Ardan
Es fühlte sich gut an, wie sie mit meinen Fingern spielte, während sie mir alles erzählte. Einige Punkte standen sogar auf meiner Liste, lange schlafen mit eingeschlossen. Wann bekam ich schon genügend Schlaf? Kaum. Von morgens bis abends wurde ich in irgendetwas eingewiesen, musste mich mit Wissen vollpumpen und ständig auf Abruf bereit sein, wenn mein Vater mich brauchte. Aber ich hatte das nie von einer anderen Perspektive betrachtet. Dass andere Geschwister darunter litten. Dass sie ihren Vater vermissten.
Ich drückte sanft ihre Hand und ließ sie dann wieder mit meinen Fingern spielen. Die Zaubervorstellung überraschte mich, aber ich konnte sie mir gut als Zuschauerin vorstellen. Ihre Augen würden bestimmt kindlich aufleuchten. Viele Leute liebten magische Tricks, selbst ich als kleiner Junge hatte großen Spaß daran gefunden, bis mein Vater mir diesen genommen hatte. Wie vieles andere auch.
> Du wirst später eine großartige Kämpferin, da bin ich mir sicher. Mittlerweile bin ich gut darin, Menschen und ihre Fähigkeiten einzuschätzen und in dir sehe ich großes Potenzial. Mein Vater mag dagegen sein, aber ich würde nie behaupten, Frauen könnten nicht an die Front gehen. Wenn ich später König werde, hoffe ich, dass ich das Militär von Grund auf umstruktieren kann. Leider kriegt man das aber nicht an einem einzigen Tag hin.<
Mein Blick wanderte in die Ferne, dort, wo die Sonne sich weiter zurückzog und uns in der leisen Dunkelheit allein ließ. > Ich will die Welt bereisen, ich will all die magischen Orte finden, die man nur aus Legenden kennt, denn ich bin der vollsten Überzeugung, dass sie wahr sind. Keine Märchen. Seien es magische Gegenstände oder besondere Kreaturen, ich will alles sehen.< Nachdenklich runzelte ich die Stirn. > Und ich möchte mehr Theaterstücke sehen. Nur bei besonderen Anlässen lässt mich Vater in diese Veranstaltungen gehen, aber ich liebe es, wenn Geschichten direkt vor meinen Augen zum Leben erweckt werden.<
Ich lächelte sie von der Seite an. > Mehr fällt mir spontan nicht ein. Zählt, viel mehr Zeit mit dir zu verbringen, dazu?<
Jenaya
Am Frühstückstisch unterhielten wir uns wie immer über bevorstehende Pläne oder wichtige Anliegen, die nicht auf ein Später verschoben werden konnten. Ich nutzte den Moment und erzählte allen, wovon ich gestern Abend beim Baden geträumt hatte. Nun ja, kein Traum, sondern eher eine Vision. Wie erwartet, starrten mich alle zunächst sprachlos an. Hörten auf zu essen. Stille legte sich über uns. Ich schluckte den letzten Bissen hinunter, fühlte mich plötzlich unwohl.
Meine Mutter war die erste, die das Wort ergriff. Sorge lag in ihrem Blick und etwas anderes, das ich nicht wirklich deuten konnte. Das bereitete Mir Sorgen.
> Ich denke, es wäre gut, wenn wir später im engsten Kreis darüber reden. Im Arbeitszimmer deines Vaters.< Also ich hatte mit etwas mehr Informationen gerechnet, aber wie sonst auch würde ich wohl damit warten müssen. Meine Brüder waren ungewöhnlich still und ich fragte mich, ob ich nicht doch den falschen Moment ausgesucht hatte. Na toll... Hoffentlich fiel der Ausritt in den Wald nicht aus.
Meine Eltern versuchten wieder ein lockeres Gespräch anzufangen, aber der schwere Stein in meinem Magen nahm mir die Freude am Ganzen. Ich konnte mich auf nichts anderes konzentrieren. Die Bilder von gestern kehrten zurück und mir verging der Appetit. Ich hatte nicht viel gegessen...
> Komm, meine Kleine, lass uns den Ausritt machen. Ich denke, dass dir das guttun wird.< riss mich Mutter aus den trüben Gedanken und ich atmete erleichtert aus.