Jadis
Benommen blinzelte ich und nickte unbewusst, während ich mich von meinem Bruder führen ließ. Hätte er nicht meine Hand genommen, wäre ich nicht zu einer Bewegung fähig. Je näher wir einem Zelt kamen, desto schwerer wurden meine Füße, denn ich konnte dort den lauernder Tod spüren. Ich spürte den heftigen Drang davor zu fliehen, was mich dort erwarten würde. Ich wollte es nicht wahrhaben, ich wollte weiter in dem Glauben leben, dass die Menschen, die mir wichtig waren, immer in meiner Welt bleiben würden. Ganz egal was zwischen Gilbert und mir noch stand, ganz gleich wie groß die Distanz geworden war, er war und würde immer ein Teil meiner Welt sein. Wir waren zusammen aufgewachsen, er war immer an meiner Seite gewesen und zeitlang war aus unsere Freundschaft zu mehr geworden bis alles zerbrach. Ich würde niemals bereuen Ardan gewählt zu haben, denn mein Herz hatte immer ihm gehört. Doch die Art des Zerwürfnis tat mir leid und auch wenn wir einmal versucht hatten uns auszusprechen, war dennoch die Distanz zwischen uns. Wir hatten uns nicht wirklich ausgesprochen, weil wir noch zu verletzt in unsere Gefühle gewesen waren. Tief atmete ich ein und betrat das Zelt, wo Inej am Feldbett saß. Ich wagte einen Blick auf Gilbert, sein Körper wurde von einer Decke bedeckt. Doch den dunklen, riesigen Fleck konnte sie dennoch nicht verbergen und sein graubleiches Gesicht kündigte den bevorstehender Tod an. Er lag wirklich im Sterben. In diesem Moment brach ein Teil von mir und wankend sank ich vor dem Bett auf die Knien. Ich merkte nicht, wie Inej traurig meine Schulter drückte und mit meinem Bruder das Zelt verließ. „Gilbert?“, krächzte ich leise. Schweratmend öffnete er flatternd seine Augen. Der Blick war verschleiert, vermutlich hatte man ihm eine Menge Betäubungsmittel eingeflößt, damit er nicht qualvoll leiden musste. In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. „J-Jadis?“, keuchte er angestrengt und seine zitternde Hand suchte nach mir. Sofort ergriff ich sie und erschrak mich, wie schwach sie sich anfühlte. Von seiner Kraft war nichts mehr übrig geblieben, er hatte alles gegeben und nun kam der ungerechten Tod. „Ich bin hier“, weinte ich. „N-nicht…t-traurig sein“, er musste sich anstrengen, um die Worte zu formen und seine blasse Lippen deuteten ein Lächeln an: „Danke….dass….dass du gekommen bist.“ Meine Augen brannten und mit der andere Hand trocknete ich mit einem Lappen seine feuchte Stirn: „Egal was zwischen uns steht, wenn du mich brauchst, bin ich für dich da und ich weiß es wäre auch umgekehrt so.“ Einen Moment huschte Trauer über seinem Gesicht, ehe er schmerzverzerrt tief atmete. Es klang rasselnd. „Es ist viel passiert…..und ich wünschte ich hätte mehr Zeit mit dir zu reden….ich….i-ich habe dich vermisst. Als meine beste Freundin. E-es tut mir leid, wie….wie alles geendet ist….und was ich gesagt habe. Ich….war ein einfältiger Idiot, dabei….habe ich immer gewusst, dass dein Herz für Ardan bestimmt war…..ich will dir sagen, dass ich dankbar bin für die kurze Zeit mit der ich mit dir zusammen sein durfte. Ich….ich werde dich immer lieben. Als meine beste Freundin. Als meine Geliebte. Als meine Prinzessin.“ Ein heftiger Husten überfiel ihm und dunkles Blut floss aus seinem Mundwinkel. Ich wischte es weg und konnte die neue Tränen nicht aufhalten: „Es tut mir auch leid, dass ich dich zutiefst verletzt habe und ich mich von dir gänzlich zurückgezogen habe ohne dir eine richtige Chance zu geben, als du versuchst hast den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen. Ich war selbst eine sture Idiotin. Ich habe dich als meinen besten Freund ebenfalls vermisst…..bitte geh nicht, Gilbert!“ Ich warf mich auf seinem Brustkorb und vergrub schluchzend mein Gesicht in seinem Hals. Unter dem Schmutz des Kampfes stieg der vertraute Geruch von ihm in meine Nase, der seit meiner Kindheit mich begleitet hatte. „Sei….nicht traurig. Es…..es ist in Ordnung. Ich…..habe für das Richtige gekämpft und hatte ein schönes….L…Leben gehabt. Das ist nicht Jedem vergönnt…..und ich bin vor allem dankbar wunderbare Menschen in meinem Leben gehabt zu haben….“, er keuchte immer angestrengter und ich spürte das krampfartige Zittern seines Körpers: „Gibst du mir einen letzten Kuss?“ Ich hob den Kopf und obwohl er so ruhig über seinen Tod gesprochen hatte, entdeckte ich dennoch die versteckte Angst in seinem Blick. Sanft legte ich eine Hand auf seine eingefallene Wange und beugte mich zu ihm hinunter. An seine Lippen wisperte ich: „Danke für Alles, Gilbert. Wir werden dich niemals vergessen. Dein Mut und deine Treue wird immer in unsere Erinnerung bleiben.“ Dann küsste ich ihn und nahm ihm das Atem, damit er nicht mehr länger leiden musste. Ich hörte ein letztes Seufzer von ihm, das voller Erleichterung klang und seine Augen schlossen sich für immer, während sein Gesicht einen friedlichen Ausdruck nahm. Seine Seele hatte die andere Welt betreten. Ich löste mich von ihm, schlug meine Hände vor dem Gesicht und gab mich meinem Trauer hin. Mein bester Freund war fortgegangen.
