Chastity Ruth
Inzwischen war ich davon überzeugt, dass das Handy bald gefunden werden musste. Das Video war der einzige Beweis, den ich für Mrs. Corrafaces willentliches Verschwinden hatte. Und wenn sie das Handy zerstört hatte? Dorian vermutete, dass dies der Fall sein könnte, während Hayden sagte, sie würden eine Suche wagen und mir Bescheid sagen. Aber dies hatte leider auch nichts gebracht, sie hatten nichts gefunden.
Die Zeit wurde knapper. Irgendwo ließ mich die Befürchtung nicht los, dass sie meine Familie und alle Personen in diesem Schloss angreifen würden. Und Christopher... er war in großer Gefahr. Was immer sie von ihm wollte... sie würde über Leichen gehen, um es zu bekommen. Ich machte mir große Sorgen. Im Laufe des Nachmittags besuchte ich Christopher in der Bibliothek und brachte ihm eine Tasse Tee, da er den ganzen Tag nach etwas forschte. Anschließend lief ich in das Atelier und versuchte mich etwas zu beruhigen, um zu entscheiden, was ich tun sollte. Doch ich konnte nicht zeichnen, meine Gedanken liefen immer wieder auf dasselbe hinaus und ich legte seufzend den Pinsel ab. Übermüdet wischte ich mir über die Stirn, verwischte dabei leicht Farbe und wischte deshalb meine Hände an dem Kittel ab. Nachdenklich stützte ich mein Gesicht auf meiner Hand ab.
"Ruth." Mein Blick schnellte hoch. Er? Was machte er hier? Und wie war er hier herein gekommen? Sofort erinnerte ich mich an Dorians Worte. Wenn es stimmte...? War Brodan dann hier, um seine Rache zu nehmen? "Du hast etwas verloren... Richtig?" Er holte ein rechteckiges, silbernes Gerät aus seiner Jackentasche. M-Mein Handy? Überrascht stand ich auf und sah es mit großen Augen an. "Woher hast du es?", fragte ich ihn verwirrt und wartete aufgeregt seine Antwort ab. "Das ist egal. Ich bin zu dem... Schlossgelände zurückgekehrt. Und an dem Brunnen habe ich es gefunden. Ein besonders schlauer Wächter hat versucht, es zu versenken, aber der Brunnen war an dem Abend geleert worden. Das Display ist beschädigt, aber auf die Speicherkarte sollte das keine Auswirkungen gehabt haben." Mein Herz setzte für einen Augenblick auf. "Warum... hast du mir das gebracht?" "Meinst du, ob ich das Video gesehen habe oder warum ich dir die Wahrheit sage? Nach dem Video... habe ich es verstanden. Meine Mutter war alles andere als unschuldig und ich kann die Schuld nicht... auf dir sitzen lassen. Wir sind... schließlich Kindheitsfreunde. Ich kann nicht über die Wahrheit schweigen." Es entstand eine kurze Stille, bis ich ein leises "Danke" herausbrachte. "Werde glücklich, Ruth. Meine Familie und ich... wir haben deine Familie schon zu lange beschattet. Es gibt Dinge, von denen du nichts weißt. Irgendwann wirst du davon erfahren. Ich hoffe nur, dass wir Freunde bleiben können." Er drehte sich um und wollte gehen, blieb jedoch noch kurz stehen. "Sage deinem Freund, dass er gut auf dich aufzupassen hat. Sonst zeige ich dem Singv... sonst zeige ich ihm, was er davon hat. Ach... und meine Beleidigungen nehme ich zu Teilen zurück, es könnte sein, dass es mir Leid tut. Aber er soll sich nichts darauf einbilden!"