Ardan
Zunächst geschah nichts und ich fürchtete schon nicht akzeptiert worden zu sein, doch dann nahm ich diesen erfrischenden, wundervollen Wind wahr, zu dem sich rosafarbene Blüten mischten. Wo kamen die plötzlich her? Jadis griff nach meiner Hand und ihr Glück sprang sofort auf mich über. Ich merkte wie meine Lippen sich zu einem breiten Lächeln formten. Wärme durchflutete mich, die jedoch sehr schnell in etwas Negatives umschlug.
Die Spannung in der Luft veränderte sich schlagartig. Ich spürte den Druck mit jeder Faser meines Körpers. Das dämonische Blut, das in meinen Adern floss, reagierte auf die düsteren Schwingungen, die ganz klar von draußen kamen. Laute Stimmen waren zu hören. Warnungen. Befehle wurden gebellt. Jemand schlug Alarm. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Ich vermutete Übles. Wir mussten schnell zu unseren Kindern.
>Silia, Zen, rein mit euch in den Tempel. Unter keinen Umständen dürft ihr das Gebäude verlassen. Habt ihr mich verstanden?< Eindringlich sah ich beide Kinder an, als Jadis und ich nach draußen stürmten und sie hinein in den Tempel scheuchten. Sie nahmen sich an die Hand und nickten willig. Silia schien etwas zögerlich zu wirken, doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Ich schaute Jadis an, wohl wissend, dass sie mitkommen würde. Immerhin war das hier ihre Heimat, ihr Zuhause. Da blieb sie nicht tatenlos zurück. Worte waren daher unnötig.
Ich wirbelte herum und eilte erneut nach draußen, wo das Gewicht der Dunkelheit wie eine Lawine aus Felsen auf Aradon fiel. Die Härchen an meinen Armen richteten sich auf. Der Dämon in mir erwachte und zerrte an den Ketten, mit denen ich ihn unter Kontrolle behielt. Meine Vermutung traf direkt ins Schwarze. Diese Präsenz... diese starke Aura... Das war das Werk eines Hohedämons. Nicht eines lausigen Hohedämons wie der aus Larenvia, nein, dieser Hohedämon gehörte der Elite an. Ein Mitglied der Elite war tatsächlich nach Aradon gekommen und das traf mich dermaßen unvorbereitet, dass ich mir alles in Erinnerung rief, was ich über diese Dämonen wusste. Sollte der Feind auf die Zerstörung Aradons aus sein, würde ich das mit allen mir vorhandenen Mitteln verhindern. Ich würde nicht zulassen, dass Jadis' Zuhause von der Weltkarte gestrichen wurde. Eher starb ich.
Sämtliche Wachen hatten längst ihre Position bezogen und die Windreiter saßen kampfbereit auf ihren Flugtieren. So sehr ich auch an die Kraft jedes einzelnen glaubte, war ich nicht dumm genug anzunehmen, dass sie auch nur die geringste Chance gegen einen Elitedämon hatten. Für diesen Feind musste man mehr aufopfern als ein ganzes Heer.
Den dunklen Fleck am Himmel fixierend, pfiff ich meine Sense zu mir, die wenige Sekunden auf sich warten ließ. Wie ein Blitz kam sie angeschossen und landete mit einem kräftigen Summen in meiner ausgestreckten Hand. Ich atmete tief aus, als ich den Stab mit beiden Händen umfasste und in einen breiteren Stand wechselte.
Uney te foria mazi me.
Der Unterschied zwischen meiner halbdämonischen Gestalt, wenn ich mit Jadis intim wurde und der, wenn ich dabei war einen ernsthaften Kampf zu führen, war der, dass ich die Ketten sprengte, die den Dämon in mir endgültig befreiten. Mein Blut kochte von dem Feuer, das dadurch entfacht wurde und jede einzelne Drachenschuppe mit reinem Psion füllte. In dieser Gestalt war ich mehr Dämon als menschlicher Magier. Mein Drachenschwanz schlug schwer auf dem Boden auf, als die Verwandlung vorüber war und ich die Macht spürte, die wie flüssiges Gold in meinen Adern floss. Zugegeben, ich liebte dieses Gefühl. Es war wie ein zweischneidiges Schwert. Genoss man die Macht zu sehr, wurde man zu ihrem Sklaven, ließ man sich aber nicht darauf ein, brachte sie einem nichts. Man musste stets die Balance halten. Nach all den Jahren stellte das kein Problem mehr für mich dar. Ich genoss es einfach in gesunder Menge.
Der dunkle Fleck am Himmel näherte sich mehr und mehr der Stadt, bis sich der schwarze Nebel weit genug auflöste, dass wir alle die Gestalt dahinter in ihrer Gänze erfassen konnten. Ein dunkles Knurren verließ meine Lippen. >Verdammt, nicht sie.< fluchte ich.
Wie aufs Stichwort breitete Viella die schlanken Arme aus und stieß ein glockenhelles Lachen aus. Das lange, lavendelfarbene Haar, das ihr bis zu den Füßen reichte, umgab sie wie ein mysteriöser Schleier und bedeckte die wichtigsten Stellen ihres sonst völlig nackten Körpers. Ihr Körper war der Inbegriff von Schönheit, sie besaß keinen einzigen Makel. Man könnte meinen, sie hätte die Gene einer Sirene und eines Engels, doch da lag so viel unermessliche Dunkelheit in ihr, dass ich mich nicht davon hatte täuschen lassen, als ich sie das erste Mal traf. Und nun war sie hier. Eine größere Bedrohung hätte der Dunkle Lord wirklich nicht schicken können.
