und gekochte Eier gedeckt. Als Getränk gab es einen milden grünen Tee und Wasser. Auf die Tafel war Otōsan besonders stolz, in seine Augen stand sie dafür, dass auch manche Traditionen sich verändern mussten, um voranzukommen. Außerdem gefiel ihm der Gedanke, dass die Gäste gemeinsam aßen. Die Tafel nahm beinahe den schlichten Speiseraum ein und es gab zwei weitere kleine Tische, die zurückgezogen in den Ecken standen. Mehr brauchten wir nicht, denn wir konnten nur bis zu 15 Gäste beherbergen. Ich ging an den Tokonoma (leicht erhöhte raumartige Nische / Erker) vorbei. Er war mit Reistrohmatten ausgelegt und an der Wand hing ein Kakemono (hochformartiges Rollbild), worauf ein fliegender Kranich zu sehen war. Auf der rechte Seite stand eine kunstvolle, rote Vase mit frisch gepflückten Winterblumen. Auf der linke Seite steckte ein wohlduftender Räucherstäbchen in einer Schale mit Sand. Das war bestimmt Sobo (Großmutter) Makoto gewesen. Wahrscheinlich war sie in den Gästezimmer und richtete sie her. Trotz ihres beachtlichen Alters, war sie tüchtig unterwegs. Außerdem brauchte Otōsan in Winterzeit unsere Unterstützung. Da konnten wir uns eine helfende Hand nicht leisten, da wir das Geld für die Wintervorräte brauchten und durch die Steuererhöhung würde bei den wenige Gäste der Lohn für eine Hilfskraft zu viel kosten. Ich ging zu dem kleinen Kamin und legte trockenes Holz nach, damit die Flammen genügend was zu speisen hatten. Frierende Gäste bedeutete unzufriedene Gäste.


94

18.11.2020, 20:06

Cael

Noch einmal tastete ich mich ab, um sicherzugehen, dass ich nichts Auffälliges trug, was andere auf mich aufmerksam machen könnte. Wie der Übersetzerstein, der um meinen Hals und unter meinem Oberteil baumelte. Mich erreichten die ersten Stimmen und ganz zu Beginn verstand ich noch kein Wort, aber dann entfaltete sich die Wirkung des Zaubers und ich begann aktiv mitzuhören. Die Aussprache der Menschen klang völlig ungewohnt. So viele Länder hatte ich in meiner Welt bereist und keine Sprache klang wie diese hier. Es war fantastisch wieder etwas Neues zu entdecken, mehr zu lernen.
Trotzdem mussten Ryu und ich unserem Plan strikt folgen. Je eher wir das Gasthaus fanden, desto besser. Anschließend würden wir uns etwas Zeit einräumen, um Valaris näher kennenzulernen. Taro hatte uns leider nicht alles über sein Volk erzählen können und bevor wir kopflos große Manöver starteten, sollten wir mit Bedacht vorgehen. Mir war dieser Kaiser Oda ganz und gar nicht geheuer. Man brauchte sich nur die Gesichter seines Volkes ansehen. Viele von ihnen wirkten müde und hungrig. Dunkle Augenringe, blasse Hautfarbe, gesenkte Häupter. Ein äußerst trauriger Anblick. In Ocamma, Ignulae, Aradon und zig anderen Königreichen wäre ein Zustand wie dieser unvorstellbar. Es kam mir vor, als wäre die Welt bereits untergegangen und das hier war sowas wie die Zwischenwelt, in der alle halb lebendig durch die Straßen wanderten.
Wir fanden schnell heraus, dass wir in den ärmeren Vierteln unterwegs waren, darum auch die schlichte farblose Kleidung. Ließ man den Blick hingegen zu den höheren Türmen und Gebäuden wandern, wurde deutlich, dass es nicht allen schlecht zu gehen schien. >Ein deprimierender erster Einblick.< murmelte ich meinem besten Freund zu, während wir weiter den äußeren Ring der Stadt erkundeteten. >Willst du jemanden nach dem Weg fragen? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir allein vom Aussehen ziemlich auffallen.<

