Ein halbes Jahr später...
Alair
Das Rauschen des Wasserfalls und das Krähen der Hähne weckten mich am frühen Morgen auf und kündigten den neuen Tag mit neuen Aufgaben und Verpflichtungen an. Als ich die Augen träge öffnete, erblickte ich Rue, die seelenruhig neben mir schlief. Nackt, so wie ich es gern hatte. Dennoch deckte ich sie mit der dünnen Decke zu, damit sie nicht fror, da es hier morgens recht frisch werden konnte. Die Steinmauern hielten das Innere relativ kühl, was wirklich vorteilhaft war, wenn es sehr heiß draußen war.
Ganz langsam richtete ich mich auf, fuhr mir durchs blonde Haar und ließ das Hemd zu mir fliegen, damit ich es anziehen konnte. Dabei ließ ich die oberen Knöpfe frei und schlenderte zum großen Fenster, durch das ich einen perfekten Blick auf mein Grundstück hatte. Es hatte lange gedauert, den perfekten Ort zu finden, aber als wir diese verlassene, kleine Burg entdeckt hatten, war es um uns geschehen. Hier hatten wir genug Platz für Gäste, die auf der Durchreise waren und wir hatten zudem genug Platz, um Feste zu feiern. So wie heute. Denn heute würden unsere lieben Freunde hierher kommen und mit uns den Geburtstag von Iva feiern. Die Kleine freute sich schon seit Tagen auf diesen großen Moment.
Allein der Gedanke an ihre funkelnden Augen entlockte mir ein Lächeln und ich öffnete das Fenster, damit frische Luft ins Innere strömen konnte. Rue würde das nicht stören. Noch einmal sah ich zu meiner Frau, ehe ich mir saubere Sachen anzog und das Zimmer verließ. Der lange Flur brachte mich direkt zu den Treppen, die sowohl nach unten als auch nach oben führten. Da ich aber in den großen Saal gehen wollte, stieg ich die Treppen hinab und schnipste einmal mit den Fingern, um die ganze Dekoration von Zauberhand erledigen zu lassen. Auch wenn die Burg sehr groß war, hatten wir beschlossen niemanden einzustellen, der für uns sorgte. Wir waren Zauberer, also brauchten wir keine Leute, die für uns arbeiteten. Ich wollte auch nicht ein König sein, der abhängig von anderen war. Außer von Frau und Kind natürlich.
Während die goldenen Schmetterlinge ihre Arbeit machten, stieß ich die riesige Doppeltür auf und nahm den Duft nach frischem Wasser in mich auf. Direkt neben der Burg floss ein wunderschöner Wasserfall in die Tiefe, der die Umgebung mit wunderschönen Bäumen und Blumen ernährte. Es war ein märchenhafter Ort, der perfekte Ort für meine kleine Familie.
Saeda
> Ach Vidar, du kannst deiner Mutter nicht ewig davonkrabbeln. Das macht man nicht. Jetzt komm her, du willst doch sicherlich zum König!< rief ich dem kleinen Jungen hinterher, der in wirklich schnellem Tempo unter den Tisch krabbelte und dabei vor sich hin gluckste. Ihm machte es Spaß sich zu verstecken und mir dabei Angst einzujagen. Seit er krabbeln konnte, konnte ich nicht mehr richtig schlafen, aus Angst, er wäre aus seinem Bettchen ausgebrochen, um auf Reisen zu gehen. Seine Abenteuerlust hatte er eindeutig von Èamonn und mir.
Als er seinen kleinen Dickschädel aus seinem Unterschlupf hervorlugen ließ, kniete ich mich hin und schnappte ihn mir. > Hab ich dich, kleiner Frechdachs!< Sofort begann er freudig zu lachen und betatschte mit seinen Händen mein Gesicht. > Ja, das hat dir Spaß gemacht, was? Immer wenn dein Vater am Arbeiten ist, verhältst du dich wie ein kleines Monster!< ermahnte ich ihn kopfschüttelnd und ging mit ihm ins Schlafzimmer, um nochmal die gepackten Sachen zu kontrollieren. Immerhin würden wir in einer Stunde losfliegen, um Ivas Geburtstag zu feiern. Für die Kleine hatte Èamonn etwas Wundervolles geschnitzt und als ich mir das Geschenk ansah, wurde mir ganz warm ums Herz. Mein Mann war wirklich ein Naturtalent in seinem Beruf, weswegen es kein Wunder war, dass er nach einem halben Jahr eine große Kundschaft hatte. Und seinen eigenen Laden.
