Daragh
Der Feueradler trug uns über den dschungelartigen Wald und ich drückte Idoya an mich ran, da ich ihre Unruhe spüren konnte. Ich küsste auf ihr duftendes Haar. Der Feueradler verlor an Höhe und fand einen Weg zwischen den vielen dichten Baumkronen. Geschickt landete er auf dem Boden, wenige Metern von den Zuhause des Wasserstammes entfernt. Es wirkte alles noch heil. Zum Glück. Denn das hieß, sie hatten ihre Heimat nicht verloren. Das Wasser rauschte, was an dem Wasserfall des funkelndes Sees lag. Die ersten Menschen erschienen, um Idoya zu empfangen. Auch Aria kam und bot uns Platz an, während Idoya die Nachricht von Yelva ausrichtete. Aria sah erschöpft aus, ihre Augen blickten ernst drein, während um den Mundwinkel der Zug des Trauer zu erkennen war. Ich griff nach Idoyas Hand, um ihr Beistand zu leisten. Immerhin war sie ein Teil von diesem Stamm, sie fühlte sich mit ihnen verbunden. Aria erzählte, dass es viele Verletzte gab und die Wunden aber zum Glück geheilt werden konnten. Jedoch hatten sie vier mutigen Kämpfer verloren. Ich spürte, wie Idoya sich anspannte und sie fragte mit belegte Stimme: „Wurden sie schon bestattet?“ „Nein. Das machen wir zur Abendröte“, antwortete Aria und erklärte die traditionelle Wasserbeerdigung, sie glich ein wenig unsere Bestattungen. „Dürfen wir anwesend sein?“, fragte ich und Aria lächelte leicht: „Natürlich.“ Dann sprachen wir über die Zukunft und Aria versicherte uns, dass ihr Stamm uns ebenfalls beim Aufbau von Liones helfen würde. Zudem würden sie Idoyas Volk herzlich Willkommen heißen. Das waren die gute Nachrichten an diesem Tag. Ein kleiner Lichtblick.
Es wurde Abends und wir gingen an der Wasserstellen, wo die Verstorbene bestattet werden sollten. Der Wasserstamm sangen dazu ein Lied, dessen Sprache ich nicht kannte. Aber scheinbar Idoya und ich lauschte wie gebannt ihre wunderschöne Stimme, die erfüllt war von Traurigkeit und gleichzeitig aber auch von Hoffnung. Mein Herz schmerzt ein wenig, da ihre Melodien direkt das Herz traf wie ein Pfeil sein Ziel. Die ganze Zeit über hielt ich fest ihre Hand, zeigte ihr, dass sie nicht alleine war und bei mir den Halt finden konnte. Ich liebte diese Frau über alle Maßen und wollte alles dafür tun, dass es ihr gut ging. Nach der Bestattung aßen wir gemeinsam am Lagerfeuer und die Menschen erzählten ein wenig über die Verstorbene, teilten ihre Erinnerungen und bewahrten das Gute der Verstorbene in ihre Herzen. Und es wurde wieder gesungen. Als das Feuer kleiner wurden, beschlossen Idoya und ich zurück zu unsere Freunde zu fliegen. Wir verabschiedeten uns von dem Wasserstamm und wussten, dass wir uns bald wiedersehen würden. Der Feueradler war die ganze Zeit in der Nähe gewesen und regte sich, als wir auf ihn zukamen. Kaum waren wir auf seinem Rücken, flog er sogleich los in die hereinbrechende Dunkelheit. Die Luft war frischer geworden und abertausende Sternen funkelten in den dunklen Himmel, während die farbige Nordlichter dort tanzten. Idoya blickte zum Himmel rauf und ich rieb an ihre Arme, um sie zu wärmen: „Bestimmt sind die Nordlichter die Seelen der Verstorbene. Sie sind wohl angekommen.“ Idoya lächelte leicht: „Früher hätte ich niemals gedacht, dass du spirituelle Gedanken besitzen würdest.“ Ich grinste schief: „Tja, ich bin für immer eine Überraschung gut. Außerdem ist solche Vorstellungen viel netter, als zu glauben nach dem Tod gäbe nichts, wie Manche es tun. Wie gesagt, wenn es soweit ist werde ich als Heldenstern dort oben funkeln. Aber bis dahin will ich ein langes Leben mit dir führen bis wir alt und runzelig aussehen.“ Meine Augen funkelten: „Vor uns steht noch ein großes Abenteuer vor, Meerjungfrau.“ Oh, ja. Das größte Abenteuer meines Lebens. Nämlich mein Leben mit ihr zu verbringen. Und sobald Ruhe eingekehrt war, würde ich sie dann endlich heiraten.
