Ardan
Silia tauchte auf, bevor noch mehr wirre Gedanken sich in mir ausbreiteten. Jadis wusste auch nicht, was sie zu dem Ganzen sagen sollte, darum sagte ich nichts. Ich blieb im Schneidersitz sitzen und ließ sie unsere Tochter umarmen, die irgendwie geknickt wirkte. Entweder, weil sie sich dabei unwohl fühlte uns alles zu erzählen oder weil etwas anderes vorgefallen war. Vielleicht irrte ich mich auch total, denn bei all den Geheimnissen wusste ich echt nicht mehr, was in ihr vorging. Natürlich war ich sehr enttäuscht darüber, aber sie blieb trotzdem unsere geliebte Tochter.
Sie schüttelte langsam den Kopf und setzte sich zu uns. Erst sagte sie nichts, doch dann begann sie mit dem Finger eigenartige Zeichen in den trockenen Boden zu zeichnen und erzählte uns von den weiteren Treffen mit Akela. Dass sie sich von Anfang an zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Von seinem Herzenslicht, das nach Hilfe rief und sie das nicht einfach ignorieren wollte. Hinzu kamen all die Höhen und Tiefen, die in der Zeit ihrer Zusammenarbeit geschehen waren und von denen mir nicht einmal Thales erzählt hatte. Es schien, als hätte er Stillschweigen geleistet. Ihr zuliebe. Ich kannte ihn. Er blieb ein treuer Freund, auch wenn er mich nicht eingeweiht hatte. Sie berichtete zudem von den Schwierigkeiten, die Akela ihr bereitet hatte. Besonders, weil er im Allgemeinen kein Vertrauen anderen gegenüber aufbrachte. Wie war das möglich? Wie konnte er Silia für unglaubwürdig halten? Oje... In meinen Augen machte ihn das nicht besser.
>Naja... letztendlich haben wir auf eurer Hochzeit zueinander gefunden und seitdem läuft es erstaunlicherweise sehr gut, bis... heute.< Sie hörte auf in den Sand zu malen und seufzte schwer. Ein Seufzen, das von Herzen kam. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Braue in die Höhe. >Und uns hast du nichts erzählt, weil...!?<
Silia
Diese Frage war berechtigt. Ich traute mich nicht in ihre Augen zu sehen, weil ich sie nicht noch weiter enttäuschen wollte. Es fiel mir schon schwer genug alles zusammenzufassen und dabei das ganz Private für mich zu behalten. Es ging mir nur darum ihnen näherzubringen, dass Akela und ich wirklich einiges durchgemacht hatten und unsere Liebe zueinander echt war. Teils kompliziert, aber echt. >Ich schätze mal, ich wollte den Frieden wahren. Ihr alle misstraut ihm. Er zeigt kein Interesse daran eine Verbindung zu euch aufzubauen und ich... ich sitze irgendwie zwischen den Stühlen.<
Irgendwie erinnerte mich meine Situation an Kenais. Als Jenaya ihn damals fortschickte, weil sie dachte, es wäre das Richtige für sie beide. Das hatte ich auch gedacht. Aber vielleicht irrte ich mich. Da gab es die Liebe seines Lebens und seine Familie. Beide Parteien wollten nichts voneinander wissen und das hatte ihn innerlich kaputt gemacht, auch wenn er zu einem stärkeren Mann herangereift war. Ich fühlte dieses Zerrissensein. Dieses Gefühl war gerade sehr präsent. Wann hatte das angefangen? Wieso war mir das nicht früher aufgefallen? Hatte ich es vielleicht verdrängt, um keine Probleme hervorzurufen? Meine Zeit hier war begrenzt. Noch stand nicht fest, ob Akela und ich zusammenbleiben konnten und gerade deswegen wollte ich, dass es zwischen uns beiden gut lief. Aber wie sollte ich darüber hinwegsehen, dass er keine Anstalten machte wenigstens meine Familie näher kennenzulernen? War das etwa zu viel verlangt? Wäre seine Familie am Leben, würde er nicht wollen, dass ich mich mit ihnen zusammensetzte und ein Teil von ihnen wurde? Ich hätte seine Mutter nach seinem Lieblingsessen gefragt und wie man es am besten zubereitete. Von seinem Vater hätte ich gerne gewusst, worauf er am meisten stolz war, was seinen Sohn betraf und was er sich für ihn wünschte. Und seine Geschwister... Von ihnen hätte ich gerne all seine peinlichen Erlebnisse erfahren.
