Jadis
Ich spürte die Wärme der Kette, sie schenkte mir ein wenig Energie, die ich benötigte. Ich schaffte mich aufzustützen ohne das Gefühl zu haben am Boden festgeklebt zu sein. Aber meine Beine fühlten sich noch schwer an und taumelte durch den Garten. Hoffentlich sah Niemand mich so. Ich hatte in letzter Zeit oft Schwächen gezeigt. "Jadis?", es war eine vertraute Stimme. Leise seufzte ich, meine Hoffnung war also hinüber und ausgerechnet war es Gilbert. "Nicht mehr Prinzessin Jadis?", ich konnte mir diese Spitze nicht verkneifen. Er überging meiner Bemerkung und fasste nach meinem Arm: "Du siehst blass aus." Es war verwirrend, vorhin war er noch so distanziert gewesen und jetzt fühlte sich an, als wären wir wieder Freunde. Aber das waren wir nicht mehr. "Ich kann alleine gehen", behauptete ich. "Jetzt sei nicht so stolz, ich trage dich in dein Zimmer. Du siehst aus, als würdest du umkippen", Gilbert hob mich einfach auf die Arme. Ich war perplex, um reagieren zu können. "Wenn du mich nicht loslässt, erlaube ich Ardan dich wie ein Hähnchen zu grillen!", drohte ich, seine Nähe war mir unangenehm. "Sei nicht kindisch. Ich habe keine Angst vor ihm, da gibt es weitaus üblere Gegnern", antwortete er trocken. Wieder war ich irritiert, er wirkte irgendwie anders. "Du kannst mich jetzt runterlassen", sagte ich, als wir den Flur meines Gemaches erreichten. Erst vor der Tür ließ mich Gilbert runter. "Danke", presste ich hervor und griff nach der Klinke. Er sagte nichts mehr, sondern ging einfach. Was sollte das werden? Ich lehnte mein Kopf gegen die Tür an und mit einem tiefen Seufzer ging ich schließlich rein.
Kenai
So hatte ich es nicht gesehen, dass wir unsere Liebe feiern. Für mich waren Feste bloß Feste gewesen und ich war mit den Gedanken beschäftigt gewesen, sie endlich zu heiraten. Unsere Liebe zu feiern klang gut. Zufrieden lächelte ich, dieses Fest würde ich mögen. Und verstehen. "Ich bin kein Prinz. Ich bin ein Zirkusjunge", sagte ich: "Und du bist die Prinzessin." Ich dachte an die Maske, Juvio hatte gesagt, ich durfte vom ihm eine Maske ausleihen. Ich musste morgen daran denken, bevor das Fest anfing. Und ich wusste nicht, dass man auch bestimmte Kleidung tragen musste. Ich hatte nur die, die ich sonst immer trug. Aber vielleicht hatte Juvio da auch was für mich. Ich schloss meine Augen, als mein Körper sich entspannte. Keine Bilder kamen, die mich unruhig machten. "Unsere Liebe feiern", murmelte ich. Dann war ich wieder eingeschlafen.
„Onkel Seppel, warum tun Menschen Andere weh?“, fragte ich ihn und kletterte auf seinem Schoß. Er hielt mich fest, damit ich nicht runterfiel: „Nun, mein Junge. Da kann ich nur dir meine Sichtweise sagen. Ich denke, Viele tun das einfach aus Angst. Die Angst lässt Einem verrückte Dinge machen und manchmal fürchten sich die Menschen vor Dinge, die sie nicht verstehen. Aber Einige tun auch Andere weh, um die Menschen, die sie lieben zu beschützen und um auch sich selbst zu beschützen. Das nennt man verteidigen. Aber nur, wenn wirklich die geliebte Menschen oder das eigene Leben in großer Gefahr ist, sodass man sich mit Gewalt wehren kann, weil Worte nicht mehr helfen. Dann gibt es Menschen, die einfach böse sind und gerne Andere wehtun. Vor ihnen muss du dich fernhalten, Kenai. Ihre Boshaftigkeit ist wie Gift.“ „Ich mag Gewalt nicht. Ich will andere nicht wehtun“, sagte ich: „Und ich will nicht böse sein.“ Onkel Seppel lachte: „Kenai, du bist überhaupt nicht böse. Du bist reiner als der klarste Fluss.“