Imesha

Ich bereitete mir eine Kanne Tee zu, um mein Innerstes zu wärmen und ließ meine Gedanken dabei einfach fließen. Wie ein Fluss, der in irgendeine Richtung strömte. Ruko hatte mir diese Form von Meditation gezeigt, um mir bei meinem Problem zu helfen, wenn sich wieder negative Fantasien meldeten. Meistens half es. Heute ein wenig besser als gestern, was mich persönlich überraschte. Ich besuchte die Gräber nicht jeden Tag, weil es mich sonst endgültig zerbrechen würde, doch wenn ich hinging, kehrte ich nicht wie die starke Imesha zurück, die ich vorgab zu sein. In diesem Palast kannte man mich als leidenschaftliche Tänzerin, die alle in den Bann zog, wenn der Kaiser mal wieder Lust auf kleine Festlichkeiten mit ehrenswerten Gästen hatte. Bei Nacht allerdings... da sah es anders aus. Da erkannte mich niemand wieder. Bis auf die Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, um Aufgaben zu erledigen, die sich sonst keiner zutraute.
Dass in Valaris Magie verboten war, könnte nicht verkehrter sein. Es war gegen unsere Natur als Magi. Wir wurden dazu geboren Großes zu erschaffen, aber Kaiser Oda bevorzugte es der alleinige Herrscher und Befehlshaber über uns alle zu sein.
Etwas stärker als geplant stellte ich die mit Tee gefüllte Kanne auf den Tisch und beruhigte erstmal den Sturm in mir. Sobald ich an Kaiser Odas Gesicht dachte, regten sich viele Gefühle in mir. Vor allem abgrundtiefer Hass. Ich sehnte sein Ende herbei. Jeden Tag. Jede Nacht.
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95

19.11.2020, 18:03

Ryu

Die Gegend, in der wir uns befanden, hatte nichts Schönes an sich. Die verhärmte Gesichter der vorbeigehende Menschen ließen die Umgebung noch trostloser erscheinen und ich bekam langsam ein Bild von ihrem stummen Leid. Die bittere Armut ließ mein Magen sich schwer anfühlen und ich fragte mich, wie ein Kaiser so sein Volk leiden lassen konnte. Gleichzeitig entdeckte ich weiter hinten glanzvolleren Gebäuden, die von Reichtum sprachen. Armut und Reichtum schienen nebeneinander zu wohnen und gleichzeitig spürte man deutlich die unsichtbare Grenze. "Ja", nickte ich ernst und atmete leise aus. "Da bist du mit dem Gefühl nicht alleine. Ich selber fühle mich auffällig fremd mit unsere Kleider", stellte ich fest und bemerkte ebenfalls die misstrauische Blicke. "Entschuldigen Sie bitte", sprach ich einen älteren Herr an, doch Dieser eilte mit einem gehetzten Blick davon. Bei den Nächsten spielte es sich ähnlich ab und ich entdeckte auch eine stille Furcht in die Augen. Das Misstrauen und die Angst waren tief in ihnen verankert. "Ihr seid nicht von hier", ertönte plötzlich eine Stimme und von einer bröckelige Hauswand löste sich eine dunkel gekleidete Gestalt. Er musste ungefähr um die 18 Jahren sein, sein Gesicht war jung. Die Augen jedoch wirkten alt. Als hätte er schon zu viel gesehen. "Wir kommen von einem anderen Ort", antwortete ich ohne viel zu verraten. Taro hatte erwähnt, dass es noch andere Dörfer und Städte gab. "Wir haben uns scheinbar verlaufen und sind auf der Suche nach dem Gasthaus Zum Kranichhof", erklärte ich den Jüngling. Er kratzte an seine schmutzige Wange und antwortete mit einer Zahnlücke im vorderen Bereich: "Ich kann euch dorthin bringen. Aber es kostet etwas." Ich unterdrückte das Hochziehen einer Augenbraue. Dieser Junge lebte wahrscheinlich in bittere Armut und nutzte jede Gelegenheit aus um ans Geld zu kommen. Das Problem war, dass wir noch nicht das Geld dieser Welt besaßen. Wir hatten ein paar wertvolle Steine mitgenommen in der Hoffnung sie würden vielleicht auch hier existieren und könnten in Geld umgetauscht werden. "Wir werden es schon alleine finden", entschied ich mich. Der Halbwüchsige schien einen Moment nachzudenken: "Wie wäre es: Wenn ich euch dorthin bringe, lädt ihr mich dort irgendwann zu einem Ramen ein. Aber keine faule Tricks, klar?" Auf dieses Handeln konnten wir bestimmt eingehen und ich nickte: "Ich gebe dir mein Wort, du wirst dein Ramen in naher Zukunft bekommen." "Gut", nickte er zufrieden und lief plötzlich los: "Los, schnell. Ich kenne einen Schleichweg."

