Ardan
>Du bist ein Halbdämon, glaubst du wirklich, du hast das Zeug einen Hohedämon wie mich zu besiegen?< sagte mein Gegenüber in einem mehr als spöttischen Tonfall. Brachte man Dämonen etwa von klein auf Überheblichkeit bei? Sehr wahrscheinlich. Seine Art ging mir richtig auf die Nerven.
Ich umfasste meine Waffe fester. Kniff die Augen zusammen. >Wie wäre es, wenn wir das gleich auf die Probe stellen? Du redest zu viel.<
Bevor er irgendetwas Dummes von sich geben konnte, flog ich auf ihn zu und schwang die Sense von oben herab. Natürlich ging ich davon aus, dass er den Schlag locker parieren konnte, aber ich wollte nur Nähe schaffen. Je näher ich ihm kam, desto einfacher würde es werden, ihn bei lebendigem Leib zu grillen. Er schien allerdings meinen Hintergedanken zu spüren, denn er entwischte mir rechtzeitig. Sein Körper bewegte sich so schnell, dass er Teleportation ohne Hilfsmittel beherrschen musste. Für ihn mochte das nach einem Vorteil aussehen, aber ich kam damit klar.
Wieder hörte ich das Schnipsen. Ich verließ mich allein auf meinen magischen Instinkt. Schlag für Schlag wehrte ich die schwarze Magie ab und suchte Nähe. Als ich sie fand, war es nicht die Sense, die ihn traf, sondern meine Faust in seinen festen Bauch. Er gab ein leises Keuchen von sich, wohl, um mich mit seiner Kraft zu beeindrucken, doch das konnte er sich gleich sparen. Für mich blieb er eine lästige Fliege. Eine Fliege, die gerade mit voller Wucht in ein niedergebranntes Haus einkrachte. Ich wartete nicht. Ich flog hinterher. Ich war nicht fertig mit ihm.
Plötzlich tauchten mehrere Versionen von ihm auf. Oh, sehr interessant. Thales war ein Meister der Illusion, daher überraschte mich dieser Angriff nicht besonders. Jede Version von ihm war in der Lage, schwarze Magie einzusetzen. Ich musste nur das Original finden. Diesmal verzichtete er auf das kindische Schnipsen und griff mich stattdessen mit dunkler Materie an. Pures Psion, das bei der kleinsten Berührung wie Gift auf den Geist wirkte. War das sein Ernst? Glaubte er etwa, das würde mich in irgendeiner Art und Weise beeinflussen? Ich hatte viel mehr von einem Hohedämon erwartet. Ein wahres Blutbad. Oder hielt er sich zurück? War das ein Akt seiner Arroganz? Wenn das nämlich der Fall war, beleidigte er mich damit zutiefst. Und das ließ ich nicht auf mir sitzen.
Leise knurrend setzte ich meine Feuermagie ein und wirbelte im Kreis herum, sodass die dunkle Materie aus allen Richtungen mitten in der Flugbahn explodierte. Die Druckwelle wirbelte Trümmer und Staub auf. Von unschuldigen Zivilisten keine Spur. Scheinbar waren alle abgehauen. Sehr gut.
Ein weiterer Schwall Psion kam mir entgegengeflogen, dem ich geschickt auswich, ehe ich einen Gegenangriff startete. Ich sandte einen Feuersturm nach dem anderen aus, steigerte die Hitze, bis das Feuer eine immer hellere Farbe annahm. Etwas mehr und ich würde das besondere Feuer entfesseln, das ich bei der Gedenkfeier benutzt hatte. Dieses Feuer fraß sich durch alles hindurch. Selbst durch Schutzbarrieren wie die des Dämons. Sein Schild hielt meinen Attacken nicht länger aus. Risse zeichneten sich auf der dunkelvioletten Oberfläche ab, bis diese groß genug waren, dass ich mit dem nächsten Schlag einen Volltreffer landete.
