Devante
Yelva wurde mit ihrer Arbeit fertig und ich lächelte sie dankbar an, gab ihr zudem einen sanften Kuss auf den süßen Mund. Daragh bot uns an, unsere Hände im Fluss zu waschen, doch mein Blick blieb an Idoya hängen, die gedankenverloren in die Flammen starrte.
> Idoya, kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?<
Überrascht sah sie auf, nickte langsam. > Ihr könnt ruhig eure Hände waschen, wir erledigen das später.< sagte ich zu den anderen beiden, ehe ich mit Idoya fortging.
Damit wir unsere Privatsphäre hatten, setzten wir uns direkt ans Ufer, weiter weg von den anderen beiden, wo das rauschende Wasser jegliche Geräusche verschluckte. Ich winkelte die Beine an, nachdem ich mich ins feuchte Gras gesetzt hatte und schaute zur anderen Uferseite.
> Also? Was ist los? Irgendetwas ist zwischen dir und Daragh vorgefallen, aber ich will ihn nicht darauf ansprechen, weil wir den anderen nie bedrängen.<
> Deshalb nimmst du dir das Recht, es bei mir zu versuchen?< kam es prompt von Idoya, woraufhin ich schief lächeln musste. Sie nahm echt kein Blatt vor den Mund. Sprach das aus, was ihr auf der Zunge lag. Das machte es umso einfacher, mit ihr dieses Gespräch zu führen.
> Also?< hakte ich noch einmal nach, wartete. Wir saßen nicht hier, um uns anzuschweigen, aber ich merkte ihr an, dass sie gerade am Kämpfen war. Mit sich selbst und ihren Gefühlen. In ihrem Gesicht las ich einige Widersprüche, doch schließlich überwand sie sich. Ihr blieb nichts anderes übrig. Jeder Mensch verspürte den Drang sich zu öffnen. Besonders Frauen.
> Es ist meine Schuld.< waren ihre ersten Worte. > Wir waren draußem am See, damit ich mich etwas austoben konnte und da kam es irgendwie zu einem Kuss. Mein erster Kuss.< Ihre Stimme wurde leiser, aber ich konnte nicht sagen, ob aus Scham oder weil sie nicht weiterreden wollte. > Wir wollten es beide, aber ich musste dann plötzlich an Caira und Yunan denken. An das, was beiden widerfahren ist. Ich wies ihn ab, weil ich Angst habe, dass sich die Vergangenheit wiederholt. Dass ich mich unsterblich in ihn verliebe und er mir wie damals genommen wird. Diesen Schmerz... Ich will ihn nicht noch einmal erleben. Es reicht, dass ich meine Mutter und meinen Bruder verloren habe.<
Ah, daher wehte also der Wind. Immer diese verwirrenden Gefühle. Dieses Chaos im Herzen, das man schwer bändigen konnte. Zwar war ich kein Fachmann in diesem Gebiet, aber das, was uns Animae ausmachte, schon.
Idoya
> Genau deshalb passt es, dass gerade wir dieses Gespräch führen. Als Animae kann ich nachvollziehen, wie echt sich deine Erinnerungen anfühlen und dass du mit den Emotionen zu kämpfen hast, die dich oftmals überfallen. Wie ein Sturm, der über dich hereinbricht.< sprach er ruhig, während er mir direkt in die Augen blickte. Er hatte dunkle Augen, obwohl sie eine eher etwas helle Farbe trugen. Ich konnte nicht wegsehen.
Er fuhr fort: > Auch mich plagen fast jeden Tag düstere Gedanken. In meinen letzten Leben habe ich ausschließlich Schlechtes getan. Für Geld gemordet, für niedere Bedürfnisse sogar Frauen wehgetan... Schlimme Dinge, die mich manchmal in Träumen verfolgen. Diese Dunkelheit, sie existiert noch heute in mir, aber als ich in Daraghs Familie kam und bedingungslose Liebe kennenlernte, wusste ich, dass ich diese Dunkelheit besiegen könnte. Mit jedem Tag wurde ich stärker. Zwar ist dieses dunkle Flüstern immer noch in meinem Kopf, aber es ist so leise, dass ich dem nicht viel Bedeutung beimesse.< Er machte eine kurze Pause, ließ mir Zeit, das Gesagte zu verdauen.
> So verhält es sich mit deinem Schmerz. Du hast viel Leid erfahren, mehr als ein normaler Mensch ertragen könnte. Und doch bist du hier. Du bist hier, weil du stark genug für all das bist. Du bist hier, weil dich das Schicksal für etwas auserwählt hat, das nur du erfüllen kannst. Angst zu haben, dass deine große Liebe stirbt, ist völlig nachvollziehbar, aber damit verwehrst du dir ein Glück, das man nur einmal im Leben hat. Ich wollte Yelva damals nicht in mein Leben hineinziehen, weil ich ihr Licht nicht mit meiner Dunkelheit beschmutzen wollte. Auch heute denke ich so. Trotzdem ist mir klargeworden, dass ein Leben ohne sie einfach nicht erträglich ist. Früher oder später wirst auch du es erkennen, aber vielleicht wird es dann zu spät sein. Dann bleiben dir keine besonderen Erinnerungen mehr. Keine Bilder, die dich in einsamen Nächten wärmen.<