Ilea

Die Gäste waren weitgehend versorgt und ich konnte zu meinem Laden hinübergehen, der mit dem Speisesaal verbunden war. Sanft schob ich den Shoji beiseite, dessen lichtdurchlässigem Papier von einem bemalten Ast mit Kirschblüten verziert wurden. Sobo Makoto besaß eine künstlerische Fähigkeit, sie war es auch, die meine Hand mit Hennatattoo verzierte. Verschiedene wohlriechende Düfte wehten mir entgegen und ich betrat mein kleines Reich, wo ich mich immer zurückziehen konnte. Es war durch einen weiteren Shoji in zwei Räume mit einem kleinen Kammer aufgeteilt, dessen Papier diesmal zwei sich umkreisende Kois zeigte. Diese Fische symbolisierten Stärke, Ausdauer und Strebsamkeit. Auch standen sie für das Glück. Und ich besaß nichts davon, sie waren mir verloren gegangen. Mein Blick wurde trüb und ich konnte den Schatten spüren, der sich über mein Herz legen wollte. Tief atmete ich ein und griff nach meiner Schürze, um mein dunkelblauen Kimono (kraftanartiges Kleidungsstück) mit den rosigen und weißen Blüten nicht zu beschmutzen. Am Ende des Kimonos war ein grünschillernder, kleiner Weißaugenvogel in den Blütenpracht zu sehen. Mein seidener, breiter Gürtel war dem Kimono angepasst und am Rücken wurde er zu eine Schleife festgebunden. Ich griff nach einem breiten, bunten Band, welches beinahe als Tuch bezeichnet könnte und befestigte ihn an meinem Kopf, sodass mein Haar nicht mehr ins Gesicht fallen konnte. Ich ging in den hinteren Raum, denn dort stellte ich meine Produkte her. Aus diesem Grund nannte ich diesen Raum die kleine Schaffungswelt. Der vordere Raum besaß hingegen den Funktion eines Ladens.


96

19.11.2020, 20:23

Cael

Willkommen geheißen zu werden, sah anders aus. Nicht mit einem Ausdruck des Misstrauens und teils sogar Angst. Ryu und ich wollten nichts weiter als nach dem Weg fragen, aber man gab uns nicht einmal die Chance dazu - bis auf einen jungen Mann. Offenbar trieb ihn entweder nackte Neugier zu uns oder die Aussicht auf Geld. Natürlich ging es um Letzteres. Nur besaßen wir kein Geld, weshalb wir unseren Weg fortsetzen wollten, allerdings überrascht wurden. Statt Geld, war der Kerl wohl mit einer Einladung zum Essen einverstanden. Sicherlich hungerte er an den meisten Tagen und ich fühlte mich schlecht, dass wir ihm nicht gleich etwas geben konnten. So wie fast allen hier in diesem schrecklichen Viertel.
Ich sah meinen besten Freund kurz an, zuckte mit den Schultern und dann eilten wir dem jungen Mann hinterher. Keine Ahnung, warum er uns durch Gassen, in denen es teilweise übelst stank, führte. Wir hätten auch einen normalen Weg nehmen können, aber offenbar führte das ganze Hin und Her schneller zum Ziel. Wie Taro uns bereits mitgeteilt hatte, befand sich der Ort am Rande der Stadt. Ich erkannte das Hauptgebäude an der rundförmigen Tür aus massivem dunklen Holz mit weißem Kranich und wunderschönen Kirschblüten. Den Schriftzug konnte ich nur dank des Übersetzersteins lesen, sonst wäre ich aufgeschmissen gewesen. Selbst die Schrift war völlig... anders. >Vielen Dank!< bedankte ich mich bei dem jungen Mann. >Wir vergessen dich nicht. Du wirst dein Ramen bekommen.< Was auch immer das sein mochte...