Tränen sammelten sich in meine Augen. Ich blinzelte mehrmals und beugte mich zu Papa vor, um ihn fest zu umarmen. Er schlang seine kräftigen Arme um mich und erwiderte die Umarmung mit derselben Intensität. Ich schniefte leise. Heilfroh, dass ihm nichts passiert war und dankbar dafür, dass er Akela nicht den Kopf abgeschlagen hatte, als er die Chance dazu hatte. Es hätte so viel schlimmer enden können...
Jenaya
Schniefend sah ich dabei zu, wie die Feen zurück in ihre Welt flogen. Die Worte der Feenkönigin hatte mich tief berührt und ich war froh, dass ein Teil von Yun immer bei uns bleiben würde. In Kenai. Er hatte ihm damit ein großes Geschenk gemacht. Uns beiden. Er hatte unser Kind mit seinem Licht gesegnet. Das war etwas ganz Besonderes. Pure Dankbarkeit erfüllte mich. Ich lächelte traurig und sah auf, als Kenai aufstand und plötzlich Akela erschien. Er wirkte ebenso abgekämpft.
Zu meiner Überraschung umarmten sich die Brüder nicht. Kenai schlug ihn mit der Faust. Er war wütend, weil Akela ihn wohl im Stich gelassen hatte. Natürlich hörte ich das nicht gerne, aber so wie sein älterer Bruder darauf reagierte, wurde mir mal wieder bewusst, dass er tatsächlich ein anderes Gesicht aufsetzte, wenn Kenai bei ihm war. Er war nicht mehr so... kalt. Nicht zuletzt hatte ich bemerkt, dass an ihm Silias Licht haftete. Seine Aura wirkte sehr viel ausgeglichener als früher. Mehr in Balance. Ich fragte mich, wo sie war und ob es ihr gut ging. Immerhin hatten sie beide gegen Chaos gekämpft. Ein sehr starker Gegner.
Tief durchatmend richtete ich mich ebenfalls auf und fasste mir an den Bauch, der sich schwerer als sonst anfühlte. Ich ging auf die beiden Männer zu - den Blick auf Akela gerichtet. In all der Zeit hatte ich einen großen Bogen um ihn gemacht und auch wenn er sich in meinen Augen noch beweisen musste, gab es eine Sache, die wir ihm nicht vorenthalten würden. Er gehörte zu Kenais Familie und ich hatte ihm versprochen seinem Bruder gegenüber nachgiebiger zu sein. >Das magst du mir zwar nicht glauben, aber ich bin erleichtert zu sehen, dass es dir gut geht, Akela. Wir haben einen sehr guten Freund verloren und ich kann mir nicht den Schmerz vorstellen, den Kenai erlitten hätte, wärst auch du gefallen.< sagte ich freundlich und schaute daraufhin liebevoll auf meinen gewölbten Bauch hinab. >Vielleicht freut es dich ja zu hören, dass du bald Onkel wirst. Noch steht es nicht fest, aber ich denke, wir bekommen einen Jungen. Diese Tritte...< ich schmunzelte. >... sie sind ziemlich stark für ein ungeborenes Kind.<
Mein Blick glitt zurück zu Akela. Ich behielt mein leichtes Lächeln auf den Lippen. >Wir haben zwar nicht die beste Beziehung zueinander, aber ich möchte nicht, dass das Kind in einer gespaltenen Familie aufwächst. Es soll in einem stabilen, sicheren Umfeld großwerden.<