Devante
Auch für mich war das hier das schönste Erlebnis meines Lebens gewesen. Auf gleicher Ebene mit dem Moment, als die Greers mich in ihre Familie aufgenommen hatten. Lächelnd schloss ich die Augen, lauschte den Geräuschen außerhalb des Zeltes und küsste Yelva als Gute Nacht auf den Kopf. Sie schlief schnell ein. Ich hörte sie regelmäßig atmen, ihr Atem streifte meine Brust. Wärme flutete meine Brust und begleitete mich bis in meine Traumwelt hinein.
Meine schweren Schritte hallen an den Wänden wider, als ich durch das heruntergekommene Haus Richtung Wohnstube schreite. Eine Diele knarzt, dann die nächste. Würde ich hier nicht nächtigen, hätte ich mich geräuschloser verhalten. Aber ich teile diese Unterkunft mit drei weiteren Leuten, daher verzichte ich darauf, von ihnen niedergestreckt zu werden, weil sie einen Feind vermuten. So oder so hätten sie ihre Schwierigkeiten gehabt, mich zu überwältigen. Mich tötet man nicht so leicht. Der Tod ist nämlich mein Freund. Und das wissen sie.
Ayana ist die erste, die im Türrahmen erscheint und mich aus ihren eisblauen Augen eingehend mustert. Ihre schmalen Lippen verziehen sich zu einem hinterlistigen, schiefen Lächeln. Ich hasse es, aber dafür ist ihr Mund in ganz anderen Dingen höchst talentiert. Und da sie nie alleine unterwegs ist, gesellt sich ihre Zwillingsschwester Sephora dazu. In beiden Blicken ist der Hunger zu sehen. Sie sind unersättlich. Wie zwei Katzen, die süchtig nach einem Spiel sind.
Als ich sie erreiche, überrage ich sie um eine Kopflänge. > Wo ist Maven? Ist er von seiner Erkundung nicht zurück?< Er ist der vierte im Bunde unseres teuflichen Quartetts. Wir arbeiten selten zusammen, aber wenn wir es tun, hängt der Tod wie Nebel über unseren Köpfen und verschlingt jeden unserer Ziele. Maven ist der gefährlichste unter uns, aber zurückhaltender als ich. Ich scheue nicht davor zurück, dem Tod meine Hand zu leihen. Er hingegen schon.
Beide Schwestern schmiegen sich an meine Brust, ihre Hände berühren mich überall. Ayana fährt mit ihrer Zunge über meinen Hals, während ihre Schwester an meinem Ohr schnurrt. Ich verdrehe die Augen. > Antwortet endlich.<
> Er wird kommen, hab Geduld. Das große Finale ist in zwei Tagen. Du kannst es wohl kaum erwarten, die Dunkelheit in dir zu entfesseln, was?<
> Was für ein attraktiver, dunkler Ritter.< schnurrt Sephora weiter.
Ich schüttle beide grob ab und gehe zur nächstgelegenen Sitzgelegenheit, um mich darauf fallen zu lassen. Eine Hand hängt lässig über der Lehne, die andere liegt in meinem Schoß. Mein Blick schweift zurück zu den Zwillingen. > Alkohol?<
> Wir haben Wein.< antwortet Ayana immer noch schief lächelnd. Sie versteht meine Aufforderung und bringt mir eine Flasche, während Sephora sich zu meiner Linken niederlässt. Ihr schwarzes Haar ist finster. Passend zu ihrer Seele, die sie mit ihrer Schwester teilt. Beide sind Dämoninnen und sie haben mich zu ihrem Teufel auserkoren. Ob ich geschmeichelt sein soll? Vielleicht.
Ich nehme die Flasche Wein entgegen, die mir Ayana wenig später hinhält und fülle einen Becher bis zur Hälfte. Wenn es um Wein geht, bin ich penibel. Da trinke ich nicht aus der Flasche, sondern wie ein verdammter Adliger aus einem Kelch für Arme.
Ach ja, der Adel... lächerliche Menschen, die in lächerlicher Kleidung stecken und lächerliche Weltanschauungen vertreten. Liones bildet da keine Ausnahme. Dieses Königreich ist dem Untergang geweiht und ich freue mich auf die glorreiche Aufgabe, blaues Blut fließen zu lassen. Blut, das in den Adern der Prinzessin fließt. Goldenes Haar, Augen wie Nebel, engelsgleiches Gesicht und ein Lächeln, das mit der Sonne um die Wette strahlt.
Ich nehme einen großen Schluck Wein.
Lächerlich.
Idoya
> Gute Nacht.< murmelte ich zufrieden und brauchte nicht lange, um in den Schlaf zu finden. Es war das erste Mal, dass ich in den Armen eines Mannes schlief, für den ich etwas empfand. Es war auch das erste Mal, dass ich überhaupt so etwas wie Liebe für einen Mann entwickelt hatte. Der heutige Abend war voller erste Male gewesen. Und es störte mich nicht im Geringsten.
Es fühlte sich gut an, Daraghs Geruch in der Nase zu haben, während mich seine Wärme umhüllte. Als stünde ich unter Wasser. In meiner eigenen kleinen Welt, die er und ich uns erschaffen hatten. Hoffentlich zerstörte sie niemand. Ich wollte auf einen vernichtenden Schmerz verzichten, wollte Frieden finden. Für mich und meine gequälte Seele.