Ryu
Aufmerksam hörte ich meinem besten Freund zu und nickte wieder bestätigend. "Ich glaube mit diesen Ansätze sind wir auf dem richtigen Weg", meinte ich und bemerkte ein hohles Gefühl in meinem Magen. Allmählich bekam ich Hunger, zuletzt hatte ich am Morgen gegessen und das war mittlerweile viele Stunden her. "Aber erstmal sollten wir uns stärken und ich möchte endlich herausfinden, was dieser Ramen ist. Er scheint ja begehrt zu sein, vor allem der Ramen von Gawain", nicht nur Taro hatte von ihm geschwärmt, sondern auch der ärmliche Jüngling. Es musste also was sehr Leckeres sein. Jedenfalls hoffte ich es. Außerdem erfuhr man über das Essen viel über die Kultur und damit konnten wir anfangen. "Ich bringe meine Sachen noch schnell rüber", sagte ich und brachte sie in mein Zimmer. Es war identisch mit Caels Zimmer, nur die Bilder und die Vasen waren ein wenig anders. "Du bleibst hier", mahnte ich den Feuersalamander, der mir gefolgt war: "Wir sind naher wieder da." Egon sah mich ein wenig schmollend an, aber fügte sich. Ich wollte nicht wissen, was für eine Unruhe er sorgen konnte, wenn ein solches Wesen in Valaris unbekannt war. Cael und ich gingen hinunter, bereits auf der Treppe vernahm ich verlockende Düfte und diesmal knurrte mein Magen laut. Im Speisesaal waren mehr Menschen, als vorhin. Aber für einem Gasthaus waren es sehr wenige Gäste. Es gab eine lange Tafel und zwei kleine Tische zum Sitzen. Alle saßen an der Tafel, wenn auch etwas versetzt. Es war wohl besser sich ebenfalls an der Tafel zu setzen, um nicht mehr aufzufallen. Die ältere Frau war wieder anwesend und wuselte durch den Speisesaal. Bis auf dem Wirt und der ältere Frau schien keine weitere Person für das Gasthaus zu arbeiten. Auch wenn die ältere Frau robust wirkte, fragte ich mich, wie sie das alles schaffen konnte und der Wirt hatte auch mit vollen Händen zu tun, wenn er für das Kochen zuständig war.
Ilea
Ich spürte eine Berührung an meinem Arm und drehte mein Kopf zu der ältere Frau um. In ihre warme, weisen Augen lag ein unergründlichen Blick. Dann wurde ihre Miene ernst und sie sprach die Gedanken aus, die sie beschäftigte: „Mein Kind, ich habe dich aufwachsen gesehen und nun sehe ich, wie immer mehr du schwindest. Das was geschehen war, war entsetzlich und ich verstehe deinen tiefen Kummer. Ich verstehe, dass du all das verloren hast, woran du geglaubt hast. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, in der du deinen Koi in dir wiederfinden muss.“ Sie legte ihre Hand auf dem Brustkorb, wo ihr Herz schlug und ergriff nach meiner Hand mit den Henna-Tattoo, ihr Daumen berührte das Muttermal: „Wende dich nicht von deiner besondere Gabe ab, nutze sie weise. Du wirst sie brauchen. In jener Nacht als deine Mutter das Dorf verließ, ersuchte sie mich. Sie hatte eine Vorsehung, was dich betraf. Sie träumte von einem kalten Winter und einer Ume in ihrer voller Pracht. Du warst dort und dir erschien ein Drachen und ein Kranich. Sie sah, wie eure Schicksalsfäden sich miteinander verknüpften. Und da war noch eine dritte Gestalt, verborgen im Nebelschleier. Ich fragte sie, wie wir wissen können, wann diese schicksalhafte Begegnung eintreten wird. Sie sagte mir ich würde es wissen.19 Jahren ist es her und beinahe vergaß ich ihre Vorsehung. Aber dann erschienen heute die zwei jungen Männer und plötzlich hörte ich die Stimme deiner Mutter in meinem Kopf, wie sie mir von ihrem Traum erzählte. Als ich die Schuhe unsere neue Gäste putzte, entdeckte ich die Blüten einer Ume an ihre Sohlen.“ Sie erhob sich und küsste auf mein Stirn, dann drückte sie meine Hände: „Ich vermag nicht ihren Traum zu lesen, aber ich spüre, dass etwas Großes sich in die Bewegung gesetzt hat. Es liegt an dir, welchen Weg du wählen wirst, wenn die Zeit gereift ist schicksalhafte Entscheidungen zu treffen.“ Mit diesen eindrücklichen Worten ließ sie mich in den Schrein alleine und ich wusste nicht, was ich bei dieser Enthüllung fühlen sollte. Vor allem wollte ich nichts mit dieser Vorsehung meiner Mutter zu tun haben und auch nicht mit diesen fremdartigen Magis. Ich musste Abstand bewahren, um ein weiteres Unglück zu vermeiden. Ich sah auf mein rotes Muttermal. Die Lotusblüte war durch die anderen Blüten meiner rotbraunen Henna-Tattoo nicht zu erkennen. Sie war das sichtbare Erben meiner Mutter, die sie mir zurückgelassen hatte. Sie entstammte aus einer alte Blutlinie mächtiger Mikos und es gab noch heute Menschen, die die Bedeutung solcher Muttermal kannten. Die Lotus stand nicht nur für die Wiedergeburt, Schönheit und Fruchtbarkeit, sie war auch eng mit der Spiritualität verbunden. Kopfschmerzen meldeten sich, ich war erschöpft. Bestimmt bestand keinen Zusammenhang zwischen der Vorsehung und den fremdartigen Magis. Vielleicht hatte Sobo Makoto einfach in diesen Dingen zu viel hineingesehen. Wie konnten diese Männer die mächtigen symbolischen Figuren darstellen? Ein Drache glich beinahe einer Gottheit. Nur ein Kaiser durfte mit einem solchen Symbol verglichen werden. Ein Wesen zwischen Himmel und Erde. Ein Drache stand auch für Reichtum und Glück, vor allem für Schutz und ein langes Leben. Auch der Kranich wurde mit Glück und langes Leben verbunden. Es gab eine Legende, dass Derjenige von den Götter einen Wunsch erfüllt bekam, wenn er 1000 Origami-Kraniche gefaltet hatte. Vor allem war der Kranich mit der Geisterwelt verbunden, denn er trug die verstorbene Seelen zum Himmel. Daher wurde er auch als „Himmelskranich“ oder „Seligenkranich“ bezeichnet. Er war ein göttlicher Himmelsbote. Aus diesem Grund hatte der Kranich bei den Mikos eine besondere Bedeutung. Ich erhob mich und schob diese Gedanken beiseite. Nein, es war keine schicksalhafte Fügung und jetzt sollte ich Otōsan wieder helfen.