Imesha

Nach ein paar Schlucken ging es mir schon besser. Die Wärme in meinem Inneren schien Wirkung zu zeigen. Ich wurde ruhiger und die negativen Gedanken wurden leiser. Schade, dass dieser Zustand nicht ewig hielt. Früher oder später würde mich irgendjemand oder irgendetwas stören. So war es immer. Deshalb genoss ich den Moment der Ruhe und öffnete den Shoji ein Stück weiter auf, sodass ich einen besseren Blick auf den Garten im Innenhof hatte. Bislang war keine Menschenseele aufgetaucht. Es gab nur mich und den zugefrorenen kleinen Teich. Ein Paradies für mein Gemüt.
Im Schneidersitz hockend blieb ich genau hier an Ort und Stelle und trank meinen Tee genüsslich leer. Dann stellte ich das leere Geschirr neben mir ab und hörte plötzlich schwere Schritte, die vom Flur kamen. Anhand der Geschwindigkeit und der Art des Gehens wusste ich sofort, um wen es sich handelte. Hastig stand ich auf, zog den seidenen breiten Gürtel fester um meine Taille, damit mir nicht versehentlich die Kleider vom Leib fielen und starrte erwartungsvoll zur Tür, an die es wenig später klopfte. Zweimal kurz, Pause, einmal kurz.
Ruko.
Mit einem kleinen Lächeln bat ich ihn herein.
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97

