Jadis
Jede Nacht umfing mich die vertraute Wärme von Ardan und schützte mich vor böse Träume, sodass mein Geist und Körper sich langsam von den langen Strapazen des Krieges erholen konnte. Dennoch gab es noch tiefe Wunden, die ihre Zeit brauchten um zu heilen. Langsam öffnete ich die Augen, als ich eine sanfte Berührung spürte und dieses Mal blickte ich mich nicht mehr orientierungslos herum. Mittlerweile wusste mein Verstand, dass ich in einem weichen Bett aufwachte und nicht mehr auf dem Boden oder auf einem Feldbett in einer karge Landschaft oder auf einem Kampffeld. Ich war Zuhause. Noch immer klang dieses Wort wie Magie in meine Ohren und jedes Mal ergriff mich tiefes Ungläubigkeit, dass wir tatsächlich diesen Krieg gewonnen hatten. Sobald ich von meinem Zusammenbruch erholt hatte, waren wir gleich hierher aufgebrochen, wo Zen bereits auf uns gewartet hatte. Er hatte viele Tränen vergossen und auch ich konnte mich da nicht zurückhalten. Endlich waren wir wieder als Familie vereint und würden uns nicht mehr so schnell trennen. In den zukünftige Reisen würde Zen uns begleiten können, weil keine Gefahr mehr drohte. Frieden. Noch nie hatte ein Wort so schön geklungen und ich würde alles dafür tun, dass dieser Frieden bewahrt blieb. Ich vergrub mein Gesicht in den nackten, muskulösen Brustkorb und atmete tief den einzigartigen Duft meines Gemahls ein. Wir ließen am Morgen uns Zeit, trotz der Pflichten, die auf uns warteten. Doch auch wir waren am Ende Menschen, wie unser Volk. Ich dachte nicht gerne an die letzten Tagen zurück, denn sie handelte von viele Beerdigungen in meinem und auch in diesem Reich. Das war eine Wunde, die ihre Zeit brauchte um zu heilen. Besonders der Verlust von Gilbert nahm mich immer noch mit. Und der Verlust von Alita. Aber auch Thales vermisste ich, der beste Freund meines Gemahls und natürlich Yun. Viele gute Seelen waren gestorben. Ich schüttelte die traurige Gedanken ab, sie würden wollen, dass wir sie in guter Erinnerungen behielten und nicht von unsere Trauer gefangen nehmen lassen. Ich erinnerte mich, das heute ein besonderer Tag sein würde. Heute würde der Sohn von Jenaya und Kenai am Baum des Frieden, so nannte ich ihn in Gedanken, getauft werden. Dieses süßes Baby war das Symbol der Hoffnung und ich glaubte, dass wir von ihm in der Zukunft etwas Großes erwarten durften. Silia würde dann auch dort sein, zuletzt hatten wir sie vorgestern gesehen. Auch sie trauerte und musste ihre Wunden heilen lassen. Sie war mit dem Piraten an einem geheimen Ort, um dort sich zu erholen und vermutlich dort auch ihr ein eigenes kleines Reich mit ihrer Liebe zu bauen. Ich wünschte, sie würde bei uns leben, aber sie war erwachsen und hatte ihre Liebe gefunden, weswegen ich sie auch loslassen musste. Das war die letzte schwere Aufgabe als Eltern, doch wir würden weiterhin immer für sie da sein, wenn sie uns brauchte. „Guten Morgen“, murmelte ich leise, vermutlich hatte Ardan schon bemerkt, dass ich eine kleine Weile wach war. Aber dieser wundervoller Mann ließ mir immer Zeit bis ich wirklich in unsere Welt angekommen war und den Schlaf endgültig von mir abgestreift hatte. Meine Hand legte sich auf dem Brustkorb, dort wo sein Herz kräftig schlug und ich hob langsam mein Kopf. Wir hatten gemeinsam so viel geschafft, trotz all der schwere Hindernisse und der Schmerzen. Diese Erfahrungen hatten unsere Verbindung nur noch mehr verstärkt. Es war wahr, dass man erst in der schlechteste Zeiten sehen konnte, ob eine Beziehung halten konnte oder nicht. Jedenfalls wusste ich, dass wir von nun an alles durchstehen konnte, egal was uns in der Zukunft erwartete. Natürlich hoffte ich, dass wir ein ganzes Leben lang in Frieden leben können, aber es würden bestimmt ein paar Alltagsprobleme hin und wieder auftauchen, die wir bewältigen müssen. Immerhin waren wir ein Königspaar und hatten ein Volk zu führen, das würde nicht immer reibungslos ablaufen können. Zudem waren wir noch Eltern. Aber ich wusste, dass solche kleine normale Probleme sich schnell in der Luft auflösen würden, denn wir wussten alle, was wirklich zählte. „Ich liebe dich“, sagte ich zu dem schönen Mann, dessen Gesicht ich jetzt erblickte und küsste ihn. Und ich genoss den warmen, prickelnder Kuss in vollen Zügen. So schmeckte der Frieden.