„Warum bist du manchmal gemein zu mir? Wir sind doch Freunde“, fragte ich Veit verletzt und wischte den Dreck von meine Hosenknien. Er hatte mich plötzlich geschubst. Veit schaute weg und sagte leise: „Weil meine Mutter dich viel lieber hat. Sie sagt oft, warum ich nicht wie du sein kann und das macht mich manchmal wütend auf dich.“ „Ich glaube nicht, dass sie mich viel lieber hat. Ich glaube, sie macht sich Sorgen um dich, weil du nicht glücklich bist und wir anderen Kinder schon. Du lachst nicht und das macht sie bestimmt traurig, weil sie dich liebt“, meinte ich. „Ich darf nicht glücklich sein“, nuschelte Veit und ich sah die Schatten in seinem Herz. „Das verstehe ich nicht“, verwirrt sah ich ihn an. „Weil….weil ich meine Mutter nicht vor ihn beschützen konnte. Wäre dein Vater nicht gekommen, dann hätte mein Vater meiner Mutter etwas Schlimmes angetan!“, rief er zornig und seine Lippen zitterten. Aber er weinte nicht, das tat er nie. Das war also seine Geschichte. Papa sagte mir oft, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte besaß. „Ich denke, du liegst da falsch. Du hast deine Mutter beschützt, du hast auf ihr Herz aufgepasst. Ich habe sie zu meiner Mama sagen gehört, dass du der Lichtblick in ihrem Leben bist. Durch dich war sie mutig gewesen mit dir zu uns zu kommen, damit du und sie glücklich werden könnt“, erklärte ich ihn: „Veit, du darfst bei uns lachen.“
„Kenai, darf ich mitspielen?“, fragte mich Winona und ich entdeckte die Zahnlücke in den oberen Vorderzähnen. Ich wollte sie gerade nach der Zahnfee fragen, als Veit sagte: „Nein, darfst du nicht. Du bist ein Mädchen und nur Jungen spielen Fußball.“ Er hielt den Lederball, den Onkel Seppel für uns gebastelt hatte, fest. Die anderen drei Jungen nickten: „Genau.“ Winonas Augen wurden feucht und ich sah wie Schatten sich in ihrem Herz sammelten. „Onkel Seppel hatte gesagt, der Ball ist für uns alle Kinder. Er hat nicht gesagt, dass er nur für die Jungen ist und ich glaube, Winona kann gut Fußball spielen. Wenn ihr sie nicht mitspielen lässt, dann habe ich auch keine Lust mehr mit euch Fußball zu spielen“, stellte ich mich auf ihre Seite. Papa hatte gesagt, dass wir alle auf sie aufpassen müssen, weil wir jetzt ihre Familie waren. Also war sie meine kleine Schwester. „Na gut. Dann kann sie mitspielen“, verdrehte Veit die Augen. „Danke Kenai“, sie umarmte mich.
„Was ist passiert, Chyio?“, fragte ich sie, als ich sie weinend bei den Pferde fand. Hastig wischte sie ihre Augen trocken: „Nichts. Es ist alles gut, Kenai.“ Ich starrte auf ihrem Brustkorb: „Du lügst. Du hast Schatten in deinem Herzen, du hast Kummer.“ „Lass mich in Ruhe. Du verstehst davon nichts, du bist noch ein Kind“, antwortete sie. Ich runzelte mit der Stirn: „Du bist auch ein Kind, oder nicht?“ „Mit 14 fängt man langsam an erwachsen zu werden“, seufzte Chiyo schwer und ihre Augen waren gerötet. „Du muss mir nicht sagen, was dich bedrückt. Aber ich lasse dich jetzt nicht alleine. Du brauchst eine Umarmung, Mama sagt ich habe Zauberumarmung und Jeder fühlt sich nach meiner Umarmung wieder besser“, entschied ich mich und schlang meine dünne Arme um ihr Körper. Ich hörte sie schniefen und dann murmelte sie: „Danke.“ Ich spürte, wie die Schatten ein wenig aus ihrem Herz verschwanden.
„He, ich kenne dich. Du bist doch dieser Schattenjunge aus dem Zirkus“, eine kleine Gruppe von größeren Jungen kamen auf mich zu. Unruhig schaute ich zum Bäckerladen, warum brauchte Zeno so lange? „Was hast du da in der Hand?“, fragte mich der Junge. Ich hielt mein Kreisel fester in die Hand. Das Spielzeug hatte Papa gebaut und ich nahm es überall mit. „Lass mich in Ruhe“, murmelte ich. „Ich habe gehört ihr Zirkusleute seid Betrüger und Diebe. Bestimmt hast du das Spielzeug geklaut!“, sagte der Junge. „Gar nicht wahr!“, rief ich. „Du bist ein Dieb und du bist ein Monster. Wer Schatten erschafft, ist kein normaler Magier! Das können nur dunkle Kreaturen“, er riss mir den Kreisel fort. „Lass mein Bruder sofort in Ruhe, verstanden?“, knurrte plötzlich eine Stimme neben mir und erleichtert stellte ich fest, dass es Zeno war. Er stellte sich beschützend vor mir, wie Akela es auch immer tat. „Da ist ja noch ein Zirkusclown“, lachte der gemeine Junge. Zeno stürzte sich auf ihn und erschrocken schloss ich meine Augen. „Kenai, es ist vorbei. Sie sind weg. Alles ist gut“, hörte ich später meinen Bruder sagen und er löste meine Hände von meine Ohren. Langsam öffnete ich die Augen. Seine Nase blutete und er hatte ein blaues Auge. Aber er grinste: „Hier, dein Kreisel.“