Zen
Meine Lippen kribbelten von ihrem sanften Kuss. Ich spielte mit dem Gedanken sie weiter zu küssen, aber wenn ich erst damit begann, würde ich nicht aufhören können. Selbst wenn die Welt untergehen sollte, ich könnte es zusammen mit ihr ausblenden. >Du hast eine sehr poetische Art, mir deine Gefühle zu gestehen. Ich mag das.< sagte ich mit einem breiteren Lächeln und der altbekannten Wärme in meinen Ohren und im Nacken.
>Bis gleich.< Ich stahl mir doch noch einen Kuss, ehe ich die Tür öffnete und direkt das obere Stockwerk ansteuerte, in dem mein Arbeitszimmer lag. Erst würde ich Willows Abwesenheitsnotiz verfassen und mich dann meinem eigenen Geschäft widmen. Meinen Mitarbeitern würde ich selbstverständlich nichts vom nahenden Krieg erzählen, egal wie sehr es mir widersprach sie anzulügen, sollten sie Fragen stellen.
Kersia
Offenbar hatte ich einen wunden Punkt getroffen, denn er bestätigte meine Vermutung. Sich hilflos und nackt zu fühlen - welcher gesunden Person gefiel das schon? Man wollte stark, unnachgiebig, ein Fels in der Brandung sein. War ich nicht mit denselben Werten erzogen worden? Mir niemals Schwäche anmerken lassen, keine Angriffsfläche bieten, weil jeder mir wegen des Thrones etwas Schlimmes antun könnte. Ein Verrat lauerte hinter dem nächsten. Wem durfte man sein Vertrauen schenken, wem nicht? Bei wem konnte man sich verwundbar zeigen, bei wem nicht? Ich verstand Jahwes Gedankengang.
Gleichzeitig überraschten mich seine folgenden Worte. Ich zog meine Hand zurück, damit sie nicht leer in der Luft schwebte, während ich ihn aussprechen ließ und meine eigenen Gedanken zu kreisen begannen. In meinem Inneren machte sich indes ein vertrautes Blubbern bemerkbar. Und das nur, weil er gerade zugab in mir mehr zu sehen als bloß eine Freundin. Mit so viel Ehrlichkeit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Mir fehlten selten die Worte.
Als er dann seinen Monolog beendete und das Gesicht in den Händen vergrub, regte ich mich trotz der stechend scharfen Schmerzen im Rücken. Ich unterbrach seinen Wasserzauber, der mich angenehm gekühlt hatte und setzte mich langsam auf. Dabei zog ich den magischen Ring von meinem Finger. Zurück war mein langes, seerosenfarbenes Haar, das sich bis zum Boden ausbreitete. Es bedeckte nun die heilenden Wunden am Rücken.
Ich rutschte näher an Jahwe heran, betrachtete kurz seine zusammengekauerte Gestalt und legte sanft die Arme um ihn. Das kribbelige Gefühl breitete sich weiter in mir aus. >Unter anderen Umständen würde es mir schmeicheln, dass du von mir träumst, aber es muss äußerst belastend sein von solchen Bildern heimgesucht zu werden. Um ehrlich zu sein, kann ich das Ausmaß deiner Ängste schwer nachvollziehen, weil ich selbst keine habe. Das sage ich nicht aus Arroganz, sondern weil ich kaum etwas Traumatisches erlebt habe, das mich noch Jahre später prägt. Du hingegen kämpfst dein Leben lang. Auch heute. Und ich weiß, dass du in Zukunft weiterkämpfen wirst. Egal, wer sich dir in den Weg stellt.< Unbewusst wanderte meine Hand zu seinem Hinterkopf, wo meine Finger durch sein Haar zu kämmen begannen. >Außerdem sehe ich mehr Stärke als Schwäche in dir. Du kannst Zen gerne auf mich ansetzen, wenn du glaubst, das sei eine dahingesagte Floskel. Ich meine meine Worte ernst. Wie heute Morgen, als ich dich einen guten König nannte.< sagte ich mit weicher Stimme und fuhr ruhig fort: >Und du hast recht. Ich mag meine Freiheit in allen Bereichen meines Lebens. Aber ich mag dich auch. Deshalb werde ich jetzt egoistisch sein und dir ehrlich gestehen, dass ich es sehr bedauern würde, sollten wir nur Freunde bleiben. Ich weiß selbst nicht, zu was das mit uns beiden führt - ob es gut oder schlecht enden wird -, und doch vertraue ich meinen Instinkten. Dass du Angst hast, verstehe ich, aber ich besitze viel Mut und Durchsetzungsvermögen. Genug für uns beide.<