Akela
Mein Geist merkte sofort die leere Stelle neben mir, aber gleichzeitig spürte ich Silia in der Nähe und daher blieben meine Augen geschlossen. Ich hatte ein wenig Gefallen daran gefunden lange schlafen zu können, aber nur wenn sie auch in der Nähe war. Doch dann öffnete ich die Augen und erblickte Silia gedankenverloren am Fenster, dabei hielt sie die schwarze Perle in ihrer Hand. Mit dieser Kette hatte ich damals mich versucht auszudrücken, was ich für sie empfand, als mir noch schwerfiel es in Worte zu sagen ohne dabei falsch rüberzukommen. Ich reckte mich und fuhr mit der Hand durch das Haar. Sie müssten mal geschnitten werden, sie waren länger geworden und anders als bei meinem Bruder trug ich es nicht gerne lang. Der kurze Gedanke an Kenai erinnerte mich daran, dass heute die Taufe meines Neffen war. Vor ein paar Tagen hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen, Kenai hatte darauf bestanden, dass ich vorbeikommen sollte und selbst wenn er mich nach Ocamma schleifen müsste. In Sachen Familie war dieser Kerl verdammt stur. Naja, der kleine Fratz sah schon niedlich aus und man konnte sehen, dass aus ihm ein prächtiger Kerl werden würde. Aber es würde eine Weile dauern bis ich mich an die Rolle des Onkels gewöhnte. Ich richtete mich auf und trat hinter Silia, die wie immer in diesem Nachtkleid aus Nichts unglaublich verführerisch aussah. Ich schlang meine Arme um ihren Körper und vergrub mein Gesicht in ihrem duftender Hals, um dort Küsse auf der weiche Haut zu verteilen. Ein angenehmes Brennen machte sich in meinem Brustkorb bemerkbar und mit raue Stimme, die noch von dem Schlaf belegt war, murmelte ich: „Guten Morgen.“ Mir gefiel ihr trauriger Gesichtsausdruck nicht. Vermutlich dachte sie an Derjenige, die sie verloren hatte und ich spürte wie immer diesen unbändigen Drang sie zum lächeln bringen zu wollen. Aber ich wusste am Besten, dass sie ihre Zeit brauchte bis es irgendwann erträglich wurde. Gleichzeitig, wie bescheuert es auch war, spürte ich einen kleinen Stich der Eifersucht auf Fenrir und Mal. In einige Dingen war ich wohl noch unverbesserlich, wobei meine schroffe Art ein wenig die Schärfe verloren hatte. Doch Niemand würde wirklich diese Seite hier von mir sehen, den ich nur Silia offenbarte. Selbst wenn ich fortan versuchen wollte mich zu bessern. Meine Augen glitten zum Meer, als ich mein Kinn auf ihre Schulter bettete und das dunkle Schiff erblickte. Ich würde nicht mehr der Piratenlord sein, ich hatte meine Aufgabe erfüllt und jetzt musste ich selbst herausfinden, was ich wirklich in der Zukunft tun wollte. Außerdem war meine Mannschaft frei, wie ich es damals versprochen hatte, als sie mit mir einen Pakt einging. Von ihnen ist nicht viel übrig geblieben. Cassandra war nicht die einzig Tote. Kaz wurde durch einem Hinterhalt getötet und Basil war daraufhin ausgerastet. Sie stürzte selbstmörderisch sich in das schwarze Heer und fand dort den Tod. Wer hätte geglaubt, dass zwischen den Beiden anscheinend was gelaufen war. Ich wusste noch nicht wie ich mit diese Verluste umgehen sollte, auf Trauer hatte ich immer mit zerstörerische Rachegelüste reagiert. Jetzt musste ich lernen auf gesunde Weise mit Verlust umzugehen. Bei Cassandra wusste ich nicht, ob ich überhaupt bei ihr eines Tages Trauer verspüren konnte, da sie mich immerhin verraten hatte und mich besitzen wollte. Aber darüber wollte ich mir jetzt den Kopf nicht zerbrechen, die Frau in meine Arme war viel wichtiger. Noch war sie bei mir, aber ich spürte, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb. „Ich werde es tun. Gleich nach der Taufe“, sagte ich entschlossen: „Ich werde deine Schöpferin um den Segen bitten und dieser Baum scheint ein Teil von ihr, also kann sie mich wahrscheinlich dort am Besten hören. Ansonsten wende ich mich an die Mondgöttin Luna, ihre Schwester.“ Ich hielt Silia noch fester: „Ich darf dich nicht verlieren. Du bist mein Leben.“