Jadis
Als mich das Gefühl beschlich keine Luft mehr zu bekommen, verließ ich das Gemach. Ich musste nach draußen und meine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Das war eine Nebenwirkung des Zaubertrankes, die manchmal in Stresssituation auftauchte und bis jetzt hatte frische Luft mir oft helfen können. Aber hier gab es keine frische Luft, ich atmete nur Hitze ein und wieder aus. In den Gang entdeckte ich einen Diener: "Können sie mich bitte zum Tor führen? Ich möchte gerne bei meinem Schiff vorbeischauen." "Es tut mir leid", verneigte er sich: "Das Tor ist jetzt geschlossen." Da ich nicht Ardan um einem Erlaubnis bitten wollte das Schloss jetzt zu verlassen, fragte ich ihn stattdessen: "Gibt es ansonsten auf dem Gelände ein Garten?" "Ja, ich führe Euch dorthin", er schien erleichtert zu sein und ging voraus. Überall standen Wachen und ich spürte ihre bohrende Blicke in meinem Rücken. Wenn es nicht die eigene Wachen waren, war es ein unangenehmes Gefühl. Als sei man ein Feind. Aber vielleicht war ich für dieses Reich ein Feind. Ich konnte Ardan nicht einschätzen und ich wusste nicht was seine Schwester vorhatte. Wir kamen zu diesem Kampffeld und ich sah, dass das Blut immer noch dort war. Es wurde keine Mühe gemacht die Steine sauber zu machen. Wollte er die Spuren seiner Kämpfe sehen? War das ein Art Trophäe? Das wäre makaber. Hinter dem Feld befand sich der Garten. "Danke", wandte ich mich an den Diener, er verneigte sich erneuert und verschwand eilig. Ich fand eine Steinbank, die sich zwischen den Grün versteckte. Das hier überhaupt bei der Hitze was Grünes wachsen konnte, war bemerkenswert. Die Natur war unglaublich stark und widerstandsfähig. Irgendwo wehte Stimmen zu mir hinüber, es schien auf der andere Seite des Gartens zu kommen. Es reizte mich nicht herauszufinden zu wem die Stimmen gehörten. Ich wollte alleine sein. Leise seufzte ich und rieb über meine Stirn, hinter der der Schmerz pochte. Wie hätte es alles scheitern können? Er hätte mich nicht aus der Ruhe bringen dürfen. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich alles unter Kontrolle hatte. Dass ich stark genug war und ihn hinter mir gelassen hatte. Ich musste an den Jungen denken, wie Ardan sich um ihn gekümmert hatte. Diese weiche Seite verwirrte mich, erinnerte mich zu sehr an den Ardan von damals bevor er mein Herz in tausende Stücke gebrochen hatte. Betrug er den armen Jungen auch? Sollte ich herausfinden, dass der Junge ausgenutzt wurde, dann würde ich ihn retten. Es war schrecklich, dass viele Kinder unter den Krieg leiden mussten und in dieser düstere Zeit wurden auch die besondere Kräfte einiger Kinder ausgenutzt für Machtzwecke. Das war eine widerliche Wahrheit. Ich strich eine Haarsträhne hinter dem Ohr und schaute zum Himmel. Die tiefe Sehnsucht nach dem Himmel überrollte mich, heute kam er mir so weit entfernt vor. Ich wollte den Wind spüren. Ich konnte seinen Ruf nach mir hören. Jeden Tag wurde er drängender. Meine Augen schlossen sich und ich stellte mir vor, wie ich Flügeln ausbreitete.
In meinem Körper wohnte die Seele einer Harpyien, meine Mutter hatte mir diesen Erben weitergegeben. Aber nicht Jade, er war menschlich wie unseren Vater. Aber unsere Mutter glaubte, dass dennoch in ihm auch das Blut der Harpyien floß. Denn war seine Luftmagie stärker, als die von den anderen Luftbändiger. So wurden die Menschen genannt, die Luftmagie beherrschen konnten. Magier war ein Oberbegriff, es waren Menschen die in einem Form Magie beherrschen können und eine magische Quelle in ihrem Körper besaßen. Es gab nämlich auch nichtmagische Menschen. Da die Magie die unterschiedlichsten Formen besaßen, existierte viele Bezeichnungen für jeweilige Magiearten. Es gab auch Arten, die noch keinen Namen besaßen, weil sie noch zu unerforscht waren. Ich war kein Magier, ich war ein geflügeltes Mischwesen mit einer magische Quelle. Vor viele Jahren mussten die Harpyien sich nicht verbergen, sie waren frei gewesen und der Himmel war ihre Welt gewesen. Sie waren die Töchter und Söhne der Winde. Doch mit der Zeit begannen die Menschen sich vor ihnen zu fürchten, sie glaubten alle Harpyien seien die Gesandten von den Dämonen, als Einige von ihnen auf dem falschen Weg gerieten. Und so begann die grausame Jagd nach den Harpyien und immer mehr düsterte Geschichten wurden über ihnen erzählt. Meine Mutter war eine Gejagte gewesen und eines Tages fand mein Vater, damals noch ein Prinz, sie schwerverletzt. Er verliebte sich sofort in sie und nahm meine Mutter bei sich auf. Er bot ihr Schutz und ein Versteck an. Aradon wurde ihre neue Heimat und da viele Menschen Luftbändiger waren, kam Niemand hinter ihrem Geheimnis. Jetzt trug auch ich dieses Geheimnis, bis auf meine Familie wusste Niemand davon. Nicht mal Gilbert. Zu groß war die Angst meiner Mutter, dass die Sturmjäger uns finden konnten. Ich berührte die Kette. Wie viele gab es noch von meiner Art? Diese Frage hatte ich mir in letzter Zeit oft gestellt und ich hatte das Gefühl, dass meine Eltern diese Antwort kannten. Aber sie wollten es mir nicht verraten. Ich fragte mich auch, ob die Sturmjäger noch existierten. Komm zu mir. Mein Kopf schoss ruckartig hoch, aber niemand war hier. Ich spürte einen kleinen eisigen Hauch an meiner Wange, bevor es verschwand. Mein Herz klopfte schneller. Der Nordwind hatte zu mir gesprochen.
