Ardan
Ich musterte die Spinnenfrau aufmerksam, dachte nach. Jadis hatte zuvor mit ihr gekämpft, darum wusste sie bestimmt, worauf wir uns jetzt am besten konzentrieren mussten. Summende, dunkle Energie begann in meiner Sense zu vibrieren, als ich einige Schritte vortrat. >Ich werde sie schwächen und du beendest die Sache.< sagte ich an Jadis gewandt. Meine Kräfte reichten locker aus, um es dieser Dämonin schwer zu machen. Sie würde keine Zeit haben, um sich nach Jadis umzuschauen, dafür sorgte ich.
Damit wir keine weiteren kostbaren Sekunden verloren, stürmte ich voran und wich jede ihrer Attacken geschickt aus. Sie mochte eine hervorragende Strategin sein, aber in dieser Hinsicht musste sie sich mit mir messen. Ich war nicht von gestern. Mein Leben lang hatte ich diverse Strategien erlernt und eingehend studiert. Wenn sie glaubte, sie hätte eine Chance gegen uns, dann irrte sie sich gewaltig.
Erst einmal würde ich ihre dämlichen Netze niederbrennen, die mich beim Rennen behinderten. Wir brauchten mehr Platz, besonders Jadis, damit ihre Windangriffe mehr Wirkung zeigen konnten. Anschließend bombardierte ich die Dämonin mit meinen Blitzen, einen nach dem anderen, aus verschiedenen Richtungen. Ihr Gift sowie ihre gefährlichen Fächer schafften es die meisten Angriffe abzuwehren... die meisten. Ich landete Treffer. Und ich hörte nicht auf.
Jenaya
Feena landete ein Stück abseits vom Geschehen und ich kletterte sofort von ihr herunter, damit sie sich ausruhen konnte. Auch wenn ich sie gerade noch rechtzeitig geheilt hatte, musste sie ruhen. Ihr Körper brauchte das. Meiner scheinbar auch. Ich war völlig außer Atem und schwitzte ganz fürchterlich. Es störte mich, dass ich nicht mit den anderen kämpfen konnte, dass ich immer noch zu schwach war, doch es stimmte mich froh, wenigstens Feena gerettet zu haben. Sie bedeutete Jadis sehr viel.
Yun flog in Kreisen über meinen Kopf und schenkte mir etwas von seinem Glitzer. Ich fühlte mich augenblicklich besser. Sein Licht half mir bei Sinnen zu bleiben. Mit einem schwerfälligen Seufzer ließ ich mich auf den staubigen Boden sinken und fasste mir an den Bauch. Irgendwie hatte ich großen Hunger bekommen. Bei allem, was passierte, war ich wirklich überrascht, dass sich dieses Bedürfnis jetzt meldete.
Silia
Ich schaute mich um auf der Suche nach Verletzten, die ich noch retten könnte. Einige tapfere Soldaten waren den Raben zum Opfer gefallen, Gliedmaßen lagen verstreut herum und lösten ein scharfes Ziehen in meiner Brust aus. Jeder Tote war ein Toter zu viel. Ein Herzenslicht weniger. Trauer lag in meinem Blick, doch für die Überlebenden blieb ich ruhig und gefasst. Einige von ihnen bedankten sich für ihre Rettung, als der Regen aus Felsen sie beinahe zermalmt hätte und ich erwiderte ihre Worte mit einem halben Lächeln. Sie setzten sich langsam in Bewegung, doch ich blieb vorerst zurück, so wie jedes Mal, wenn wir eine Schlacht hinter uns gebracht hatten. Ich würde später zu ihnen stoßen. Meine jetzige Aufgabe war mir immens wichtig.
Die ersten Verletzten, die ich fand, hatte man nebeneinander hingelegt, um sich um sie zu kümmern. Sie schafften Platz, als ich auftauchte und jeden einzelnen mit sanftem, reinen Licht versorgte. Einige Wunden waren leicht zu schließen, andere wiederum erforderten mehr Können. Und dann gab es Fälle, wo ich nichts mehr ausrichten konnte. Sie standen zu nah an der Schwelle zum Tod. Bereit ihr Leben zu lassen. Zu schwach für ein Wunder. Bei ihrem Anblick wünschte ich, ich könnte wirklich Wunder des Lebens bewirken. Der junge Mann hatte die Augen bereits geschlossen und atmete sein Leben aus, während die junge Frau darum kämpfte bei Bewusstsein zu bleiben. Ihre Lider flatterten. Ihr Atem rasselte. Ich erkannte Tränen in ihren Augenwinkeln, doch sie galten nicht dem Tod, der auf sie wartete, sondern dem Mann neben ihr. Sie hielten sich an den Händen. Ihre Hand krampfte sich um die seine. Ihr Schluchzen kam ihr qualvoll über die Lippen. Ich spürte, wie mein Herz in Flammen aufging. Nicht aus Leidenschaft, sondern aus Schmerz.
