Kenai
Tag für Tag erhob ich mich aus den Meer aus Spiegelsplittern und Dunkelheit, in dem ich Tag für Tag hineingestoßen wurde. Unerbittlich trainierte ich, von ersten Sonnenstrahlen an bis zum letzten Sonnenstrahlen bis ich vor Erschöpfung zusammenbrach. Mein Körper, der bereits zu eine gefährliche Waffe entwickelt wurde, wurde neu gestählt. Er wurde in die Glut gehalten bis das alte Material schmolz, der Hammer veränderte die Form, stärkte das Material und fügte etwas Neuem zu. Die Klinge wurde schärfer, widerstandsfähiger und gewann an Stärke. Jeden Tag beherrschte ich ein Stück mehr die Schattenmagie, die stetig in mir pulsierte wie ein schlagendes Herz. Ich wich nicht mehr vor ihrer Dunkelheit aus, ich nahm sie an. Sie war ein Teil von mir, auch der zerstörerischer Teil. Und ich lernte mit den Schmerz zu leben, lernte ihn als meine Waffe zu nutzen. Ich lernte mich zu kontrollieren. Ich begriff, dass Menschsein Herausforderungen bedeutete. Dass das menschliche Leben nicht nur aus Glück und Liebe bestand, dass das es ein kleiner Teil von vielen kleinen Teile war. Und ich fand Ziele, wofür ich kämpfen wollte. Ich war nicht mehr der Leibwächter aus Ocamma. Ich war nicht mehr die lebendige Waffe. Aus Asche, Splittern und Dunkelheit wurde ich zu einem Schattenkrieger.
Und ich vermisste jeden einzelnen Tag Jenaya, obwohl ich akzeptiert hatte, dass sie mich nicht wollte und obwohl mein Herz in Scherben lag. Manchmal war dieses Gefühl zu überwältigend, dass es mir das Atem nahm. Doch ich fiel nicht mehr in dieses Loch, auch wenn ich immer an eine bestimmte Stelle in meinem Brustkorb die Leere spüren würde. Aber wie ich lernte mit den Schmerz zu leben, lernte ich auch mit diese Leere zu leben. Denn ich konnte sie nicht vergessen, auch wenn ich es wollte.
Der Werwolf knurrte mich bösartig an und versuchte sich aus meiner Falle zu befreien. Ich ließ mehr Energie in den Schatten fließen, der den Wolf gefangen hielt. Seine rote Augen glühten wild und ich sah, wie es ihn danach durstete meine Kehle aufreißen zu wollen. „Du bist tot“, sagte ich und zielte meine Kehle direkt auf seine Kehle. Ich hatte diese Runde gewonnen, auch wenn Blut aus meiner Schulter floß. Er hatte mich vorhin gebissen und beinahe ein Stück Fleisch herausgerissen. Ich ließ ihn frei und er verwandelte sich in seine Menschengestalt zurück, um mich mit wüste Beschimpfungen zu bewerfen. In diesem einen Moment hatte ich viele Beschimpfungen kennengelernt. Es war erstaunlich wie viele schlechte Wörter in dieser Welt existierten. Gleichgültig über seinem Wutanfall drehte ich mich um und musterte mein Bruder. Er saß gelehnt an einem Felsen und biss in einem Apfel. Akela. Langsam begann ich ihn zu verstehen, warum er so war, wie er war. Und doch konnte ich nicht alles enträtseln. Seine Vorstellungen, seine Logik, sie waren zu komplex und zu verquer. Aber ich hatte begriffen, dass die Familie ihm doch was bedeutete. Dass ich ihm wichtig war. Dass er nur zu mir gemein war, um mich zu beschützen. Dass es seine Art war, weil er nicht wusste, wie er es sonst zeigen konnte. Er lebte schon zu lange in der Finsternis und wie ich damals, hatte er vergessen, dass er ein Mensch mit Gefühle gewesen war. Etwas in Rakka hatte ihn zu diesem Menschen gemacht, wie der Überfall mich zu diese lebendige Waffe gemacht hatte. Aber diese Dinge sagte ich ihm nicht, weil ich wusste, dass es Akela nicht gefallen würde. Er warf die Apfelreste beiseite, musterte mich und sagte schließlich: „Du bist jetzt bereit.“
Akela
Die kleine Stadt, zu der ich uns teleportiert hatte, war besetzt von den dunkle Kreaturen. Überall hörte man Schreie der Menschen, die das Futter dieser Kreaturen waren. Neben mir war Kenai in seinem Umhang eingehüllt und blickte auf die kleine Stadt hinunter. Ich selbst zog die Kapuze über meinem Kopf und war in diesem Moment der schwarze Rächer, nicht der Piratenlord. Cerberus, in seiner Wolfsgestalt, grollte dunkel und seine Augen blitzten kampflustig. Es war eine Prüfung für Kenai, ich musste sehen, ob er mit klarem Verstand gegen die Kreaturen kämpfen konnte, selbst wenn überall die Dunkelheit lauerte und ihn besetzen wollte. Ich musste sehen, wie stark er geworden war, um seine Magie kontrollieren zu können. Seine Anfälle waren weniger geworden, nicht nur meinetwegen, sondern auch wegen den harten Training und jetzt musste er mir beweisen, ob dieses Training sich auszahlte. Denn wenn sie es tat, dann war die Chance vielleicht größer ihn am Leben zu erhalten und den dunklen Gott einen gehörigen Arschtritt zu verpassen. Meine Hand umschloss fest den Bogen, seine Kraft vibrierte. Sein Körper war wellig, wie der Umriss eines Vogels aus der Ferne. Die Wurfarme, die äußere Seiten des Bogens, waren in der Farbe der Nacht und der Polarlichter eingetaucht. An einige Stellen funkelte es wie die Sterne, angeblich sollten sie ein bestimmtes Sternbild ergeben. Der Mittelteil selbst war ein silbernes Halbförmiges, was wohl den Mondsichel darstellte. Die Sehne war ebenfalls silbern. „Lass keine von diese Viechern überleben, walte keine Gnade. Die Bewohnern bleiben unberührt“, meine Stimme war ruhig. Mein ganzer Körper war ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm. Cerberus fuhr die Krallen aus seine Pfoten, sein Körper spannte sich an. Kenai nickte stumm. „Los geht“, gab ich den leisen Befehl und der Werwolf heulte kampfbereit auf, preschte in die Stadt hinein. Kenai und ich hingegen waren leise wie Schatten, die zwischen den zerstörten Häuser huschten. Wir waren der unsichtbare Tod. Ich legte den Bogen an, das Vibrieren war stärker geworden und ein mondsilbriger Pfeil erschien in meiner Hand. Dort funkelte der rote Apfel in den Sonnenlicht. Dann ließ ich den Pfeil los und wie ein leuchtender Sternschnuppe sauste er durch die Luft, um das Ziel zu treffen. Es zerfiel zu lautlosem Staub. Dieser Bogen wurde von der Mondgöttin Luna aus Sternstaub, Mondlicht und Nacht erschaffen. Sie übergab ihn Tyr, ihr auserwählter Held, ein Schattenmagier. Sein Blut floß durch meine Adern.
