Ardan
Dass Jadis sich Sorgen um die anderen machte, zeigte, was für ein gutmütiges Herz besaß. Natürlich ging es auch nicht bedeutungslos an mir vorbei, wie die beiden ausgesehen hatten, doch sie waren erwachsen genug, ihren Kummer mit den Leuten zu teilen, denen sie sich gegenüber öffnen wollten. Nur weil wir gemeinsam das Böse bekämpften, bedeutete das nicht, dass wir uns alles anvertrauen mussten. Sie würden alles auf die Reihe kriegen, dessen war ich mir sicher.
Schmunzelnd folgte ich den Kindern, die es kaum erwarten konnten Jadis' Heimat kennenzulernen. Kindliche Neugier eben. Was mich betraf, fühlte ich mich bereit und nervös zugleich. Mit den Schatten der Vergangenheit konfrontiert zu werden, gehörte nicht unbedingt zu meinen Stärken. Ich kam nicht gut mit schlechten Erinnerungen klar. Sie quälten mich bis heute. Besonders Jadis' gebrochenes Herz, das sich damals in ihrem Gesicht gespiegelt hatte.
Seufzend zog ich meine Verlobte näher zu mir und hauchte einen Kuss auf ihre Schläfe. >Wir sind miteinander verbunden, amiya. Was auch kommt, wir sind beide stark genug, um damit umzugehen.<
Jenaya
Obwohl ich mich normalerweise mit mehr Herzlichkeit von anderen verabschiedete, brachte ich diese Wärme im Moment nicht auf. Ich musste zu meiner Familie, zurück nach Hause, wie Yun es treffend beschrieb. Als wir direkt im Schlossgarten landeten, nahm ich zunächst den vertrauten Duft nach diversen Blumen wahr. Unbewusst atmete ich ihn tief ein, schloss ihn ins Herz, um die darin verborgene Kälte zu vertreiben. Zuhause. Ja, wir waren endlich wieder in Ocamma. Mein Zuhause. Meine Familie. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, als ich zusammen mit meiner Truppe in den Kampf gezogen war. Ich war froh, dass das Reich immer noch unberührt und sicher stand. Man hatte uns nicht angegriffen. Noch nicht jedenfalls.
Als Kenai mir ein Himbeerplätzchen anbot, sah ich ihn an und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Er versuchte mich zu trösten und das bedeutete mir viel. >Nein, danke. Die sind alle für dich. Ich-<
>Jenaya!< hörte ich plötzlich jemanden rufen. Mein Herz setzte aus. Ich wirbelte zu der Person herum, die durch den offenen Torbogen in den Garten gerannt kam und spürte die Tränen, die ich bislang zurückgehalten hatte, über meine Wangen strömen. Schluchzend rannte ich meinem jüngeren Bruder Juvio entgegen, der mich in eine feste Umarmung zog. Ich presste mein Gesicht gegen seine Brust, schniefte, schlang die Arme ganz fest um seine Taille und stieß ein Wort nach dem anderen aus: Wie sehr ich mich freute ihn wiederzusehen. Wie lieb ich ihn hatte. Wie glücklich ich darüber war, dass er noch am Leben war.
Er strich mir beruhigend über den Kopf. >Ist schon gut, Schwesterherz. Wir haben uns zwar eine Weile lang nicht gesehen, aber du tust so, als wäre jemand gestorben.< Mein Schluchzen ebbte nicht ab. Ich klammerte mich einfach weiter an meinem Bruder fest, der mich die ganze Zeit über hielt und mir über den Kopf streichelte. Früher hätte er lachend meine Haare durcheinander gebracht. Daran erinnerte ich mich zumindest noch. >Jaris ist auch da. Er ist in Vaters Arbeitszimmer. Unsere Eltern sind ebenfalls dort. Willst du zu ihnen?<
Ich nickte schniefend und löste mich langsam von ihm. Mit den Handrücken wischte ich die feuchten Spuren von meinen Wangen fort. >Jetzt hast du wieder dieses verquollene Babygesicht.< zog mich Juvio grinsend auf. Seine grünblauen Augen funkelten frech, als er mir dann noch in die Wange kniff. >Na los, Heulsuse. Die anderen werden sich über deinen Überraschungsbesuch sehr freuen.<
Mein Blick wanderte zu Kenai und Yun. Natürlich kamen sie mit. Kenai sowieso, da er in den Augen meiner Familie immer noch mein Leibwächter war. Ich würde ihnen erklären müssen, dass diese Zeiten längst vorüber waren. Mir war es egal, was sie davon hielten, Kenai blieb mein Liebster, meine andere Hälfte und das würde bis in alle Ewigkeit so bleiben.