20.11.2020, 18:44

Ryu

Zielsicher führte er uns aus dem ärmlichen Viertel, nachdem wir durch viele schmale Gassen gegangen waren, deren unangenehme Gerüche ich lieber nicht nachforschen wollte. Dann wurden die Gebäuden immer weniger und die Umgebung ländlicher. Die eisige Luft wurde wieder frischer und ich atmete sie tief ein. Vor einer Brücke blieben wir stehen, dahinter lag das Gebäude des Gasthofes. Der Jüngling sah uns an: "Natürlich werde ich ihn bekommen, ich werde demnächst bei euch vorbeischauen. Ich bin Kit." Mit diesen Worten verließ er uns. "Es ist schon mal gut, dass das Gasthaus etwas ablegen liegt", meinte ich und ging mit Cael über die Brücke. Schließlich gingen wir der längliche Treppe hoch und standen vor der beeindruckende Tür. Auch wenn ich kein geübten Blick besaß, wie Cael, so erkannte ich, dass hier ein Meister des kreativen Handwerks am Werk gewesen war. Ich entdeckte ein dunkelrotes Seil mit Fransen am Ende und als ich mein Kopf in den Nacken legte, sah ich dort oben eine bronzefarbene Glocke. Instinktiv zog ich an dem Seil und ein dunkler Klang kam von der Glocke. "Ich bin gespannt, was uns dahinter erwarten wird", raunte ich meinem besten Freund zu. Die Tür öffnete sich und vor uns stand eine alte Frau. Sie war so groß wie Hanabi und das graue Haar, das durch Haarnadeln zu einem Knoten befestigt wurde, war beinahe silbrig. Die dunkle, klare Augen sahen uns beinahe eindringlich an und ich spürte, dass man sie trotz ihres sichtbaren Alters nicht unterschätzen sollte. Die Frau verneigte sich leicht vor uns: "Yōkoso (Willkommen), tretet ein in unserem beschaulichen Haus. Ich bin Makoto Kuroki" Sie drehte sich um und trippelte in das Inneren. Dabei fiel mir ihre seltsame Kleidung auf, es sah wie eine Mischung aus Kleid und Morgenmantel aus. Wir folgten der ältere Frau und befanden uns in einem Art offener Vorraum wieder. Sie holte aus einem Regal strohähnliche, flache Schuhe heraus und reichte sie uns. Offensichtlich sollten wir das anziehen und ich ließ mir nichts anmerken wie fremd mir dieser Brauch vorkam. Kaum hatten wir unsere Schuhe ausgezogen, um die Strohschuhe anzuziehen, griff sie nach unsere Schuhe und sagte freundlich: "Geht zum Tresen, dort wird der Gastwirt erscheinen." Wir gingen die Holzstufen hoch, waren scheinbar gleich in einem Speisesaal gelandet und ich entdeckte hinten ein Tresen. Auf dem ersten Blick schien alles schlicht gestaltet zu sein, ein paar farbenfrohe Akzente waren zu sehen. Dennoch strahlte hier was Gemütliches aus, ganz anders als die Atmosphäre von draußen. Aus einem Raum kam ein blondhaariger Mann heraus, dessen Schläfen bereits ergraut waren. Er stützte sich leicht auf einem Gehstock und zog das rechte Bein hinter sich her. Er ging hinter dem Tresen, also musste er der Gastwirt sein. Taro hatte uns seinen Namen verraten. Gawain Daaè.

Ilea

Um eine Salbe herstellen zu können, brauchte man den gewünschten Pflanzenöl, der entweder eine heilsame Wirkung besaß oder vor Trockenheit der Haut bewahrte. Dafür musste ich wiederum verschiedene Pflanzenöle herstellen, um ihn als Zutat für eine Salbe nutzen zu können. Außerdem brauchte man für eine Salbe unter Anderen Bienenwachs oder pflanzlichen Fett, damit die gewünschte Konsistenz entstehen konnte. Hinzu kamen noch andere Zutaten. Wichtig war bei dieser Herstellung die richtige Menge und Temperatur, damit die Salbe ihre Aufgabe erfüllen konnte. In meiner Schaffungswelt gab es eine kleine Kochecke mit den benötigten Materialien. Ich wollte eine Salbe aus Beinwell machen. Eine solche Salbe eignete sich bei Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen. Ich versank immer mehr in meiner Arbeit und konnte eine Weile die Welt da draußen vergessen. Als ich von meiner Arbeit aufschaute, waren meine Wangen von der Hitze warm geworden und ein paar Haarsträhnen hatten dem Tuch entkommen können. Sie waren stark gekringelt, was sie immer bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit taten, ansonsten war mein Haar leicht gelockt. Ich wischte mir die feuchte Stirn trocken und kreiste meine verspannte Schultern, um die Muskeln zu lockern. Mein Mund fühlte sich trocken an, ich sollte was trinken. Daher verließ ich mein Reich, doch im Türrahmen Richtung Speisesaal hielt ich inne. Meine Augen waren auf die fremde Männer gerichtet. Mein ganzer Körper erstarrte und mit geweitete Pupillen entdeckte ich ein seltsames Wesen auf die Schulter von einer der Männer. Instinktiv wusste ich, dass es von der Geisterwelt kam. Aber gleichzeitig fühlte ich auch, dass es nicht von der Geisterwelt stammte, die ich kannte. Ich konnte die Magie der Männer spüren und doch war sie irgendwie anders. Und dann nahm ich eine vertraute Schwingung wahr. Eine Schwingung die mich manchmal nachts im Schlaf begleitete, wenn mich keine böse Träume heimsuchten. Sie kam direkt von dem Mann mit den seltsamen Wesen. Abrupt drehte ich mich um und flüchtete in meinem Laden.


