Ardan
Da ich keine Lust hatte mich mit jedem einzelnen Monster zu befassen, führte ich weitere großflächige Attacken aus, durch die die gegnerischen Massen deutlich reduziert wurden. Natürlich musste ich dafür sehr viel von meiner Energie nutzen, doch es war mir die Mühe wert. Meine Leute kämpften unerbittlich weiter. Sie kämpften für Ignulae, für die Trimagische Allianz, aber auch für den Weltfrieden. Aber ihre Ausdauer währte nicht ewig. Ich sah, dass Männer fielen. Starke Frauen. Bei dem Ansturm an Monstern sollte man nicht davon ausgehen, dass jeder überlebte und dennoch versetzte es mir einen Stich, sie fallen zu sehen. Ich wollte sie vor einem Schicksal wie diesem bewahren. Sie zurück zu ihren Familien bringen, weil sie dort hingehörten. Doch der Krieg forderte Opfer. So war der Lauf der Dinge.
Schwerer atmend sprang ich erneut in die Höhe, als mehrere Carrion gleichzeitig auf mich stürzen wollten, fing die Sense im Flug auf und schwang sie einmal um meine eigene Achse. Mehr Blut. Mehr Tod. Allmählich geriet ich in diesen wilden Rausch, der mein Inneres zum Kochen brachte. Die dämonische Seite in mir zerrte an den Ketten. Sie wollte an die Oberfläche treten. Sie wollte freigelassen werden. Ich konnte ein dunkles Knurren kaum verbergen. Ja, ich fühlte mich mehr wie ein Mensch als ein Dämon, aber dieser Ort, der Kampf, das viele Blut... Es war wie ein Ruf der Verlockung. Süß und lieblich. Ich wollte dem Drang am liebsten nachgeben, wusste allerdings, dass mich dann der Fluch sofort packen und zu einem schmerzenden Bündel zusammenschlagen würde. Das durfte ich nicht zulassen. Ich musste konzentriert und in meiner menschlichen Gestalt bleiben. Fehltritte waren nicht erlaubt. Das forderte ich sogar von meinen eigenen Leuten.
Cains Kiefer schnappte neben mir zu, als weitere Monster mich anzugreifen versuchten. Seine Zähne bohrten sich in das ekelhafte Fleisch, doch das störte meinen Gefährten nicht im geringsten. Er biss sich durch. Er brannte jeden Gegner nieder. Ich tat es ihm gleich. Immerblitze. Immerfeuer. Feuerwirbelstürme... Ich wandte all meine grundlegenden Techniken an und badete mich in der dunkelgrauen Asche meiner Feinde. Erinnerungen an damals, an eine Zeit, in der ich der Ascheprinz war, blitzten vor meinem inneren Auge auf. Viel hatte sich seitdem verändert, aber nicht dieses Ich. Das Ich, das gnadenlos tötete und es genoss, wenn das Blut des Feindes an ihm klebte. Es war ein berauschendes Gefühl so stark zu sein. So viel Macht zu besitzen. Nur vergaß ich, dass mein Leben nicht mehr meines allein war. Es gehörte einer anderen Person. Jadis. Ein scharfes Brennen machte sich in meiner Brust bemerkbar, sodass ich mir zischend ins Oberteil fasste. >Jadis...< presste ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Sie war schwer verwundet. Anders ließ sich dieses Gefühl nicht erklären. Aus einem Instinkt heraus wollte ich sofort zu ihr, doch der nächste Angriff traf mich unvorbereitet. Geballte schwarze Magie schleuderte mich quer über einen Berg aus Leichen, bis ich keuchend und halb auf Knien in einem Sumpf aus Blut landete. Tiefe Wut erfasste mich. Wer auch immer das gewagt hatte, würde es bitter bereuen. Mehr Schwärze schoss auf mich zu und gab mir keine Chance nach dem wahren Feind Ausschau zu halten, weil ich direkt in die Abwehr wechseln musste. Mit der Sense schleuderte ich das Psion von mir fort, denn ich wusste, dass ich fremdes Psion auf keinen Fall in meinen Körper aufnehmen durfte. Das würde sonst den Fluch verstärken, der mir jetzt schon starke Probleme bereitete. Der erste Treffer hatte nämlich seine Wirkung nicht verfehlt.
Zähneknirschend erhob ich mich aus dem Dreck und entdeckte weiter hinten eine Gruppe aus Schwarzmagiern, die auf riesigen Kreaturen saßen. Ihre Augen glühten blutrot im aufgewirbelten Sand und ihre meterlangen Schwänze peitschten wild in der Luft. Solche Wesen existierten tief in den Gebieten hinter dem Totengebirge. Ich war bislang keinem von ihnen begegnet, aber das würde sich wohl jetzt ändern. Mochten sich die Schwarzmagier auf diesen Bestien verstecken, ich würde sie alle im Handumdrehen vernichten. Koste es, was es wolle.
