Sheila
Einen Moment blieb ich vor der Tür stehen, ehe ich diese vollständig aufschloss und in das Mehrfamilienhaus trat. Als ich in der zweistöckigen Wohnung stand, erfuhr ich von Papà, dass meine Schwester noch nicht zu Hause war. Seufzend lief ich auf mein Zimmer und öffnete auf meinem Handy die Internetseite unserer Schule. Dort schaute ich mir die letzten Projekte des Fotografiekurses an, damit es nicht so wirkte, als wäre ich nur zum Experimentieren dorthin gegangen. Ich schrieb meiner älteren Schwester. Jedoch schrieb sie mir nicht zurück und ich bekam keine Antwort. Meinen Eltern hatte sie erzählt, dass sie bei einer Freundin übernachten würde. Wieso wurde ich den Verdacht nicht los, dass das gelogen war?
Tatsächlich brachte ich zwei Stunden zum Einschlafen. Ständig erwartete ich, dass Ranya durch die Haustür lief und ich beruhigt weiterschlafen konnte. Es war kurz nach vier Uhr morgens, als ich aufwachte und nach dem Wasserglas auf meiner Nachtkommode griff, da hörte ich, wie jemand die Wohnung betrat. Erleichtert ließ ich mich in mein Kissen sinken und schloss die Augen, als ich hörte, wie Ranyas Schritte sich näherten. Sie lief zu ihrem Zimmer, welches sich neben meinem befand. Doch da wurde die Klinke meiner Zimmertür heruntergedrückt und ich richtete mich im Bett auf. "Ranya?", fragte ich sie und stockte im nächste Augenblick. Vor mir stand nicht Ranya. Es war Zack. Vor nicht all zu langer Zeit hatte er Calden und mich mit Jonas und Jack angegriffen. Doch nun überging er eine viel größere Grenze. Niemals hätte ich das erwartet. Ich wusste, dass die Gang... keine Rücksicht nahm, aber das sie so weit gehen würden. Grinsend lief Zack zu meinem Bett und setzte sich an den Rand. "Na, Dornröschen? Bist du aus deinem Schlaf aufgewacht?" Mein Mund fühlte sich schrecklich trocken an und ich schaffe es nicht, etwas zu erwidern in diesem Moment. "Dachtest du, es wäre ein Zuckerschlecken, sich mit uns anzulegen?" Er lachte leise. "Keine Sorge, ich tue dir nichts - noch nicht zumindest." "Was willst du von mir?", sagte ich stark und zitterte innerlich. "Das du gestehst, dass du uns bei der Polizei verpfiffen hast. Wir werden dann den Bewohnern dieser Stadt zeigen, dass man sich nicht mit uns anlegen sollte. Ja, es wird ein bisschen weh tun... Aber wenn du es zugibst und dich entschuldigst, werden wir deine Strafe mildern. Ich lege auch noch mein Wort für dich ein, versprochen." Zack zwinkerte und ich funkelte ihn böse an. "Ich will deine Hilfe nicht. Ich werde auch nichts dergleichen tun." Erneut lachte er leise, damit meine Eltern nicht auf seinen illegalen Eintritt aufmerksam wurden. "Anscheinend schläfst du immer noch tief und fest. Vielleicht hilft ein Kuss?" Ich deutete mit dem Zeigefinger zu der Tür. "Raus! Verlasse mein Zimmer, sofort!" Zack richtete sich flink auf, blieb aber noch einen Moment stehen: "Du weißt nicht, was für einen Sturm du verursachst. Du kannst ihn verhindern, bevor es zu spät ist. Es ist deine Wahl. Und nun... schlaf gut, Prinzesschen." Sie konnte ihren schnellen Herzschlag noch hören, als er das Grundstück längst verlassen hatte.