Ardan
>Weißt du was, Jadis? Seien wir mal ehrlich... Du wirst nie die Vergangenheit ruhen lassen. Du wirst mich nie so sehen, wie ich wirklich bin.< Ich ballte die Hände zu Fäusten und spürte das Gefühl von Enttäuschung, welches sich wie Säure meine Wirbelsäule hinaufarbeitete. >Egal, was ich tue, es ist dir nicht gut genug. Ich habe dir auf der Gedenkfeier einen verwundbaren Teil von mir gezeigt, ich habe dir den Segen des Heiligen Baumes gegeben, ich habe euren Hintern gerettet, als ihr fast draufgegangen seid, ich habe mich für mein Verhalten damals ehrlich entschuldigt, ich habe deinem Bruder das Leben gerettet und dich aufgefangen, als du gefallen bist. Dann bitte ich dich um eine Sache. Um eine einzige.< Ich hob den Zeigefinger, um meine Worte deutlicher zu unterstreichen. >Dass du die Vergangenheit hinter dich lässt und mich so akzeptierst, wie ich bin. Aber da reicht es schon, einen Pixie falsch anzufassen und du siehst mich an, als wäre ich der Bösewicht. Wirfst mir vor, ich wäre respektlos. Du drehst mir die Worte im Mund, wie es dir gerade passt, denn ja, ich bin stärker als ihr. Ja, ich darf offen zugeben, dass ich selbstgefällig auftrete, weil ich mir meiner Stärke bewusst bin. So bin ich einfach. Muss ich mich dafür entschuldigen? Ganz bestimmt nicht.<
Ein bitterer Ausdruck malte sich auf mein Gesicht, als ich sie direkt ansah. >Ich dachte, du wärst anders... Doch es scheint, als hätten du und Gilbert euch gegenseitig mehr als verdient. Ihr werdet nie mehr als nur einen Halbdämon in mir sehen. Ihr werdet immer die "Warum sollten wir dir vertrauen - Karte" ausspielen.< Ich schüttelte über meine eigene Dummheit den Kopf. Nach all den Jahren hatte ich immer noch nicht gelernt, dass Erwartungen in andere nur etwas für Schwächlinge waren. Ich hatte mal wieder zu viel erwartet. Zu sehr gehofft.
Mit einer fahrigen Bewegung fuhr ich mir durchs Haar und blickte zur Seite, damit niemand sah, wie sehr mich die Situation wirklich aufwühlte. Wie sehr ich mir wünschte, jemand würde sich die Mühe geben, hinter dem ganzen Halbdämon-König-Getue zu blicken. Was war ich doch für ein erbärmlicher Mann...
>Umgehen wir einfach das Drama, indem wir hier und jetzt eine Grenze ziehen. Denkt über mich, was ihr wollt. Verurteilt mich, haltet mich für ein eingebildetes Monster, ich nehme es hin.< Ich verbannte jegliches Gefühl aus meiner Stimme, als ich mich abwandte und die Hände erneut zu Fäusten ballte. Mein Herz pochte schmerzhaft in der Brust. Vielleicht hatte ich all das hier verdient. Vielleicht büßte ich hiermit für meine Sünden. >Es tut mir leid, Yun, dass ich dich ohne deine Erlaubnis angefasst habe. Ich nehme mir einfach das, was mich interessiert, ich bin impulsiv. Hätte ich gewusst, wie sensibel ihr alle deswegen seid, hätte ich es nicht getan. Und es tut mir leid, Prinzessin Jenaya, dass ich Euch mit einem harmlosen, niedlichen Tier verglichen habe. Das war nicht respektlos gemeint.<
Jenaya
Irgendwie lief die Sache aus dem Ruder und ich verstand nicht, warum sich ausgerechnet Prinzessin Jadis und König Ardan so sehr in die Haare kriegten. Wenn ich seine Worte richtig interpretierte, schienen die beiden eine Vergangenheit zu haben, die nicht gut ausgegangen war und das kochte jetzt wohl über. Natürlich hatte ich mich durch seine Worte respektlos behandelt gefühlt, aber ich hätte wirklich kein Drama daraus gemacht. Auch die Sache mit Yun war für mich gegessen, ihm ging es gut und er hatte sich für einen Moment genauso wie ich erschreckt. Und Kenai hatte auch nur seine Pflicht erfüllt. Es gab deutlich Wichtigeres als solche Kleinigkeiten durchzukauen.
Ich schaute zu Prinzessin Jadis und bewunderte sie für die Stärke und Autorität, die sie darstellte, aber dieses Ultimatum hätte ich an ihrer Stelle König Ardan gegenüber nicht vorgesetzt. Wie gesagt, er hätte alles besser formulieren können, aber im Kern steckte Wahrheit in den Worten. Wir brauchten Hilfe, wir brauchten jemanden, der unseren Horizont erweiterte. Da interessierte es mich nicht wirklich, ob mir Honig um den Mund geschmiert wurde. Ich wollte einfach nur stärker werden, Relikte finden und die Schwachen beschützen, ohne gleich dabei draufgehen zu müssen. Außerdem... Irgendwie empfand ich so etwas wie Mitleid für den König. Er erschien mir einsam. Er mochte uns als Kinder bezeichnet haben, aber er merkte nicht, dass er selbst wie eines um sich trat, weil er nach einem Fehler ausgestoßen wurde. Ich sah nämlich, wie er die Hände zu Fäusten ballte, ich sah, wie sich die Energie in seinem Inneren verschob und Dunkelheit seinen Kern ergriff. Es war dieselbe Reaktion, die Kenai erfasste, wenn er zu einer selbstzerstörerischen Erkenntnis kam. So wie vorhin, als er meinte, dass er kein Mensch sei und er nicht kompatibel mit mir wäre. Vielleicht empfand ich deswegen Mitgefühl für den König. Weil er mich ein wenig an Kenai erinnerte. Beide in ihrer Dunkelheit gefangen.
Allerdings sagte ich nichts, als er sich gänzlich abwandte und nach seiner Entschuldigung das Zelt verließ. Ich fand es traurig, dass das jetzt so ausgegangen war. Jedoch war ich nicht in der Position, ihn mit aufs Boot zu holen. Prinzessin Jadis hatte sich in dieser Sache klar ausgedrückt, dass sie das Sagen hatte und das respektierte ich.
Als Kenai "Lavendel" murmelte, lächelte ich ihn sanft an. >Später, in Ordnung?<