Mit einem fest entschlossenen Ausdruck im Gesicht stürzte ich voran und direkt auf die Gruppe zu. Diese Bestien waren nicht zu unterschätzen, aber ich war ihnen dennoch weitaus überlegen. Fluch hin oder her. Natürlich vergaß ich nicht, dass Jadis schwer verwundet war, aber ich vertraute darauf, dass zumindest Silia ihr zur Hilfe eilte. Ich konnte mich leider nicht aufteilen, sonst hätte ich das längst getan. Der Drang, alles und jeden zu beschützen, trieb mich noch in den Wahnsinn. Ich musste verdammt nochmal fokussiert bleiben. Während ich meine Waffe tödlich einsetzte, spürte ich den sich aufbauenden Druck in meinem Arm, der sich bis in meine Brust ausbreitete. Es war derselbe Druck, den ich damals nach Viellas Angriff empfunden hatte. Diese Erkenntnis frustrierte mich. Nach all der Meditation hätte ich endlich eine Lösung finden sollen und doch befand ich mich in dieser verfluchten Lage. Der Dämon in mir wurde lauter, stärker, drückte sich gegen sein Gefängnis und wehrte sich vehement gegen meine Selbstbeherrschung. Ob es an den schwarzen Auren der Bestien lag? Sie wirkten so viel dämonischer als die Schwarzmagier selbst, die es sich nicht nehmen ließen, lauter Psion in meine Richtung zu schießen. Sie wollten mich provozieren. Sie wollten mich schwächen. Sie wollten, dass ich die Beherrschung verlor. Ich war nicht dumm. Ich erkannte ihre Absichten. Aber ich würde ihnen den Gefallen bestimmt nicht tun.
Stattdessen kämpfte ich verbissen weiter und schaffte es zwei der Magier sowie eine der Bestien zu erledigen. Fehlten weitere elf Feinde. Ich allein kümmerte mich um sie, denn Thales musste an anderer Front für Schutz sorgen und ich wollte auf keinen Fall zulassen, dass diese Bestien unsere strengen Formationen auflösten. Wir mussten uns an unsere Strategien halten. Leider vergaß ich, dass wir nicht die einzigen mit einer Strategie waren. Ich erkannte zu spät, was die Schwarzmagier wirklich geplant hatten, denn als ich wutschnaubend in ihre Gruppe hinabsauste, riefen sie zurselben Zeit ein magisches Wort. Daraufhin erschien ein gewaltiger, magischer Zirkel direkt unter meinen Füßen, der eine schnelle Flucht unmöglich machte. Ich versuchte es zwar, kam allerdings nicht weit, da plötzlich Unmengen an schwarzvioletten Blitzen nach mir jagten und ich mich gezwungen sah, sie alle gleichzeitig entgegenzunehmen. Mit meiner Sense. Ein fataler Fehler.
Die Bestien
Silia
Irgendwie fühlte sich das alles hier wie Gartenarbeit an. Um die schönen Blumen zu beschützen, musste ich all das Unkraut loswerden und das ohne die Blumen zu verletzen. Bis jetzt klappte das hervorragend. Ich hatte alles unter Kontrolle. An anderer Front sah es hingegen anders aus. Meine Ohren zuckten wie wild in die verschiedensten Richtungen, denn von überall her vernahm ich besorgniserregende Geräusche wahr. Dieses Mal hatte der Dunkle Lord sehr viel mehr seiner Leute zu uns geschickt. Leute mit diversen besonderen Kräften. Aus dem Himmel vernahm ich beispielsweise Schwingungen, die mir wenig bekannt vorkamen und weiter vorne entdeckte ich Kreaturen, die längst vergessen sein sollten. Viel zu viel Zeit war vergangen und dennoch suchten diese Bestien diese friedliche Welt heim, um sie in tiefe Finsternis zu stürzen. Das machte mich ziemlich sauer.
Erst recht, als ich hörte und sah, wie meine Mama von einem heftigen Blitz getroffen wurde und in die Tiefe hinabstürzte. Ich wollte sofort zu ihr eilen, doch als mein Blick auf all die Menschen unter mir fiel, wusste ich, dass ich sie nicht einfach im Stich lassen durfte. Auch nicht Jenaya, die zwar ihre Energie wiedergefunden hatte, jedoch trotzdem an einigen Stellen ins Stolpern geriet. Überall herrschte gewaltiges Chaos. Es fielen mehr Männer und mehr Frauen als zuvor, denn es waren nicht nur die Kreaturen, die ihnen zum Verhängnis wurden. Es war ihr eigener Körper selbst, der nach und nach den Geist aufgab, weil der Wille ihre Hülle überstieg. Sie benötigten Hilfe. Sie benötigten mehr Kraft. Darunter meine Mutter, der ich unbedingt zur Seite stehen wollte.
Tief durchatmend legte ich den Kopf in den Nacken und brachte noch mehr Abstand zum Geschehen am Boden. Es wurde kälter, die Luft schmeckte aufgeladen und metallisch. Auch der Geruch von Blut hing weiterhin schwer in der Luft. Mit leuchtenden Augen erfasste ich das gesamte Krisengebiet, breitete die Arme aus und öffnete den Mund.
Als Regentropfen vom Himmel fielen
Am Tag, an dem du mich verließt, weinte ein Engel
Oh, sie weinte, ein Engel weinte
Sie weinte
Der Wind trug meine gesungenen Worte in den Himmel. Warmes Licht umgab mich, während in meinem Herzen verborgene Gefühle wiederauferweckt wurden. Tiefer Kummer erfüllte das pochende Organ, doch das war ein Preis, den ich zu zahlen bereit war, um den Menschen neue Kraft zu schenken. Die Reinheit des Liedes, das Lied der Himmelstränen, brachte den Himmel zum Weinen. Goldene Funken in Gestalt von Tränen regneten in Massen herab. Jeder, der davon berührt wurde, empfing den Segen der Sonne und wurde mit neuer, frischer Energie aufgeladen. Dunkle Kreaturen hingegen würden diesen Regen meiden wie die Pest, denn die Himmelstränen verbrannten unreine Herzen. Das Lied kam jäh zum Ende, als ich das letzte Wort glockenhell sang und die schwere Wolkendecke von grellen Sonnenstrahlen durchbrochen wurde.
>Nicht aufgeben, kämpft weiter.< flüsterte ich in der Hoffnung, dass dieser blutige Kampf schon bald endete.
https://www.youtube.com/watch?v=-ZoJSLB2N18