3 Monate später...
Tana
Im Kopf ging ich nochmal alle Dinge durch, die ich unbedingt nach Finnland mitnehmen wollte. Ich war zu aufgeregt, um einen klaren Gedanken fassen zu können, aber die Freude war zehnfach so groß. Endlich würde ich Naveens Familie wiedersehen und heiraten. HEIRATEN! Nach diesem Krieg hatten wir alle erstmal nach einem neuen Zuhause, nach einer neuen Ordnung und einem funktionierenden System gesucht. Da war keine Zeit für Zukunftsvisionen geblieben, die unsere Beziehung betrafen. Doch jetzt, jetzt war es endlich Zeit einen Schritt weiterzugehen. Ich war bereit dafür. Ich war bereit Naveens Ehefrau zu werden. Ein für alle Mal. Allein wenn ich daran dachte, begann mein Herz zu rasen und ich fühlte mich so überglücklich, dass ich singen wollte. Die ganze Zeit.
Barry rieb sich schnurrend an meinen Waden. Er schien meine Hibbeligkeit zu spüren. Lächelnd kraulte ich ihm den Kopf, während ich die letzten Sachen in den Koffer packte. So, das war's. Mehr brauchte ich nicht mitzunehmen.
Ich stemmte die Hände in die Hüften, pustete mir eine wirre Strähne aus dem Gesicht und schaute aus dem Panoramafenster unseres kleinen Bauernhofs hinaus. Wir hatten einen wunderschönen Ausblick auf die sich wiederaufbauende Stadt und unseren großen Weiden, die man komplett gesäubert und zum Leben erweckt hatte. Keine Leichen, kein Blut, keine Zerstörung mehr. Zwar musste noch viel mehr getan werden, aber wir näherten uns Schritt für Schritt einer besseren Zukunft, in der man uns nicht so leicht in die Knie zwingen würde. Nicht, wie Atra Mundo es geschafft hatte. Von diesen Leuten hatte man nichts mehr gehört. Anhänger, Redner, die ihre Ansichten geteilt hatten, waren nicht mehr aufgetaucht. Man brachte sie zum Verstummen. Wie, daran wollte ich nicht denken. Hauptsache war, dass die Leute sich wieder erholen konnten. Selbst die Bibliothek, in der ich gearbeitet hatte, war wieder im Aufbau. Devon leistete hervorragende Arbeit und wie ausgemacht hatten Naveen und ich ihm geholfen. Jeder half jedem.
Ich warf einen Blick auf meine T-Clock. Naveen würde gleich mit den letzten Besorgungen für die Reise auftauchen. Es kostete mich große Überwindung nicht wie eine Stalkerin direkt an der Tür auf ihn zu warten. Vorfreude erfüllte mich bis in die kleinste Zelle. Dann hielt ich es doch nicht mehr aus.
Mit einem breiten Lächeln riss ich die Haustür auf und wartete direkt neben dem gepflanzten Apfelbaum auf meinen zukünftigen Ehemann. Oh Mann, ich musste diese Aufregung irgendwie unter Kontrolle bringen.
Alvaro
Irgendwas kitzelte in meiner Nase. Ich atmete stark durch die Nase aus, um was auch immer loszuwerden, aber das Kitzeln blieb. Langsam nervte das. Ich öffnete ein Auge, dann das andere und schüttelte seufzend den Kopf. Diese sprechenden Eichhörnchen konnten einem wirklich auf die Nerven gehen, wenn sie den Schlaf des anderen nicht respektierten.
Kichernd und völlig in ihrem spaßigen Element gefangen, hüpften die drei von meiner Brust runter und kletterten an der hölzernen Fassade des Baumhauses hoch, ehe sie auf die dünnen Äste sprangen, die leicht hin- und herschwankten. > Guten Morgen, guten Morgen.< riefen sie durcheinander.
Ich rieb mir mit den Handballen die Augen, gähnte und drehte den Kopf in Theklas Richtung, die in ihrer halben tierischen Gestalt schlief. Ihr Gesicht wirkte total unschuldig und verletzlich, aber ich wusste, dass sie hart austeilen konnte, wenn man auf Streit aus war. Lächelnd sah ich runter zu ihrem kugelrunden Bauch. Laut der Ältesten stand die Geburt bevor. Vielleicht schon in dieser oder nächste Woche. Und mit jedem Tag wurde ich nervöser. Illya hatte mich bereits in die Aufgaben eines Vaters eingeweiht und mir sogar einige Tipps gegeben. Ich war echt froh, dass er in dieser Hinsicht schon seine Erfahrungen gemacht hatte, damit ich nicht am Ende wie ein Buhmann dastand. Nach wie vor hatte ich keine Ahnung, was genau mich erwartete und wie ich mich als Vater schlagen würde. Thekla versicherte mir zwar, dass ich ein cooler Dad sein würde, aber naja... ich hoffte es.
Um sie nicht zu wecken, schob ich ihre Schwänze von meinem nackten Körper beiseite und stand langsam auf. Dabei griff ich nach einer lockeren Hose, einem grauen Shirt und festen Boots, die in diesem Dschungel überlebenswichtig waren. Ich zog mich um und erst dann trat ich auf die Veranda hinaus, die einige Meter über dem Boden schwebte und von den Ästen des Baumes gehalten wurde. So viele Jahre schon, das schaffte nur die Natur.
Ich schloss die Augen und legte den Kopf leicht in den Nacken. Atmete tief ein, genoss die verschiedensten Düften, die Freiheit, Frieden und Geborgenheit in sich trugen. In dieser Welt ließ es sich einfach am besten leben, trotzdem hatten wir uns dafür entschieden unsere Kinder in beiden Welten aufzuziehen. Das Baumhaus war nicht mehr wiederzuerkennen. Wir hatten es zu einem Zuhause gemacht. Unserem Zuhause in dieser Welt. Was die andere Welt betraf... Fast jeden Tag reisten wir hinüber, um unsere Freunde zu besuchen. Auch dort hatten wir ein nettes, einladendes Haus mit Garten erhalten. Von Illya, diesem schleimigen Wohltäter, der nur Gutes im Sinn hatte. Ich schmunzelte.
In diesen drei Monaten hatte sich auch einiges getan. Die Stadt sah zwar nicht mehr so wie vorher aus, aber das ein oder andere Gebäude stand wieder. Besser, robuster, sicherer. Die Menschen und die übernatürlichen Wesen schöpften mehr und mehr Hoffnung, aber die Wunden des Krieges hallten immer noch nach. Sie brauchten Zeit, so wie Thekla sie gebraucht hatte, um ihren Frieden zu finden.
Jetzt taten wir nur Gutes auf der anderen Seite. Ich ließ meiner künstlerischen Ader freien Lauf, während Thekla ihrer Leidenschaft fürs Tanzen nachging und Unterricht gab. Gestern hatten wir sogar darüber gesprochen, ein Sandwich-Café einzurichten, damit ich auch mein anderes Talent fördern konnte. Mal sehen, vielleicht wurde das auch noch Wirklichkeit.