Wir erreichten die Lagerstelle, diesmal war sie nicht wie sonst auf der Hauptinsel, sondern in den Tal Immergrün. Scheinbar wollten sie Igor nicht alleine lassen. „Wir sind wieder da“, meldete ich mich, als Idoya und ich abstiegen. „Wie geht es dem Wasserstamm?“, fragte Yelva sogleich. Idoya antwortete ihr und Yelvas Augen wurden traurig. Leise schniefte sie und drückte Idoya voller Mitgefühl. „Habt ihr die Chartas finden können?“, wandte ich mich an meinem Bruder. Dieser nickte und erzählte mir, was mit den Chartas geschehen wird. Igor als Chartawächter einzustellen war keine schlechte Idee. Der Riese war für solche Aufgaben ziemlich gut geeignet, da er das verteidigte was ihm wichtig war und gut darauf aufpasste.
Dann sprachen wir alle darüber, was wir nun als nächstes tun wollten und wir kamen schnell zur Einigung, dass wir erstmal unsere Familien finden wollten. Liones konnten wir auch später aufbauen, das hatte Zeit. Wir entschieden, dass wir uns aufteilen würden. Devante und Yelva würden zuerst nach ihrer Familie suchen und ich würde mit Idoya nach ihrem Volk suchen. Denn die beide Familien wurden am Meisten von unsere Feinde bedroht und somit waren sie „mehr“ in Lebensgefahr gewesen. Kaspian würde ebenfalls sein Volk holen, nach jahrelange umherziehen, konnten sie endlich heimkehren. Danach würden Devante und ich nach Althea reisen, um nach unsere Familie zu schauen und wie die Situation in Althea war. Idoya und Yelva wollten uns unbedingt begleiten. Denn dort hatten sie auch Freunde oder nette Bekannten gehabt, nach denen sie schauen wollten. Aber ich glaubte, sie wollten für uns ebenfalls da sein. Auch wenn wir nicht oft das sagten, so wussten sie bestimmt, dass auch wir uns Sorgen um unsere Familien machten. Besonders Vater und mein Bruder Dowd konnten in Gefahr schweben, da sie die Arcana ausspionieren wollten, wegen den ganzen üblen Machenschaften. Und dann war noch Meister Hiyun und Mariella mit ihrer Familie. Zudem hatten wir auch dort loyale Freunde. Ich fuhr mit der Hand durch das Haar und Idoya kuschelte an mich ran, was mich beruhigte. Solange ich nicht wusste, was dort geschehen war, so blieb ich in der Überzeugung, dass es ihnen gut ging.
Wir beschlossen, dass wir gleich am nächsten Morgen aufbrechen wollten, um nicht mehr Zeit zu verlieren. Vorher wollte Yelva noch dem Valinor- und Feonvolk über die besondere Nachrichtenart Bescheid sagen, was wir nun vorhatten und dass sie sich für ihre Trauer Zeit nehmen sollten. Bestimmt gab es auch Angriffe auf ihr Volk und daher sollten sie erstmal um sie kümmern, da sie bestimmt gebraucht wurden.
Als es spätabends wurde, legten wir uns alle hin und ich merkte, wie ich erschöpft von dem Tag gewesen war. Idoya kuschelte sich eng an mich und ich schloss sie in meine Arme ein, während mein Gesicht in ihr duftendes Haar vergrub. In nächster Sekunde schlief ich sofort ein und wachte erst auf, als ich was Leckeres auf meine Lippen schmecken konnte. Kirschen. Wohlig brummend öffnete ich meine Augen und grinste schläfrig: „Daran kann ich mich gewöhnen.“ Ich erwiderte den süßen Kuss und blickte in die tiefblaue Meeraugen.
Auch die Anderen wurden wach, wir aßen gemeinsam Frühstück, packten Proviante ein und wurden von Igor bis zum Nordtor begleitet, das als Einziger unbeschadet blieb. Solange wir weg war, würde Igor aufpassen, dass alles hier in Ordnung war. Am Liebsten wäre er mitgekommen, aber es wäre besser, wenn er hier blieb. Nur weil wir unsere große Feinde schlagen konnten, bedeutete es nicht, dass das Böse in der Welt endgültig ausgelöscht war. Sie würde weiterhin in dunkle Ecken lauern, vielleicht nicht in einem solchem Ausmaß wie bei Maven, aber sie würden dennoch machthungrig sein. So war es nun mal und deswegen war ich mit vollem Herzen dabei die Menschen vor Ungerechtigkeit und Leid zu beschützen. Aber hier in Liones würde man keine Sorgen brauchen. Wir erreichten das Nordtor und betraten die Höhle. „Gute Reise. Kommen zurück“, rief Igor uns nach, als wir durch das eindrucksvolle Tor ging. Dort erwarteten uns bereits die Löwen, aber beim Anblick von Yelva wurden sie zu zahme Kätzchen. Idoya rief nach dem Eisboot und der Anblick war immer noch der Wahnsinn. Nur Yelva wirkte ein wenig blass um die Nase, aber mein Bruder würde sich gut um sie kümmern, damit ihre Seekrankheit sie nicht übermannte. Wir stiegen in das Eisboot und er folgte dem schnellen Strom des Flusses. Ich warf einen Blick auf das Tor zu, der uns ins Liones gebracht hatte. Mein Mundwinkel zuckte leicht. Wir würden bald wieder in das faszinierende Reich zurückkehren.