Der Dämon zischte wütend. >Du gehst mir langsam auf die Nerven, Bastard.<
>Spricht man so mit einem König?< konterte ich mit hochgezogener Augenbraue, ehe ich mich von Angesicht zu Angesicht mit ihm befand. Endlich nahm er seine wahre Gestalt an. Ledrige, spitz zulaufende Flügel durchbrachen die Haut an seinem Rücken, während die Schwärze um ihn herum sich dicht wie Nebel verdichtete. Durch die Schlitze der Maske konnte ich ein violettes Glühen erkennen. Da war wohl jemand sehr wütend.
Perfekt. Jetzt wurde es richtig unterhaltsam.
Ich schleuderte die Sense von mir, denn im Moment konnte ich sie nicht gebrauchen. Meine Fäuste brannten darauf eingesetzt zu werden und diesen Kerl windelweich zu prügeln. Er war anscheinend auch in Stimmung. Wir prallten gegeneinander. Schwärze traf auf Schwärze. Ich nutzte meine dämonische Seite, zapfte meine Psion-Quelle an. Schlag für Schlag kämpften wir um die Oberhand, mal landete er einen Treffer, dann ich. Dies geschah in sekündlichem Abstand. Es gab keine Zeit zum Durchatmen. Wir atmeten, um zu kämpfen, um den anderen zu schwächen. Faust, Knie, Kick, Faust, Faust, mit dem Drachenschwanz ausholen und ihn direkt in die Seite treffen. Knochen brachen. Ein wunderbares Geräusch. Mittlerweile hatte ich auch einige Knochenbrüche vorzuweisen, doch sie heilten rapide. Ich wollte zudem den Schmerz empfinden. Er ließ mich lebendig fühlen.
>Stirb endlich!< fauchte der Dämon hinter der Maske, die in der Mitte gebrochen war und dennoch an seinem Gesicht haften blieb.
Ich schnaubte. Wenn jemand endlich sterben sollte, dann er. Genug gespielt. Ich war ihm haushoch überlegen. >Du bist eine Blamage für die Elite.<
Seine Wut vervielfachte die dunkle Energie, die aus ihm floss und ich sah, wie er die Flügel nach vorne faltete, wie er die Stachel an den Enden einsetzte, um sie tief in mein Rückenfleisch zu graben. Ich ließ es geschehen. Ich hatte darauf gewartet. Das dämonische Gift konnte mir sowieso nichts anhaben. Da konnte er noch so viel in meinen Körper pumpen, ich nahm es auf und wandelte es in reines Psion um. Er kapierte zu spät, dass er sich gerade das eigene Grab schaufelte.
Die violetten Augen blitzten auf. >Was zum...?<
>Mal sehen, wie lange es dauert, bis ich dich zu Tode gegrillt habe.< knurrte ich, packte ihn an den Schultern und drückte ihn mit aller Gewalt gegen eine recht stabile Hauswand. Putz bröckelte ab, ich stieß ihn tiefer in das Gemäuer und spannte dabei die Muskeln in meinem Rücken an, sodass es ihm nicht gelang, seine Flügel zurückzuziehen. Die Stacheln steckten fest. Er versuchte sich zu wehren, sich irgendwie loszumachen, aber da verspürte ich schon das vulkanische Brennen in meinen Lungen.
Dampf wich aus meinen aufgeblähten Nasenflügeln. Mein Körper erhitzte sich so weit, dass meine Hände sich in seinen Mantel zu fressen begannen, durch die letzte seiner Barrieren hindurch. Ich verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. >Richte dem Dunklen Lord einen netten Gruß aus. Er soll sich darauf freuen, wenn ich ihm die Herrschaft schon sehr bald entreiße.<
>Du...wirst...elendig verrecken.<
>Nein.< sagte ich kalt. >Du wirst das.<
Ein tiefer Atemzug und das helle Feuer schoss aus meinem Mund direkt in sein Gesicht. Die Maske zerbrach im Nullkommanichts, von seiner Fratze bekam ich nichts zu sehen. Es interessierte mich auch nicht. Ich konzentrierte mich einzig und allein auf den schmelzenden Körper in meinen Händen, wie er Stück für Stück kleiner wurde, stank und klebrig wurde. Zu einem Schrei hatte der Dämon ebenfalls keine Zeit gehabt. Er war tot. Er war zu Asche zerfallen. Diesem Namen wurde ich noch heute gerecht. Zu meinen Füßen lag immer Asche.
Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete den dunklen Fleck an der Wand. Unscharfe Umrisse des Hohedämons. Insgeheim hatte ich mir mehr von diesem Kampf erhofft, aber wahrscheinlich behielt der Dunkle Lord die besten Elitekämpfer für sich. Dieser hier hatte mich nicht einmal ein Zehntel meiner Kraft gekostet. Welch Zeitverschwendung das doch war.
Kopfschüttelnd wandte ich mich ab, streckte den Arm aus und spürte daraufhin das vertraute, raue Holz in meiner Hand. Die Sense summte leise. Sie hatte durch all die Toten viel Energie in sich aufgenommen. In ihr pulsierte ausschließlich schwarze Magie. Eine Waffe, die nur ich schwingen konnte. Sie war wie für mich erschaffen.
Jenaya
Mein Herz schlug schnell. Der Schreck steckte in meinen Knochen fest. Wir entfernten uns mehr und mehr von den Grausamkeiten des Kampfes. Ich hörte lautes Krachen, ein gefährliches Summen in der Luft. Wer würde gewinnen? Halbdämon oder Hohedämon? Ich hoffte, dass der König sein Wort hielt und unseren Feind niederstreckte. Im Moment war er unsere einzige Hoffnung.
Ich spürte, wie Kenais Körper sich enger an mich schmiegte. Wie warmer Atem meine Haut am Hals streifte. Kenai war hier. Er war hier bei mir. Ihm ging es gut. Uns beiden ging es gut. Auch wenn ich die Veränderung in seiner Energie spürte, dürfte er nicht diesen Schmerz von damals durchleben müssen. Ich wollte nicht, dass er litt. Nicht mal ein kleines bisschen. Aus einem Instinkt heraus drehte ich den Kopf so, dass meine Wange in Berührung mit seinen Lippen kam. Ich sah ihn an, nahm nur den schnellen Herzschlag und das Rauschen des Windes wahr. Meine Augen blickten in seine. Goldene Splitter. Ein Meer aus Goldregen. Ruhe kehrte ein, trieb den Schrecken fort und ließ mich entspannter aufatmen. Kenai hatte eben diese Wirkung auf mich. Er gab mir Sicherheit. Egal in welcher Situation wir uns auch befanden.
Ich drehte den Kopf etwas weiter zur Seite und hauchte einen unschuldigen Kuss auf seine Lippen. Ein Kuss, der nichts mit unserer Magie zu tun hatte. Es war einfach nur ein Kuss. Eine zarte Berührung. Nach dem schrecklichen Ereignis schien ich wohl die Kontrolle über meine Emotionen verloren zu haben, ansonsten hätte ich das nicht getan. Im Moment allerdings fühlte es sich richtig an.
Ein Kuss. Ein einziger und die Welt um mich herum sah ein Stückchen heller aus. >Du hast tapfer gekämpft, Kenai. Ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben.< flüsterte ich an seinem Mund, ehe ich mich wieder auf den Weg vor uns konzentrierte. Meine Wangen glühten und das Herz schlug aus einem anderem Grund ganz schnell.
Wir waren fast da. Das Auffanglager lag inmitten des Gebirges und dank der hohen Bäume genossen wir Sichtschutz vor potenziellen weiteren Gefahren. Gequältes Stöhnen und Weinen erfüllten die Luft. Augenblicklich legte sich eine Schwere auf mein Gemüt. So viele unschuldige Leben... verloren. So viele Verletzte... trauerten.