Was schaust du an?
Ardan
Es kostete mich große Überwindung nicht aufzuspringen und zu meiner Tochter zu eilen. Ihre sonnige Aura rief mir in Erinnerung, wie sehr ich sie vermisst hatte und als Jadis neben mir zu schniefen begann, spürte auch ich das Brennen in den Augen. Drei Wochen. Das war eine lange Zeit für Eltern. Und für den kleinen Bruder. Während Kenai sich seinen Bruder schnappte, kamen Silia und Envar zu uns. Sie wirkte ebenso ergriffen von der ganzen Situation. Über den Stuhl hinweg drückte sie ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn, dann riss sie verblüfft die Augen auf. >Du bist schwanger!?< Sie schaute aufgeregt zwischen ihr und mir hin und her. Ich bestätigte ihre Vorahnung mit einem breiten Lächeln, ehe ich sie kurz umarmte. Es war etwas umständlich, weil sie eine Reihe vor uns saß, aber das reichte. Hauptsache, sie war hier und ich konnte sie wieder ansehen, berühren und ihren sommerlichen Duft einatmen. Zen wurde erst recht unruhig, denn er wollte sich am liebsten auf seine Schwester stürzen, die er ebenso stark vermisst hatte. Silia warf ihm einen Luftkuss zu. >Später werden wir ganz viel tanzen, versprochen.<
Silia
Es war etwas unwirklich, wieder hier zu sein. Drei Wochen konnten eine lange Zeitdauer sein, wenn man damit beschäftigt war, sich ein neues Leben aufzubauen. Umso mehr freute ich mich, all die vertrauten Gesichter zu sehen. Kenai kamen fast die Tränen, als er seinen Bruder umarmte und in meinem Herzen wurde es ganz warm, weil ich wusste, wie viel es Akela bedeutete hier zu sein. Egal wie sehr er das herunterspielte und locker blieb. Sein Platz neben Kenai war genau richtig. Ich hingegen gesellte mich zu meiner Familie. Meine Mutter wurde gleich emotional und als ich das sanfte Licht in ihrem Bauch sah, verstand ich, dass demnächst etwas Großes bevorstand. Unsere Familie würde Zuwachs bekommen. Wie schön! Ich hätte so gern mit ihnen geredet, aber im Moment gab es etwas Wichtigeres zu tun. Still sein und staunen.
Musik setzte ein und alle Gespräche verstummten. Wir hatten die Leute mit unserem spontanen Auftritt ganz schön verwirrt, doch nun konzentrierten sich alle auf die riesige Tür, die in den Saal führte. Sie öffnete sich wie von Geisterhand und eine wunderschöne Braut erschien. Der König, Jenayas Vater, führte sie und mir traten nun doch Tränen in den Augen. Dieser Anblick erinnerte mich an die Hochzeit meiner Eltern, aber auch an meine eigene. Ich liebte solche besonderen Momente!
Jenaya
>Nervös?< wollte mein Vater wissen, als sich die Türen langsam öffneten und mir kurz das Herz stehenblieb. So viele Menschen, so viele Augenpaare, die sich auf mich richteten. Ich war es nicht mehr gewohnt von großen Menschenmengen angestarrt zu werden, denn als Prinzessin hatte ich mich in letzter Zeit ziemlich zurückgezogen. Nicht nur, weil ich mich hauptsächlich um Cael kümmerte, sondern weil Kenai und ich an unserer gemeinsamen Zukunft arbeiteten. Schon bald würden wir das Theater eröffnen und ich mein erstes Kurzgeschichtenbuch veröffentlichen. Es würde dann frei zugänglich in der Bibliothek stehen. Allein deswegen war ich aufgeregt.
>Ja, das bin ich und...< weiter kam ich nicht, denn etwas war anders. Die Stelle neben Kenai war nicht leer. Da stand Akela. Und wenn Akela hier war, dann bedeutete das, dass auch... Suchend glitten meinen Augen zu den freien Plätzen und als ich die vertrauten Gesichter von Silia und Envar entdeckte, blinzelte ich mehrmals. Sie waren hier. Sie hatten es tatsächlich geschafft, an diesem besonderen Tag zu erscheinen. Ein größeres Geschenk hätten sie uns nicht machen können. Im Vorbeigehen formte ich ein Danke mit den Lippen, ehe ich meiner Familie, besonders Cael, einen liebevollen Blick zuwarf. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit nach vorne und fühlte Wärme in mir aufsteigen. Ich errötete. Kenai sah hinreißend aus, das tat er immer. Alles um mich herum hörte auf zu existieren. Einzig und allein der sanfte Stirnkuss meines Vaters hielt mich davon ab wegen der wenigen Stufen zu stolpern, sodass ich heil an den für mich vorgesehenen Platz ankam. Direkt Kenai gegenüber, den ich unentwegt ansah. In meiner Brust pochte es wie verrückt und es fühlte sich an wie damals, als mir bewusst wurde, dass ich diesen Mann für immer lieben würde. Nun stand ich hier... und unser beider Wunsch ging in Erfüllung. Er heiratete seine weißhaarige Prinzessin und ich meinen geliebten Zirkusjungen.