Den Kiefer vor Anspannung zusammengepresst verfolgte ich sie in ihrer schwebenden Sitzposition. Es sah aus, als würde sie auf einer unsichtbaren Wolke sitzen, während sie die Arme lässig vor der Brust verschränkte. Sie ließ es sich nicht nehmen, mit ihren offensichtlichen Reizen zu spielen. Durch und durch eine manipulative Dämonin. >Wie schön! Da tauche ich unangekündigt auf und schon versammeln sich alle auf dem Hof, um mich zu begrüßen. Das ist doch mal ein netter Empfang.< zwitscherte sie amüsiert. >Und wie ich sehe, ist die Windprinzessin höchstpersönlich anwesend. Ich habe viel über dich gehört, Schätzchen.<
Sie hob die Hand und wickelte sich lasziv eine Strähne um den Finger, als ihr Blick dann auf mich fiel. Ihre Lippen verzogen sich zu einem wohlwollenden Lächeln. >Ardan Thyell.< schnurrte sie. >Lange nicht gesehen, König von Ignulae. Das letzte Mal, als wir uns trafen, warst du noch als Ascheprinz bekannt. Die Jahre stehen dir gut. Sehr gut sogar.<
Ich kniff die Augen zusammen und drückte mich daraufhin vom Boden ab, damit ich ihr in einem genügend großen Sicherheitsabstand auf Augenhöhe begegnen konnte. Dass sie auf mich hinabblickte, passte mir nämlich nicht. So war es mir definitiv lieber. Lächelnd neigte sie den Kopf und wechselte ihre Sitzposition. Sie wollte mich reizen, aber das zog bei mir nicht. Da konnte die Frau die Wiedergeburt einer Gottheit sein, für mich gab es nur eine Frau und diese wollte ich mit allen Mitteln vor dieser Dämonin beschützen. Jadis war noch nicht bereit es mit ihr aufzunehmen, sie hatte nicht einmal das Training mit dem Windgott begonnen. Ich umfasste den Stab meiner Sense fester, was Viella nicht entging.
>Awww, machst du dir etwa Sorgen, ich könnte diese Stadt mit einem einfachen Fingerschnipsen auslöschen?< Ihre silbervioletten Augen funkelten erfreut. >Wie schmeichelhaft.< Sie schaute hinab auf die Leute, die zum Kampf bereit waren und kicherte hinter vorgehaltener Hand. >Naivität kann so unterhaltsam sein, nicht wahr, Ardan? Bestimmt war es ein Schock für dich, als du einsehen musstest, dass Zaneri all die Jahre deinen Tod geplant hat. Sehr raffiniert, das muss man ihr lassen. Umso lustiger fand ich es, als wir ihr dann sagen mussten, dass ihr Plan nicht geglückt war. Naivität liegt wohl in der Familie.<
>Sag, warum du hier bist und lass den Quatsch. Mein Privatleben geht dich nichts an.< sagte ich trocken. Ich hoffte inständig, dass niemand versuchte einen Angriff aus dem Hinterhalt zu starten, denn wenn das geschah, würde Viella diese Stadt dem Erdboden gleichmachen. Selbst wenn ich es mit ihr aufnahm, könnte ich nicht für die Erhaltung der Stadt garantieren. Ein Kampf zwischen uns beiden hätte unvorstellbare Ausmaße. Sie alle mussten sich in Sicherheit bringen. Das war der einzig richtige Weg.
Viella senkte den Blick und musterte mich interessiert. >Wie ich sehe, ist dein Fluch intakt. Wir konnten uns nicht erklären, wie du es geschafft hast ihn zu umgehen, aber mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr besondere Hilfe hattet. Darum werden wir uns auch noch kümmern, aber hier und jetzt...< Sie hob die Hand, eine zunächst normale Bewegung, doch ich wusste es besser. Hastig flog ich zur Seite und fing den schwarzen Blitz auf, der von meiner Sense verschluckt wurde. Dieser Angriff hatte Jadis gegolten. Das hatte ich im Bruchteil einer Sekunde in ihren Augen erkannt.
>Entschuldige, ich scheine aus der Übung gekommen zu sein... Ich war nur neugierig.< säuselte sie und setzte wieder dieses entzückte Lächeln auf, das mir mächtig auf die Nerven ging. Was für ein Spiel spielte sie? Die Spannung war kaum zu ertragen. >Wirklich interessant, wie nun ihr Leben über deines bestimmt.<
Mir gefror das Blut in den Adern. Wie hatte sie...?
>Also wirklich, Ardan Thyell. Für wie beschränkt hältst du mich denn? Gerade ich kenne mich mit Flüchen am besten aus und was zwischen euch beiden ist, könnte nicht klarer für meine erfahrenen Augen sein.< Sie seufzte theatralisch. >Was für ein rührender Zustand. Zwei Körper, aber nur ein Herz, das schlägt.<
Ich erwiderte darauf nichts. Was sollte ich schon sagen? Sie wusste Bescheid und das war bereits schlimm genug. Ihr bereitete das großen Spaß, mir allerdings nicht. Ich warf Jadis einen vielversprechenden Blick zu. Wir waren Partner. Wir zählten aufeinander. Darum wollte ich sie in diesem Moment nicht hier haben. Nicht, wenn die Gefahr bestand, dass Viella sie in die Finger bekam. Denn dann wären wir beide tot.
Viella