98

20.11.2020, 19:45

Cael

Kit. Das war also sein Name. Wie originell. Leicht zu merken. Er verschwand genauso schnell wie er aufgetaucht war und so widmeten wir uns dem Gasthaus, das in mir bereits einen positiven Eindruck hinterließ. Schlichte, dennoch stilvolle Dekoration, wunderschöne Malereien und verlockende Düfte. Besonders die Düfte erregten meine Aufmerksamkeit. Es war nicht das Essen, sondern etwas anderes. Eher wie eine Sammlung an Kräutern und Blumen. Diese Mischung an Gerüchen kannte ich aus Ocamma. Wenn die Heiler wieder am Werkeln waren.
Wir begegneten zuerst einer älteren Dame, der man die Weisheit deutlich ansehen konnte. Sie trug das Leben offen mit sich herum und führte uns tiefer in das Haus. Anschließend entdeckte ich einen blonden Mann, der im selben Alter meines Vaters sein müsste. Sein Gang verriet eine nicht heilbare Verletzung. Oder ihm war es schlichtweg untersagt Magie anzuwenden. Dabei waren der Magie kaum Grenzen gesetzt, wenn es um die Heilung von Wunden ging. Körperliche sowie seelische. >Das muss der Besitzer sein.< sagte ich zu Ryu. Ihm war bestimmt derselbe Gedanke gekommen. >Sollen wir ihm die Schriftrolle gleich geben? Ich hoffe, er erinnert sich an Taro und bietet uns seine Räumlichkeiten an.< Andernfalls müssten Ryu und ich auf dem Schiff schlafen und bei der Kälte da draußen... puh, das wäre ganz schön bitter. Aber machbar. Schließlich hatten Malevor und Fenrir uns mit ihren dämlichen Höhlen beinahe zu Tode frieren lassen.
Ivoli regte sich auf meiner Schulter, gurrte leise und flatterte kurz mit den Flügeln. Irritiert folgte ich kurz seinem Blick und erhaschte davonrauschenden Stoff wie den der alten Dame. Was war das für ein Raum dort? Wen hatte Ivoli gesehen, dass er auf denjenigen aufmerksam wurde? Bevor ich etwas sagen konnte, flog mein Gefährte in genau diese Richtung davon. Innerlich fluchte ich, befahl ihm sofort zurückzukommen, doch er hörte gar nicht hin. Ein Dickkopf wie ich... manchmal.

Imesha

Als Ruko auf meine Einladung hin den Shoji zur Seite schob und er mich breit anlächelte, verflogen die restlichen negativen Gedanken des Tages wie lose Blätter im Wind. Sie wurden fortgetragen. An einen anderen Ort. Ganz fern von mir. Eine Leichtigkeit erfüllte mein Herz, weil endlich jemand da war, auf den ich mich verlassen konnte. Der mir zuhörte und der mich auch verstand. In dieser Welt war solch eine Person wertvoller als Gold. Oder Macht.
Mit einem kleinen Lächeln neigte ich respektvoll den Kopf und seufzte leise auf, als er mich daraufhin in seine kräftigen Arme schloss. Er duftete nach Yuzu. Einer sehr bekannten Zitrusfrucht in dieser Gegend. Für mich war das der Geruch von Familie. Von der einzigen, die mir geblieben war. Ich musste nichts sagen, Ruko verstand mich auch so, als er sagte: >Es gab ein paar Komplikationen mit Oni (dämonische Kreaturen). Wir haben die Sache erledigt. Niemand ist dabei gestorben.< Gute Nachrichten. Erleichtert schloss ich die Augen. Auch wenn ich mich nicht mit allen hier im Schloss verstand, wünschte ich nicht jeder Person das Schlimmste. Was die Dämonen betraf, naja... das war eine ganz andere Sache, über die ich nicht näher nachdenken wollte.
Ich löste mich aus der Umarmung und sah in das freundlich aussehende Gesicht meines Gefühlsvaters. Da wir nicht blutsverwandt waren, wir jedoch eine emotionale Bindung miteinander teilten, nannte ich ihn in Gedanken meinen Gefühlsvater. Er war somit auf andere Weise mit mir verwandt. Ein Teil meiner Welt. Ich war die Einzige in diesem Palast, die von seinen braunen Augen Wärme empfing. Alle anderen kommandierte er herum wie es sich für einen Mann seines Standes gehörte. Sobald wir unter uns waren, wurde er lockerer und legte einen Humor an den Tag, den man ihm gar nicht zutraute.
>Möchtest du mir zeigen, was du für die Armen gesammelt hast?< fragte er leise. Man wusste nie, ob die Wände im Moment Ohren hatten oder nicht. Es war ein Thema, das uns beiden sehr am Herzen lag. Langsam nickte ich.
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99

