Daragh
Wie Idoya verstauchte ich die Kokosnussschalen in meinem Sack und reckte meine Arme nach hinten, um mich ein wenig nach hinten lehnen zu können. Ich schaute zu dem seltsamen Lichtspiel hinauf und versuchte die Tageszeit zu bestimmen. Ich glaubte, dass es bereits nachmittags geworden war. Einen halben Tag hatten wir sicherlich bereits hinter uns gehabt. "Wir sollten uns einen unbehelligten Treffort überlegen, wegen der ganze Sache und für das Training", fiel es mir ein: "In der Stadt sind vermutlich zu viele Ohren und Augen." Dann dachte ich einen Moment lang nach und fuhr fort: "Kennst die Klippen auf der westliche Seite, also die kleine Bucht? Dort am Strand könnten wir uns dann treffen. Tagsüber sind meist dort Jugendliche, um Mutproben beim Klippenspringen zu bestehen. Aber ab der Abenddämmerung oder in der frühe Morgenstunde ist es dort wie ausgestorben."
Yelva
War Niall doch nicht glücklich, wie ich es geglaubt hatte? Was könnte ihm fehlen? Hatte er vielleicht Heimweh bekommen? Ich schaute zu den blondhaarigen Jungen neben mir, dessen blaue Augen neugierig umherwanderte. Er wirkte wieder unbekümmert, als hätte er keine Sorgen. Ich dachte über seine Worte nach. Ich konnte es verstehen, dass es ihm langweilte mich auf die Arbeit zu begleiten. Er war ein Kind voller Neugier und wollte die Welt erkundigen. Aber nur wegen Langeweile so zu reagieren, sah es ihm nicht ähnlich. Zuhause hatte er auch manchmal Vater auf das Feld begleitet oder musste im Haus bei Mutter sein, wenn wir alle arbeiteten. Meistens hatte er tatkräftig mitgeholfen. Ich spürte, dass es dahinter noch mehr verbarg, was mir Niall nicht offenbaren wollte. Er hatte auch auf seine Taubheit angesprochen, was er sonst nicht oft tat. Belastete es ihn doch sehr? Wenn wir naher wieder Zuhause waren, würde ich nochmals mit ihn sprechen. Denn es lag mir sehr am Herzen, dass es ihm gut ging und ich wollte seine Wünsche erfüllen. Ich wünschte Mutter wäre hier, sicherlich wüsste sie was zu tun war und was in seinem Kopf vorging. Sie hatte schon immer ein solches feines Gespür für uns gehabt und kannte uns besser, als wir uns selbst. Ich vermisste sie. Und ich vermisste auch Vater. Wir erreichten das Adelsviertel und ich klopfte an der Tür der Villa. Es öffnete der Butler die Tür und musterte uns. „Guten Tag“, grüßte ich ihn freundlich. „Kommt rein“, antwortete er knapp und ging voraus, um uns in den Garten zu führen. „Wie ist Ihr Name?“, fragte ich ihn schüchtern. „Bartolomé Calca“, antwortete er und zog sich von dannen. Ich blickte den älteren Mann hinterher. Dann begann ich mit der Arbeit, während Niall sich unter dem Baum setzte und den Buch mit den Steine las. Es war heute sehr warm, als in den letzten Tagen und ich versuchte in Schatten zu arbeiten, um einen weiteren Zusammenbruch zu vermeiden. Das wäre mir ansonsten sehr unangenehm. Ich kam heute langsam voran, da der Strauch mit den gelben Rosen sehr groß war und somit viel Aufmerksamkeit bedurfte. Auch um ihn herum rupfte ich sowohl das Unkraut und die Wildkräuter heraus, darunter verbarg sich sogar Zitronenmelisse. Der Abend schien schnell zu nahen und zufrieden wischte ich mir den Schweiß von meiner Stirn. Der gelbe Rosenstrauch erstrahlte in seiner alte Pracht. Bald würde der Rosengarten wieder seine ursprüngliche Form annehmen und Lady Bingley würde darüber glücklich sein. Am Brunnen wusch ich mein Gesicht und die Hände sauber, ehe ich mich in dem kleinen Kammer umzog. Dann sammelte ich mit Niall die abgeschnittene Rosen und die Wildkräuter auf. Butler Calca erschien wie aus dem Nichts und schien immer zu wissen, wann ich fertig war. Er führte uns in den Salon, wo bereits Lady Bingley mich erwartete. „Guten Abend, gnädige Lady“, grüßte ich sie höflich und lächelte: „Heute habe ich den gelben Rosenstrauch geschafft. Mögt Ihr wieder Ihre Villa mit den abgeschnittene Rosen zu schmücken? Ich habe auch ein paar Wildkräuter gefunden, die sicherlich in der Küche von Nutzen sein können.“ „Ich habe noch die Rosen von gestern, das reicht mir. Bringt die Rosen weg und wildes Unkraut brauche ich nicht in meinem Essen. Wir haben kostbare Gewürze“, meinte sie. „Oh….dürfte ich dann sie wieder mitnehmen?“, fragte ich schüchtern. „Nur zu. Ihr Lohn“, sie reichte mir die Münzen. „Haben Sie vielen Dank“, machte ich einen Knicks und verließ mit Niall die Villa. Den Herrn des Hauses hatte ich seit der Vorstellung und Probearbeit nicht mehr gesehen. Sicherlich hatte er als Adeliger auch was viel zu tun. „Übrigens bekommen wir heute Besuch“, wandte ich mich an Niall. Mit diesem Besuch würde ich ihn bestimmt eine Freude machen können. „Kommt Devante vorbei?“, erriet er sogleich. Lächelnd nickte ich und seine Augen begannen zu strahlen. Damit hatte ich ihn glücklich machen können und das machte mich froh. Wir gingen auf dem Marktplatz, da ich Kartoffeln als Beilage zu dem Fisch brauchte und ich würde gerne mehr Gemüse einkaufen, aber ich brauchte die Münzen für den Fisch. Als wir an dem duftender Stand mit Seifen und Parfüms vorbeikamen, rief die Verkäuferin zu mir: „Rosenmädchen. Wie wäre es? Wollen wir wieder heute einen Tauschhandel machen?“ Überrascht hielt ich inne und lächelte schüchtern: „Sehr gerne. Was wollen Sie mir anbieten?“ „Eine kleine Flasche Parfüm. Er enthält Lavendelduft und ich bin mir sicher er passt wunderbar zu Ihnen“, meinte sie. Meine Augen weiteten sich. Noch nie zuvor hatte ich Parfüm besessen. Meine Mutter meinte es wäre zu teuer und zudem albernd sich mit etwas Duftendes zu bespritzen, wenn man tagtäglich mit der Arbeit beschäftigt war: „Nur weil du nach einer Blume riechst, heißt es nicht, dass der Duft die Pflanzen zum Wachsen und das Unkraut zum weichen bringt. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Duft die Sinnen der Männer verwirrt. Nein, nein. Seife genügt und tut seinem Zweck. Parfüms sind albernde Schnickschnacks.“ Ich zögerte und die Verkäuferin lächelte: „Sie können daran riechen und herausfinden, ob Ihnen der Duft gefällt.“ Dagegen hatte ich nichts einzuwenden und neugierig schnupperte ich an dem geöffnetem Gefäß. Oh, welch ein himmlischer Duft! Meine Augen begannen zu glänzen. Ich mochte diesen zarten Duft nach Lavendeln.