Aus diesem Grund war es auch einfacher gewesen ein Haus in der Nähe des Tempels zu kaufen, welches groß genug für uns alle war. Und wir hatten zudem einen netten, kleinen Garten, in dem ich hin und wieder was pflanzte, wenn ich mal was zusammenbrauen musste. Ganz wie meine Mutter.
Es klopfte an der Tür und kurz darauf ertönten die Stimmen von meinem Vater und meiner kleinen Schwester. In diesem halben Jahr war sie noch schöner geworden und Èamonn konnte es sich einfach nicht verkneifen, jeden Mann genauestens unter die Lupe zu nehmen, der sich ihr näherte. Er hatte Bria ins Herz geschlossen und das fand ich wirklich süß. Aber das sagte ich ihm nicht. Süß nannte ich ihn nur, wenn ich ihn absichtlich nerven wollte.
> Habt ihr alles?< fragte mich mein Vater und ich nickte. > Èamonn müsste gleich hier sein, er wollte nur noch eine Lieferung erledigen!< erwiderte ich lächelnd und gleich darauf erschien dieser im Türrahmen. Vidar quietschte freudig auf und streckte seine kleinen Hände nach seinem Vater aus. > Ja, jetzt bist du wieder brav!< murmelte ich leise lachend und gab Èamonn einen liebevollen Kuss auf den Mund, ehe ich ihm seinen Sohn überreichte.
Cathal
> Bran ist bereit!< rief ich Kaelyn zu, die sich gerade um unsere Kleine kümmerte. Ich konnte immer noch nicht so recht fassen, dass ich Vater geworden war. Vater eines engelsgleichen Mädchens namens Hinata. Allein der Gedanke an ihren süßen blauen Äuglein haute mich regelrecht um. Sie war wirklich wie ein Engel und verdammt nochmal, ich würde keinen einzigen Mann an sie heranlassen. Sie sollte ruhig als Nonne enden, das würde mich überhaupt nicht stören. Außer Kaelyn, denn sie träumte bereits jetzt schon von einer herzergreifenden Romanze.
Glücklich lächelnd kam ich ihr entgegen, als sie nach draußen kam und mir die gepackten Sachen hinhielt. > Meine wunderschöne lirsha!< Ich gab ihr ihr einen langen, innigen Kuss, nur um dann Bran zu beladen und ihn startklar zu machen. Dann packte ich meine Frau an den Hüften, hievte sie auf seinen Rücken und setzte mich direkt hinter sie, als mein Gefährte bereits schon die Flügel ausbreitete, um abzuheben. > Heute in der Schmiede habe ich Èamonn getroffen. Sie müssten zur gleichen Zeit aufbrechen!< informierte ich Kaelyn und blickte auf die Kleine in ihren Armen hinab. Ihr blondes Haar schimmerte im Licht der Sonne und erneut hüpfte mein Herz aufgeregt auf und ab. Bei ihrer Geburt wäre ich vor Anspannung fast umgekommen, aber es war alles ohne Probleme verlaufen. Nun schlief Hinata. Wie ein Engel.
Ich schlang die Arme um die Taille meiner Frau und erblickte einen weißen und einen schwarzen Drachen, die auf uns warteten. Die anderen waren also ebenfalls rechtzeitig fertig geworden, demnach konnten wir gemeinsam zu Alairs Burg fliegen. Einen Monat hatten er und Rue nach einem Heim gesucht und als sie es dann gefunden hatten, hatten sie uns sogleich eingeladen. Es war ein paradiesischer Ort in den Bergen und vor allem friedlich, weil es dort kaum verlorene Seelen gab, die ich aufsammeln und leiten musste. Noch immer musste ich sehr viel in der anderen Welt arbeiten, aber ich hatte mich daran gewöhnt und fand es nicht mehr allzu anstrengend. > Wer als erster bei Alair ist, muss kein Tänzchen auf dem Tisch vollführen!< rief ich Èamonn zu und gab Bran das Zeichen schneller zu fliegen.
Seit Kriegsende war es für uns alle nur bergauf gegangen. Wir hatten unsere Familie, unsere Arbeit und unsere Freiheit. Aber vor allem hatten wir unsere Freundschaft bewahrt, die nichts und niemand auseinandernehmen würde.