20.11.2020, 21:57

Ryu

Stumm nickte ich meinem besten Freund zu und wir erreichten das Tresen. "Konnichiwa (Guten Tag), darf ich Sie in meinem Gasthaus begrüßen?", begrüßte er uns freundlich mit einer ruhige Stimme und die graue Augen sahen uns offen an. "Sind Sie Gawain Daaè?", ich entschied mich gleich die Karten offen auf dem Tisch zu legen. Eine leichte Veränderung ging durch dem Mann, seine Haltung wirkte wachsamer: "Wer möchte das wissen?" "Wir sind Taro Qiang begegnet und er bat uns Ihnen etwas zu geben, wenn wir hierher kommen. Es ist eine Schriftrolle", erklärte ich ihm und hoffte kein weiteres Misstrauen in ihm geweckt zu haben. "Zeige mir bitte die Schriftolle", antwortete er und ich reichte ihm das Gewünschte. Der Mann musterte eingehend den ungebrochene Siegel und steckte schließlich die Schriftrolle in seinem Oberteil weg. Dann drehte er sich um, wo an der Wand ein paar Haken mit Schlüsseln zu sehen waren. Er nahm zwei und legte es auf dem Tresen vor uns: "Die Zimmer mitsamt Speisen sind von ihm von zwei Monaten im Voraus bezahlt worden. Die Zimmer sind in der oberen Etage am Ende des Gangs." Ich zeigte nicht, dass ich überrascht war und spürte Taro gegenüber eine tiefe Dankbarkeit. Er hatte wohl sichergehen wollen, dass wir einigermaßen in seiner Welt gut ankamen. Plötzlich beugte sich Gawain Daaè ein wenig zu uns und sein Gesicht wirkte ernst: "Ich bin kein einfältiger Mann. Wenn ihr für das Gasthaus und für meine Familie eine Gefahr werdet, werde ich euch hinauswerfen." Taro hatte behauptet, dass der Wirt nicht genau seine Pläne kannte, aber er schien ein scharfsinniger Mann zu sein und gespürt zu haben, dass etwas im Gange war. "Das ist eine gerechte Abmachung", nickte ich ihm zu ohne viel zu verraten.

Ilea

Ich stützte mich an der Theke ab und spürte wie schnell mein Herz in meinem Brustkorb schlug. Da waren wieder Magis im Gasthaus. Fremdartige Magis. Mein Magen krampfte sich leicht zusammen und ich atmete tief ein. Plötzlich kam mir die Kaiserstadt noch näher vor und ich sah vor meine innere Augen wie die Kaiserwachen im Gasthaus stürmten. Es wäre besser, wenn sie weggingen. Und ich musste Otōsan Bescheid geben, was sie waren, wenn er es noch nicht gemerkt hatte. Aber ich war noch nicht bereit wieder hinauszugehen. Es lag an diese vertraute Schwingung, die von diesem Mann kam. Ich wusste nicht was es zu bedeuten hatte und ich wollte es auch nicht wissen. Plötzlich spürte ich eine andere Präsenz und ich richtete mich auf, ehe ich mich umdrehte. Es war das seltsame Wesen und es hatte anscheinend gemerkt, dass ich ihn sehen konnte. Ein Fehler von mir. Ich hätte besser aufpassen müssen. Niemand außerhalb meiner Familie sollte von meine Fähigkeiten erfahren, nicht mal die Geisterwelt, auch wenn sie manchmal spürten, dass ich eine Verbindung zu ihnen besaß. "Verschwinde, ich habe nichts für dich!", ich sah das seltsame Wesen streng an, spürte das starke Vibrieren in meiner Stimme und kehrte ihm entschlossen den Rücken zu. Da es keine dämonische Aura besaß, hoffte ich darauf, dass es mich nicht angriff oder es nicht konnte.


