Ardan
Magische Weise hin oder her, was hatte ich mir dabei gedacht, dem zuzustimmen? Wie besoffen war ich gewesen? Solch eine Entscheidung traf ich normalerweise nie nüchtern. Oder? Hatten mich die letzten Jahre so stark verändert? Oder lag es an meinem Beinahetod, den Zaneri verursacht hatte? Unbewusst hatte das nämlich gewaltigen Schaden in mir angerichtet...
Ich räusperte mich und suchte nach den richtigen Worten, fand allerdings keine, weil mich all diese flauschigen, überaus niedlichen Kinder ablenkten. Wie konnte man nur so süß sein? Es kribbelte in meinen Fingerspitzen, sie alle in den Arm zu nehmen und an meine Brust zu drücken. Um den Druck in mir loszuwerden. Ich fühlte mich überfordert. Nicht bereit, eine Art Tochter großzuziehen, um sie gleich darauf in den Krieg zu schicken. >Entschuldigt, aber... Aber ich kann ein Kind nicht einfach an die Front schicken. Das ist und bleibt ein Tabu für mich. Ich... ich kann das nicht.<
Lynelle löste ihren sanften Blick von ihren "Kindern" und sah mich sehr ernst an. >Eure Bestimmung war es, König Eures Landes zu werden und in diesem Krieg zu siegen. Schon bei Eurer Geburt stand Euer Schicksal fest und nun seid Ihr hier. Wenn Ihr ein Problem mit dem Begriff Tochter habt, dann nennt sie einfach Silia. Sie ist ein Sonnenfuchs und noch in ihrer Eiform.< Wieder bewegte sie ihren Zauberstab, woraufhin zwei waschbärenähnliche Kinder ein hübsches, perlweißes Ei mit goldenen Ornamenten und magischen Symbolen zu mir trugen. Ihre Augen blickten mich ehrfürchtig und neugierig zugleich an.
Ich hörte, was Yun zu seiner eigenen Geburt sagte. Dass es in anderen Ländern, fernab dieser Welt, andere Gesetze gab. Das machte durchaus Sinn. Trotzdem... Als ich das Ei, welches sich schön warm in meine Hände schmiegte, entgegennahm, spürte ich so etwas wie Angst. Angst, etwas falsch zu machen. Angst, zu versagen. Angst, nicht genug zu sein. Tochter. Sie entsprang zum Teil mir. Wie sollte ich sie nicht als Tochter sehen? >Silia... <
>Wie ich bereits sagte, gehört sie einer sehr seltenen Art von Animagi an. Sie ernährt sich ausschließlich von Fleisch und von Sonnenlicht. Es wird nicht lange dauern, bis sie schlüpft, denn nun seid ihr vereint. Und sie wird auch recht schnell heranwachsen, nicht wie es Menschen tun. Wir Animagi wachsen mit unseren Aufgaben, mit unserer Berufung. Deshalb müsst Ihr es ihr erlauben, an Eurer Seite zu kämpfen. So wie ein Kirschbaum Kirschen austrägt, wenn er als kleine Pflanze seine Lebensreise beginnt, so wird sie auch zu der Animagi werden, wie es für sie bestimmt ist. Es wäre egoistisch, ihr den Sinn ihrer Erschaffung zu nehmen.<
Egoistisch, ihr den Sinn ihrer Erschaffung zu nehmen. War das wirklich so? Konnte ich damit leben? Konnte ich neben all den Pflichten und Menschen, die ich beschützen musste, auch sie mit in die Verantwortung ziehen? Ich schluckte schwer und sah zu Jadis. Sie schien ebenfalls baff zu sein. Ihr fehlten die Worte. Ich wusste nicht, was ihr durch den Kopf ging, aber ich hoffte, dass sie mir hierbei zur Seite stand und mir half eine Animagi großzuziehen. Ich gab es ungern zu, aber ich brauchte Hilfe. Ich wollte nicht versagen. Ich wollte nicht wie mein Vater werden. Ich wusste nicht, wie man ein guter Vater war...
Lynelle trat zum ersten Mal einen Schritt näher. Magie pulsierte in der Luft. Sie schaute in die Gruppe und ihr stechend grüner Blick blieb an Jadis und mir hängen. >An euch haftet die Liebe zu einem Obscurus. Sie sind das genaue Gegenteil von uns Animagi. Wenn ihr in der Lage seid für ihn zu sorgen, dann werdet ihr es auch schaffen, Silia großzuziehen. Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass eine Animagi ein Segen ist. Sie wird euch von großer Hilfe sein. Das ist mein Geschenk an die Welt da draußen, die dabei ist, sich in der Dunkelheit zu verlieren.<
Jenaya
Noch mehr niedliche Kinder scharten sich um mich herum und ich wusste nicht, welches davon ich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Sie waren alle zum Niederknien. Selbst Yun schien seinen Spaß mit ihnen zu haben und ich bekam nicht so richtig mit, was Lynelle zu sagen hatte. Erst als Kenai einer katzenähnlichen Animagi gegenüber grob wurde, drehte ich meinen Kopf zu ihm herum und funkelte ihn an. >Du musst lieb zu ihnen sein. Das sind noch Kinder. Sie sind neugierig, also sei bitte nicht so abweisend. Sieh mal, wie weich ihre Ohren sind...< Ich kam wieder ins Schwärmen und begann dem Hasenkind die Ohren zu kraulen. Sie quiekte erfreut und sprang auf meinen Schoß, um die Streicheleinheit in vollen Zügen zu genießen.
Aus dem Augenwinkel sah ich dann, wie Ardan ein Ei erhielt, in dem sich seine Tochter befand. Sie würde schon bald schlüpfen. Die kleine Silia. Was für ein schöner Name. Passend zu ihrer Art, dem Sonnenfuchs. Was wohl ihre Fähigkeiten sein würden? Sehnsüchtig schaute ich wieder die Kleinen an und wünschte mir, ich könnte auch ein Kind mitnehmen. Sie ließen mein Herz völlig dahinschmelzen. So wie Maris damals als kleines Kätzchen.
>Nun denn... Gibt es noch etwas, das Ihr mich gern fragen würdet?< fragte Lynelle in die Runde.