Guten Tag gehabt?
Ardan
Völlig durchgeschwitzt und schwer außer Atem griff ich nach dem Krug Wasser, den die Dienerin vor einer Weile an den Rand des Kampfplatzes abgestellt hatte. Ich trank in großen Schlucken, kümmerte mich nicht darum, dass einiges danebenging und meinen Brustkorb benetzte Ich war am Verdursten. Innerlich brannte ich lichterloh. Die Übungen hatten mir auf jeden Fall gut getan. Ich fühlte mich deutlich wacher als zuvor.
Mit dem großen Handtuch, das neben dem Krug gelegen hatte, trocknete ich mich ab und schlüpfte in frische Kleidung. Es wurde Zeit für Zen. Er wartete bestimmt ganz ungeduldig in seinem Zimmer. Ohne mich hatte er niemanden, mit dem er ausgelassen spielen konnte. Allein Azuria und Thales waren in der Lage, ihn im schlimmsten Fall unter Kontrolle zu bringen, sollte er wieder einen emotionalen Ausbruch haben. Aber sie konnten sich nicht jeden Tag um ihn kümmern. Sie waren ebenfalls König und Königin mit sehr vielen Pflichten.
Diese Tatsache machte nicht nur ihn traurig. Es schmerzte mich, ihn für mehrere Stunden in einem Zimmer eingesperrt zu lassen, als wäre er eine dauerhafte Bedrohung. Das stimmte zwar, aber ich wünschte, es wäre anders. Er war ein Kind. Er sollte in der Lage sein, mit all den anderen Kindern im Waisenhaus zu spielen. Er wollte nichts weiter als normal sein.
Eilig begab ich mich zu seinem Zimmer und öffnete die Tür. Ich brauchte nicht anzuklopfen. Wenn jemand nicht anklopfte, konnte es sich nur um mich handeln. Zen wusste das. Voller Freude sprang er vom Bett auf und direkt in meine Arme. >Du hast dir aber Zeit gelassen.<
>Tut mir leid, der Papierkram nimmt einfach kein Ende.< Ich tätschelte ihm den Rücken und lachte leise, als er sich fest genug an mich klammerte, dass ich meine Arme von ihm lösen konnte, ohne dass er fiel. >Bereit für den Strand?<
Das tiefe Rot seiner Augen wurde eine Spur heller. >Immer!<
Grinsend tauchte ich eine Hand in die Tasche meines Umhangs und umfasste den grünen Stein, den ich auf dem Weg hierher aus meinem Arbeitszimmer geholt hatte. Ich schloss die Augen. Stellte mir den Strand vor. Dort, wo sich niemand aufhielt, zu keiner Zeit des Tages. Es war wie eine Art Privatstrand abseits der Stadt und dennoch weit genug von der glühenden Hitze des Vulkans entfernt.
Sekunden später umgab uns der salzige Meeresgeruch gemischt mit dem besonderen Geruch von erhitztem Aschegestein. Meine einfachen Schuhe sanken leicht in den graugoldenen Sand ein, als ich mich in Bewegung setzte und dabei Zen auf seine eigenen Füße abstellte. Er breitete lachend die Arme aus. Tobte. Rannte. Wirbelte im Kreis herum, stolperte und fiel in den Sand, nur um gleich wieder aufzustehen und Richtung Meer zu eilen.
Das weite Blau erinnerte mich an all die Reisen, die ich bereits unternommen hatte und die noch auf mich warteten. Schon bald würde ich Ignulae verlassen. Für eine relativ lange Zeit.
Jenaya
Pixies waren echt niedlich. Ich wollte diesen kleinen Kerl am liebsten knuddeln, aber das sollte ich mir für ein anderes Mal aufsparen. Wenn ich ihn besser kannte. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass die Zwischenwelt mir meinen Wunsch erfüllen wollte. Dass sie mir dabei helfen wollte, Kenai zu einem vollständigen Menschen zu machen. Ob ich doch nicht Jahrzehnte darauf warten musste, bis dieses Ziel erreicht war? Das würde mich immens freuen.
Ich horchte auf, als Yun erwähnte, dass er in der Lage war, Kenais Gedanken zu lesen, beziehungsweise Bruchstücke davon. Das konnte durchaus hilfreich sein, denn bis jetzt fiel es mir wirklich schwer, in Kenai zu lesen. Er war ein Buch mit sieben Siegeln. Aber dass ich allein herausfinden musste, wie man seine Seele reparierte, frustrierte mich. Woher sollte ich das wissen? Ich hatte bis heute nicht einmal seinen Nachnamen gekannt...
>Ich möchte zurück ins Schloss, es ist schon sehr spät geworden und mir ist kalt.< Vielleicht sollte ich Kenai beibringen, dass wenn eine Frau fror, er ihr gefälligst seinen Umhang geben musste. Manieren. Menschen brauchten Manieren.