Kenai
Jetzt war die weiße Farbe in den faltigen Gesicht verschwunden, stattdessen wurde es rot. Ich kannte ihn nicht und ich merkte mir die Gesichter, denen ich begegnete. Er schien meinen Namen zu kennen, aber den konnte er gehört haben. Mein Name war kein Geheimnis. Mein Gesicht blieb regungslos. "Erkennst du mich nicht? Ich bin es, Sebastien. Ich war für dich und deine Geschwister wie ein Onkel gewesen. Du nanntest mich damals Seppel, weil du als Windelpupser nicht meinen Namen aussprechen konntest", er redete schnell. Die andere Menschen bemerkten nicht, dass der alte Mann einen Heiler brauchte. Sein Geist schien in einem verwirrten Zustand zu sein. Ich hatte was über die Geisteskrankheiten gehört. "Du erinnerst dich nicht an mich", stellte dieser Sebastien fest: "Erinnerst du dich an irgendwas von deiner Vergangenheit? An deiner Familie? An den Zirkus?" Emotionslos sah ich ihn an: "Ich habe keine Familie und keine Vergangenheit. Ich bin eine erschaffene, lebendige Waffe und diene nur der Prinzessin." Jetzt wurde sein Gesicht wieder weiß, seine Stimme zitterte: "Was ist bloß mit dir passiert?" "Gibt es ein Problem?", ein Wache eines höheren Ranges war gekommen. Ich hatte seine Bewegungen längst registriert. Dieser Sebastien drehte sich zu ihm um, kniff seine Augen zusammen und bellte laut: "Ja, es gibt ein Problem. Ich möchte wissen, was sie mit den armen Jungen gemacht haben!" "Beruhigen Sie sich, es liegt sicherlich ein Missverständnis vor. Er ist ein lebendiger Waffe, der Leibwächter unserer Prinzessin. Er ist kein Mensch, als machen Sie sich keine Sorgen um ihn. Ich rufe nach einem Diener, damit er Ihnen Wasser bringen kann", sagte der Wache. Der alte Mann stieß die Hand der Wache weg: "Kein Mensch?! KEIN MENSCH?! Diesen Junge habe ich wie ein eigener Sohn großgezogen, wir waren damals alle wie eine Familie gewesen und er war menschlicher als jeder Anderer gewesen! Ich lasse mich nicht abspeisen. Ich will Antworten wissen: Wie kann ein totgeglaubtes Kind zum Leben erwachen und plötzlich zu einer Waffe werden? Der Kenai, den ich kannte, hätte niemals eine Waffe angerührt, er hatte Gewalt verabscheucht! Also, was habt ihr Barbaren mit ihn gemacht?!" "Onkel Seppel? Was ist los?", es war die singende Frau. "Winona, Kenai lebt!", rief der alte Mann. "Sie werden jetzt das Schlossgelände verlassen", entschied der Wache, mittlerweile schauten die andere Menschen zu uns rüber. "K-Kenai", die Frau sah mich an und auch ihre Pupillen weiteten sich, die Augen wurden nass: "D-du bist es t-tatsächlich! Ich habe immer gewusst, das du lebst!" Ich wusste nicht was diese Menschen von mir wollten und warum sie glaubten mich zu kennen. Ich hatte keine Vergangenheit. Ich hatte keine Familie. Ich kannte sie nicht. Ich war kein Mensch. Ich war eine lebendige Waffe, der die Prinzessin beschützte. "Lassen Sie mich los!", schrie der alte Mann, als der Wache ihn packte, um ihn zum Ausgang zu führen. "Kenai! Kenai, ich kann dir beweisen, dass wir dich kennen und dass du ein Mensch gewesen war! Du besitzt die Schattenmagie, du bist ein Schattenmeister und hast mit den Schatten Geschichten erzählt, wir waren damals alle Zirkuskünstler gewesen! Dein Vater Hakoda Reavstone war der Direktor gewesen, von ihm hast du seine Magie geerbt. Du hast seine Augen, in jedes Auge sind 50 Splittern. Sie fangen an zu funkeln, wenn du die Schattenmagie benutzt. Wenn dich das immer noch nicht überzeugt, dann gibt es noch was, was ein Fremder nicht wissen kann: Du besitzt ein ungewöhnliches Muttermal, die du von deiner Mutter geerbt hast. Sie ist auf deinem linken Hinterteil und hat die Form eines Piek (ein auf den kopfgedrehtes Herz mit einem Stiel am unteren Ende)." Jetzt sah ich den alten Mann, mit den Namen Sebastien, an.