Akela
Stöhnend öffnete ich langsam meine Augen und einen Moment blitzte es vor meine innere Augen bis die Sicht klarer wurde. Sofort merkte ich, dass ich auf etwas Weiches lag und mich nicht mehr auf dem Schlachtfeld befand. Ruckartig richtete ich mich angespannt auf und ignorierte den heftigen Schwindelattacke, während meine suchende Augen sofort Silia entdeckte. Sie lag neben mir und schien bewusstlos zu sein, aber ihr ging es scheinbar soweit gut. Meine Schultern lockerten sich und ich fuhr mit der Hand durch das Haar. Ich fühlte mich, als hätte mich etliche riesig Kreaturen niedergetrampelt. Ich hasste dieses Gefühl von Schwäche. Ich spürte, dass wir nicht alleine waren und ich schaute in die andere Richtung, wo der Vater von Silia saß. „Ausgerechnet dich sehe ich als erste wache Person“, murrte ich und wollte aufstehen. Mein Körper hingegen hatte andere Pläne und wie ein schwerer Kartoffelsack sank er wieder auf dem „Bett“. Missgelaunt starrte ich die Decke des Zeltes an, als wäre sie Schuld an meinem schwachen Körper. Normalerweise erholte ich mich schnell, aber ich war anscheinend wirklich ausgebrannt. Meine Augen wanderten zu Silia und langsam entspannte ich mich wieder. Selbst im Schlaf sah sie anbetungswürdig aus und für einen winzigen Moment zuckte mein Mundwinkel.
Kenai
Meine Augen leuchteten auf, als Jenaya sagte, dass ich ebenfalls mich an diesem Glück beteiligt hatte und das stimmte auch. Ohne unsere verschmolzene Liebe hätten wir niemals dieses Wunder erschaffen können. Ihre helle Wangen begannen rosig zu werden und ich spürte wie mein Brustkorb vor tiefer Liebe anschwoll. Sie sah so wunderschön aus mit unserem Baby auf dem Arm. Ich glaubte ich verliebte mich nochmals in sie, für mich würde niemals eine andere Frau geben. Jenaya war es, die in mir die ersten Gefühle weckte und dadurch war unwiderruflich ein Band geknüpft geworden, die Niemand zerstören konnte. „Der Himmelsnamen“, nickte ich mich erinnernd, auch dieser Name hatte mir sehr gefallen: „Gut, dann warten wir.“ Mich störte es nicht ihm nicht sofort einen Namen zu geben, Hauptsache er war jetzt da und war gesund. „Darf….darf ich ihn auch auf dem Arm nehmen?“, fragte ich schüchtern und blickte an mir herunter: „Nachdem ich mich gewaschen hatte?“ Ich wusste zwar nicht wie man ein Baby hielt und spürte auch sowas wie Angst ich könnte ihm versehentlich verletzen, weil er so zerbrechlich aussah, dennoch spürte ich den unbändigen Wunsch ihn an meinem Brustkorb drücken zu wollen. Ich wollte sein Herzschlag hören, seinen Duft einatmen und ihn beobachten wie er friedlich schlief. Diese Liebe zu seinem Kind war überwältigend, sie war bedingungslos groß und einfach da. Für mein Kind würde ich sterben, um ihn zu beschützen. So fühlte sich also das Vatersein an. Und dieses Gefühl gefiel mir, es machte mich glücklich. Ich hatte jetzt eine eigene Familie.