Sie waren ein Paar. Liebende. Ringe zierte ihre blutigen Finger. Ein Ehepaar. Sie waren mit uns in den Krieg gezogen, um eine bessere Welt zu erschaffen und nun starben sie mitten im Nirgendwo. Das war nicht fair. Das war einfach nicht fair. Meine Augen brannten, als ich meine Hand auf ihre verschlungenen Finger legte. Warmes Licht glitt in ihre Körper hinein, erreichte ihre Herzenslichter, die ganz schwach flackerten. >Es ist in Ordnung. Ihr könnt ruhen. Ihr habt es gemeinsam bis hierher geschafft und ihr werdet gemeinsam in die andere Welt reisen.<
Die junge Frau öffnete die Augen, klares Grün blickte mir entgegen. Die Klarheit, die einen erfüllte, wenn man sah, dass das Leben so viel mehr war als der Körper. Ein besonderer Moment und doch so unendlich traurig, dass erste Tränen meine Wangen hinabrollten.
>Wir… wollten… Kinder.< Sie nahm einen schweren Atemzug. >Bessere… Welt.< Ihr lagen noch mehr Worte auf der Zunge, aber ich hielt sie davon ab, indem ich vehement den Kopf schüttelte. >Ich verstehe. Ich verstehe. Du brauchst nicht zu sprechen. Dein Licht spricht für sich. Es tut mir leid.< Mehr Tränen flossen aus meinen Augen. Meine Schultern begannen zu beben.
>Es tut mir leid.< wiederholte ich schluchzend. Ich hätte sie retten müssen. Ich hätte sie alle beschützen sollen, um so etwas zu verhindern. Natürlich war ich nicht dumm zu glauben, ich wäre stark genug wie meine echte Mutter, aber in diesem Moment war der Wunsch so stark nach ihr zu rufen und diese Menschen zurückzuholen. Dieses liebende Paar zu bewahren, das die Welt mit mehr Licht füllen wollte. Aber sie würde mich nicht erhören. Das hatte sie nie. Warum dann jetzt?
Ich entschuldigte mich immer wieder, bis meine Stimme brach und das Leben in den Körpern der beiden vollends wich. Schimmernde Tränen tropften auf ihre Hände. Wie kleine Funken. Ich fühlte, wie ihre Herzenslichter erst schüchtern, dann etwas mutiger ihren Platz verließen und sich nach draußen wagten. In die kalte Nacht hinaus. Mit verschleiertem Blick verfolgte ich ihren Flug, sie schwebten, sie tänzelten um mich herum, als würden sie mich trösten wollen, dabei waren sie es, die ich trösten musste.
Ich schaute zurück auf die Hände des Paares und öffnete den Mund, brachte erste schwache Töne hervor, Worte, die diesen Herzen entsprangen, die ihre Geschichte erzählten. Ich sang für sie. Ich sang voller Gefühl und Leidenschaft. Wurde lauter, klarer.
Liebe kann uns einmal berühren
Und ein Leben lang halten
Während meine Stimme kein einziges Mal schwankte, flossen die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen. Ich beobachtete die Lichter, die sich in die klare Nacht erhoben und sich mit denen der anderen verbündeten. Sie würden die Reise in die andere Welt gemeinsam beschreiten. Gemeinsam auf ihr nächstes Leben warten. Sterne funkelten über uns. Die Sterne der Gefallenen. Es war ein wunderschöner Anblick und für einen Moment ließ ich die Melodie ausklingen, ehe ich mit mehr Kraft, mit mehr Gefühl den letzten Teil des Liedes sang. Meine Stimme wurde dabei von einer sanften Brise davongetragen. Selbst im Nirgendwo ehrte die Natur die Toten.
Du bist in meinem Herzen sicher
Und mein Herz wird weiter und weiter schlagen
Gegen Ende schwankte meine Stimme leicht, wurde leiser, hielt die Note lange genug, dass sie in meinem Inneren widerhallte. Einige Herzenslichter verschwanden im Nachthimmel, andere wiederum, darunter die des Paares kamen zu mir zurück und berührten mich an meinen Wangen. Ich verstand sie. Ich war die einzige, die ihre Sprache verstand. >Seid ihr sicher?<
Die Lichter schwebten zu meiner Brust. Sie hatten sich entschieden. Ich lächelte unter Tränen und nickte langsam. Dann tauchten die Lichter in meinen Körper ein und gesellten sich zu den Abertausenden Lichtern, die mich bereits mein Leben lang begleiteten. Ich legte mir eine Hand auf die Brust, atmete tief aus. >Danke.<
Herzenslied