Yun
Der Krieg war bis in die Zwischenwelt zu spüren und Yun würde niemals vergessen, wie es sich angefühlt hatte, als sie gestorben waren. Es hatte sich angefühlt, als hätte man etwas aus seinem Brustkorb gerissen und alle des Lichtervolk empfanden denselben Schmerz. Die Königin hatte alle in ihrem Reich zurückgerufen, die, die noch lebten und es war erschreckend wie ihre Zahl sich verringert hatte. Ein kalter Schauder lief seinem Rücken hinab und besorgt sah er zu der Quelle, die schon seit ein paar Tage unruhig pulsierte. Er fragte sich wie es seine menschliche Freunde gingen, ob sie noch….nein, daran durfte er nicht denken. Nach einem Monat hatten sie nicht nach ihm gerufen, vielleicht waren sie von seiner Unfähigkeit enttäuscht. Hatte er überhaupt verdient eine Nimmerfee zu sein? Und er fühlte sich feige, dass er hier hockte und nichts tat. Es fühlte sich nicht richtig an, egal was die Königin und Ion gesagt hatten. Er war nicht bloß ein kleiner Funken Glück und Wegweiser für sie gewesen, er hatte die tiefe Freundschaft gespürt. Und was war so falsch sich an die Menschen zu binden? Der Feenmann blickte zur Baumkrone, wo die Königin war und dort hatten sich auch Wächterfeen und der Hüter versammelt. Er wusste, dass sie wegen den Krieg besprechen, wegen der Bedrohung, die langsam in die Zwischenwelt eindrang. Und wegen der Quelle, die komisch pulsierte. Ion, die Blumenfee, erschien und stellte sich neben ihn: „Du siehst nachdenklich aus.“ „Ich mache mir Sorgen um unseren Baum, mit der Quelle stimmt was nicht und die Zwischenwelt wird jetzt auch bedroht“, sagte Yun. „Die Königin und unser Baum wird uns beschützen“, meinte Ion zuversichtlich. Yun dachte an die Feen und die Pixies, die getötet wurden. „Du meinst, wir verstecken uns hier und schließen das Portal“, er hatte das Gerücht gehört. „Was können wir kleine Wesen schon ausrichten? Als wir damals geholfen hatten, war es für uns schlecht ausgegangen“, seufzte die Blumenfee niedergeschlagen und er wusste, dass sie die Dunkelfeen meinte. Dennoch….“Aber irgendwas müssen wir doch tun. Wir müssen ihnen helfen. Sieh doch hin! Unsere Quelle leidet und was wenn sie ihre Kraft verliert? Dann wird der Baum sterben und wir sterben vielleicht mit ihn!“, erboste sich die männliche Nimmerfee. „Yun, wir haben Angst. Wir sind keine Kriegern, wir sind bloß Pixies und Feen“, sagte Ion leise. „Wozu haben wir Fähigkeiten, wenn wir damit nicht beschützen können, was wir lieben?“, fuhr Yun sie an und die zarte Blumenfee zuckte zusammen. Entschlossenheit machte sich in ihm breit: „Ich werde da hinausgehen, ich werde unseren Baum retten.“ „Yun, warte!“, sie packte nach seinem Arm: „Tu bitte nichts Dummes, du bringst dich nur in Gefahr!“ „Ich weiß, aber ich kann nicht hier sitzen und zuschauen wie unsere Welt zusammenbricht. Das wird sie, wenn die andere Welt auch zusammenbricht. Wir sind stärker, als wir glauben. Nur weil wir kleine Körpern haben, heißt es nicht, dass wir schwach sind! Gemeinsam ist man stark. Ich werde an der Seite meiner Freunde kämpfen, auch wenn sie mich nicht gerufen haben. Aber ich weiß, dass sie Hilfe brauchen und dann kann ich meine Fehlern gutmachen“, er hätte schon viel früher los fliegen sollen. „Yun!“, rief Ion ihm ängstlich nach, doch da hatte er bereits die Zwischenwelt verlassen.