Ardan
Als ich die Sphäre entdeckte, spürte ich wieder das dringende Bedürfnis danach zu greifen. Da lag so viel Macht darin, dass es mich reizte, sie mir anzueignen und sie mir zunutze zu machen. Aber natürlich widerstand ich diesem Drang. Ich widerstand der Versuchung, denn ich war nicht mehr der Mann von damals. Damals hätte ich mir nämlich alles geholt, was mir ins Auge sprang.
Jadis atmete das Wissen der Sphäre ein und ich beobachtete ihren Körper, der sich wie in Trance befand. Irgendetwas sprach zu ihr. Ich fühlte es. Ich fühlte eine Präsenz, die weit entfernt war, aber dennoch hier bei uns. Das musste einer der Windgeister sein. Sie hatte mir erklärt, dass sie alle treffen und ihre Prüfungen ablegen musste. Was diese sein würde, konnte ich mir nicht ansatzweise vorstellen. Göttliche Wesen waren üblicherweise sehr kreativ mit Prüfungen und dergleichen. Ich wartete geduldig, behielt sie im Auge, um sicherzugehen, dass nichts schiefging. Es gab immer einen Haken. So wie jetzt. Es schien, als würde ihr die Luft fehlen. Sie hustete, keuchte, griff sich an den Hals.
>Jadis.< Ich fasste nach ihren Schultern und drückte sie mit dem Rücken an meine Brust. >Amiya... Alles gut. Du bist hier. Es ist vorbei.< sprach ich beruhigend auf sie ein. Gab es keine sanftere Art ihr mehr Macht zu geben? Ich mochte es nicht, wenn man sie derart quälte... Seufzend drückte ich ihr einen Kuss ins Haar. >Alles gut...< murmelte ich ein weiteres Mal.
Silia
Allmählich wurde es dunkel und die Schatten in den Höhlen wurden dementsprechend größer, düsterer. Es wurde merklich kühler, aber niemand beschwerte sich, da wir lange genug durch die Wüste gewandert waren. Niemand außer mir vermisste die Hitze. Ich konnte sie immer noch in meinen Adern rauschen fühlen. Das grelle Sonnenlicht. Pure Wärme. Es war anders als mit dem Feuer. Licht war um einiges intensiver, mehr noch als das Immerfeuer, das mein Papa beherrschte.
Jenaya schlief tief und fest neben mir. Sie weckte gar nichts mehr auf. Auch nicht die murmelnden Stimmen der Menschen in ihren kleinen Grüppchen. Weiter hinten entdeckte ich das erste, größere Lagerfeuer, das Thales entzündet hatte. Seine roten Augen fanden meine, er winkte mich zu sich. Ich warf einen letzten prüfenden Blick auf die weißhaarige Gestalt, dann stand ich auf und schloss mich der Gruppe ums Lagerfeuer an.
>Wenn wir hier schon unter uns sind und viel durchgemacht haben, dachte ich mir, wäre es gar nicht mal schlecht für ein klein wenig Stimmung zu sorgen...< sagte Thales mit einem schiefen Lächeln im Gesicht. Im Gegensatz zu vielen anderen war er stets um ein Lächeln bemüht. Ich bewunderte das Licht in ihm. Es war so hell. So stark. Er war wirklich wichtig für die Truppen.
>Was schwebt dir denn vor? Gruselgeschichten?< schnaubte einer seiner Generäle und blickte dabei ins flackernde Feuer. Schatten tanzten in seinem Gesicht. Ich ahnte, dass in ihm viele schreckliche Bilder im Geiste vorbeizogen.
Thales verdrehte die Augen. >Natürlich nicht. Wer will schon freiwillig Gruselgeschichten hören? Wir stecken in einer.< Er setzte sich im Schneidersitz hin, griff nach einem fast gänzlich durchbrochenen Schwert und drehte es im Schein des Flammenlichts. >Silia!<
Meine Ohren zuckten. >Was?<
>Musik liegt dir, nicht wahr?<
Ah... Darauf wollte er hinaus. Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, wandte er einen Zauber auf das Schwert an und brachte eine Gitarre zum Vorschein. Auch wenn das Klavier mein Lieblingsinstrument war, gehörte die Gitarre an zweiter Stelle. Meine Fingerspitzen kribbelten, als ich mit den Augen das schöne Instrument betrachtete. Thales entging das natürlich nicht.
>Tust du uns den Gefallen und spielt uns etwas vor?<
Mehrere Augenpaare richteten sich auf mich. Ich konnte zwar noch Nein sagen, aber ich selbst sehnte mich nach dem vertrauten Klang von Musik. Nach Freiheit. Nach Hoffnung. Musik gab mir stets alles, was ich brauchte. Auch in Momenten wie diesen.
>In Ordnung.< willigte ich ein und nahm die Gitarre entgegen. Sie fügte sich perfekt in meine Sitzhaltung. Alles hatte seinen richtigen Platz. Die Saiten waren sogar perfekt gestimmt. Thales schien ebenfalls Ahnung von Instrumenten zu haben. Irgendwie wunderte mich das nicht. Ich zupfte an den Saiten, entlockte ihnen schöne, warme Klänge. Eine andere Wärme als das Feuer inmitten der Gruppe. Dabei dachte ich an alles, was wir bislang durchgemacht hatten und wie sich die Menschen fühlten. Was in ihnen vorging und was sie brauchten. Das allein reichte, um das richtige Lied zu finden.
Das Lied