Ruh dich gut aus, Nachti
Ardan
Sie wandte nicht einmal den Blick von mir ab, während sie sprach. Nicht mal für eine einzige Sekunde. Viele Leute vor ihr hatten das nicht geschafft, zu groß war ihre Furcht vor mir und meinen Launen. Doch hier war sie. Jadis. Furchtlos und diplomatisch, wie ich sie mir nie vorgestellt hätte. Sie war tatsächlich zu einer beeindruckenden Frau herangewachsen. Wunderschön noch dazu. Das musste ich leider gestehen.
Aufmerksam hörte ich ihr zu. Was sie sagte, unterschied sich nicht von all den fehlgeschlagenen Versuchen vor ihr. Sie alle glaubten, sie könnten mich mit der bloßen Behauptung, der Krieg würde irgendwann auch mein Volk befallen, ködern. Ein schwacher Versuch. Ich hatte mir insgeheim mehr erhofft, eine Abwechslung.
Raja blickte über seine Schulter zu mir. Ein fragender Ausdruck in seinem Gesicht. Ich seufzte enttäuscht und er verstand sofort. So gern ich Jadis noch länger anschauen, mir ihr neues Erscheinungsbild für immer einprägen wollte, würde ich ihr garantiert keine Sonderbehandlung zukommen lassen. Gefühle hin oder her. Als König hatte ich eine Pflicht gegenüber meinem Volk. Dieses kam an oberster Stelle.
Bevor Raja jedoch ihnen eine Abfuhr erteilen konnte, wurden die schweren Seitentüren geöffnet und eine unerwünschte Person trat ein. Meine Halbschwester. Dieses Biest.
> Es verletzt mich, dass mich niemand über unseren neuesten Besuch informiert hat. Das ist nicht nett, Bruderherz.< säuselte Zaneri. Nicht einmal ihre Stimme ertrug ich.
> Für dich immer noch Mahajal, Zaneri!< zischte ich genervt. Wie so oft wagte sie es, Grenzen zu überschreiten. Angesichts dessen, dass sie gerade mitten in eine Verhandlung hereinplatzte, schien sie nicht im geringsten zu kümmern.
Sie kam die Stufen hinauf, als hätte ich ihr die Erlaubnis dazu erteilt und wandte sich unseren Gästen zu. > Ich kann kaum glauben, wen ich da sehe. Prinzessin Jadis!<
> Zaneri...< warnte ich dunkel. > Spiel nicht mit meiner Geduld.<
Sie winkte unbekümmert ab. >Sei nicht so dramatisch,
Mahajal. Deinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hättest du sie sowieso wieder weggeschickt, nicht wahr?<
Ich presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Das Feuer in meinen Adern verwandelte sich in Glut. Diese Schlange! Sie war wirklich lebensmüde. Ich würde sie noch umbringen. Irgendwann. Das schwor ich mir.
>Deswegen musste ich schnell herkommen, denn ich finde, dass du den Herondales eine Chance geben solltest. Es ist doch zu schade, wie die Sache damals ausgegangen ist, findest du nicht? Dann wäre es doch angebracht, ihr ein wenig entgegenzukommen.< Letzteres sagte sie mit einer Art Lächeln, welches das einer hinterlistigen Schlange ähnelte. Was führte sie im Schilde? Warum mischte sie sich jetzt auf einmal ein? Und warum musste sie die Vergangenheit erwähnen, wenn wir beide im selben Raum waren?
Zaneri wollte scheinbar ganz dringend sterben. Am besten gleich.
>Da sie dich nicht mit Worten überzeugen konnte, wie wäre es mit Taten?< fuhr meine Halbschwester weiterhin diebisch lächelnd fort. Sie schaute kurz zu den dreien, dann wieder zurück zu mir. Eine flüchtige Berührung und ich wusste, was sie meinte. Was Zaneri mir gerade gezeigt hatte.
Eigentlich wollte ich mich nicht auf ihr Niveau begeben, doch die Aussicht auf einen echten Kampf trieb mir ein schiefes Lächeln ins Gesicht. Herausforderung glänzte in meinen Augen, als ich wieder Jadis ansah.
>So ungern ich das auch zugebe, aber Zaneri hat recht. Diese Rede hat mich null überzeugt. Ich bin mir sehr wohl im Klaren, welche Folgen der Krieg mit sich bringt, aber ist Euch schon mal in den Sinn gekommen, dass ich es vielleicht in Erwägung gezogen habe, mich dem Dunklen Lord anzuschließen? Ignulae ist von keinem anderen Königreich abhängig, ich könnte mich genauso gut der dunklen Seite anschließen. Das macht für mich keinen Unterschied.<
Ich stand zu meiner vollen Größe auf, das schiefe Lächeln verflog nicht. > Aber... Ich wäre gewillt, Euch eine Chance zu geben. Wenn Euch so viel daran liegt, mich auf die gute Seite zu ziehen, will ich prüfen, ob es das wert ist.<
Mein Blick fiel nun auf Gilbert. Das Blondchen des Trios. >Gewinne in einem Duell gegen mich, dann sitzt die Trimagische Allianz in eurem Boot. Und damit es fair ist, benutzen wir keine Magie, sondern einfache Schwerter.<
Jenaya
Ich könnte eine Ewigkeit damit verbringen, Kenai in die bernsteinfarbenen Augen zu blicken. Sie waren fesselnd gar hypnotisierend. Es fiel mir schwer, mich nicht darin zu verlieren und mich dabei zu fragen, wofür all die Splitter standen. Ob sie fester Bestandteil seines Seins waren. Dennoch machten sie ihn zu etwas Besonderem. Mein besonderer Kenai.
>Hm, dann bringe ich dir einige Schritte bei, um eine mögliche Blamage zu vermeiden.< entschied ich und riss gleichzeitig die Augen auf, als er sich plötzlich vorbeugte und an meinem Hals zu schnuppern begann. Das passierte zwar nicht zum ersten Mal, aber er tat es immer dann, wenn ich am wenigsten damit rechnete. Dieser Mann trieb mich in den Wahnsinn!
Röte kroch augenblicklich in meine Wangen. Ich senkte verlegen den Blick und fragte mich zum wiederholten Male, ob er es tat, weil ich mittlerweile etwas Vertrautes in ihm weckte. Möglich war es, oder nicht? So wie ich seinen Geruch liebte, müsste er meinen auch mögen, oder? Mein Herz machte einen holprigen Satz. Es war hoffnungslos verloren.
Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr und räusperte mich. > Nun denn, ich werde dir jetzt ein paar Schritte zeigen, die einfach zu merken sind. Sie gehören zu meinem Lieblingsmusikstück, das jedes Mal gegen Ende gespielt wird.< Ich lächelte ihn wieder an. > Bereit?<