100

21.11.2020, 10:46

Cael

Ryu und ich lagen richtig. Es handelte sich tatsächlich um Gawain und er schien schnell zu kapieren, dass wir beide nicht von hier waren. Dass Taro sogar zwei Zimmer für uns organisiert hatte, zeigte, was für ein guter Mann er gewesen war. Gawain hatte ihm wohl auch vertraut, sonst dürften wir nicht bleiben. Aber er warnte uns. Er war nicht blöd. Ryu und ich hatten selbst keine Ahnung, was uns in Valaris erwartete und trotzdem war eine Sache ganz sicher: wir setzten keine anderen Leben aufs Spiel. So etwas würden wir nie verantworten. Deshalb nickte ich einverstanden und entdeckte gleichzeitig aus dem Augenwinkel wie Ivolis geisterhafte Gestalt zu mir zurückgeflogen kam. Er schien aufgeregt zu sein. Ich merkte es ihm sofort an. Was hatte er in diesem anderen Raum bloß entdeckt? Meine Neugier war entfacht. Am liebsten wäre ich gleich dorthin gegangen, allerdings durfte ich das nicht tun, weil ich an einem völlig fremden Ort war und uns schon genügend Leute aufmerksam musterten. Dabei benutzten Ryu und ich kein bisschen Magie.
Ich nahm freundlich lächelnd die Zimmerschlüssel in die Hand, bedankte mich bei dem älteren Herren und suchte gemeinsam mit Ryu unsere Zimmer in der oberen Etage auf. Erstmal sollten wir uns sammeln und unsere nächsten Schritte besprechen.

Imesha

In einer Nische des Raums versteckte sich eine geheime Vorrichtung, die mit einem kleinen Schlüssel, der unterhalb eines Holzbalkens befestigt war, geöffnet werden konnte. Das Loch im Boden war wegen des gewebten Musters kaum zu erkennen, deshalb musste ich selbst manchmal genauer hinschauen, um es zu finden. Ich steckte den Schlüssel anschließend hinein, drehte ihn zweimal und öffnete eine Luke, die ein relativ großes Fach offenbarte. Darin lagen allerlei Gegenstände für die ärmere Gesellschaft von Valaris. Besonders für Kinder und ältere Menschen. Es gab etliche Decken, Kleidung, Schalen fürs Essen bis hin zu kleinen Spielzeugen. Das alles sammelte ich hier und da im Palast, wenn jemand die Sachen loswerden wollte. Diebstahl kam nicht infrage. Das erregte zu viel Aufmerksamkeit. Auf diese Weise jedoch sorgte ich dafür, dass nichts Wertvolles einfach verbrannt wurde.
Ruko gab ein zufriedenes Brummen von sich. Er rieb sich den kratzigen Wochenbart. >Sieht gut aus, damit können wir einigen Leuten helfen. Wie wäre es mit heute Abend? Klappt das bei dir oder hast du einen Auftrag zu erledigen?<
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Kein Auftrag. Es wäre mir möglich die Palastmauern zu verlassen und mich in die ärmeren Vorteil zu begeben. Ruko verstand. >In Ordnung, ich gebe dir dann den Weg frei, wenn es soweit ist.<
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