Wie geht es dir?
Silia
Tief durchatmen, tief, nein, verdammt... Was auch immer dieser süße Geruch war, ich durfte nicht noch mehr davon einatmen. Mein Körper wehrte sich strikt dagegen, denn er löste seltsame Empfindungen in mir aus. Der Dämon war mir viel zu nah und ich war drauf und dran, ihm das Schwert in den Bauch zu rammen, tat es allerdings nicht. Ich sackte tiefer in den Boden hinein, bis zur Hüfte. Das Gestein fühlte sich nicht wie normales Gestein an. Es lebte. Dieses verfluchte Schloss lebte. Grimmig packte ich den Schwertknauf fester und konzentrierte mich auf das Licht in mir, als sich plötzlich das allzu vertraute Gesicht vor meines schob. Mir stockte der Atem. Wie immer, wenn ich ihn sah. Ich wünschte, ich wäre ihm nicht dermaßen ausgeliefert wie jetzt.
>Sag mal... Wie hat es sich angefühlt, diesen Kerl hier in die Ewige Verdammnis zu schicken? Hat wehgetan, nicht wahr? Was glaubst du, wie er reagieren wird, wenn er dich sieht?< Er streckte eine Hand nach mir aus, berührte mich mit den Fingerspitzen an der Wange. Aus einem Impuls heraus schnappte ich mit den Zähnen danach, doch er zog sie schnell zurück. Schmunzelte. >Du hattest eine Wahl und du hast seinen Tod gewählt.<
>Habe ich nicht!< knurrte ich zurück. Ich musste ihm nicht antworten, aber dieses Thema regte die sensible Seite in mir. Er hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Er sollte dieses Gesicht ablegen und dafür sein wahres, hässliches zeigen. Damit kam ich besser klar. Nicht mit Malevors. >Hör auf mich anzufassen!< fauchte ich, als er erneut einen Versuch startete, mir ans Gesicht zu fassen. Jetzt klang ich auch schon wie Akela...
Er veränderte sich vor meinen Augen und nahm ebenjene Gestalt an, an die ich gerade gedacht hatte. Dieses bescheuerte Spiel ging mir mächtig auf die Nerven, besonders die Schwere in meinem Kopf, die mich verwirrte. Das goldene Auge funkelte mich frech an. Dann mitleidig. >Hast wohl gedacht, es wäre einfacher, sich in einen Menschen zu verlieben, aber du suchst dir ausgerechnet jemanden aus, der eine zu kurze Lebensspanne hat. Und wieder bist du diejenige, die diesem Leben ein Ende bereite muss. Welch Ironie!< Sein kehliges Lachen ging mir unter die Haut. Auf sehr unangenehme Weise. Wieder hatte er keine Ahnung, wovon er sprach und doch versetzten mir die Worte einen scharfen Stich. Es stimmte nämlich. Alles davon. Ich konnte nicht lügen. Damit würde ich mir nur mein eigenes Grab schaufeln. Ob Thales, Alita und die anderen bereits die Festung gestürmt hatten? Kämpften sie? Befreiten sie die Sklavinnen? Solange der Dämon hier war und mit meiner Psyche spielte, hatten die anderen bessere Chancen. Ich ertrug das schon. Keine große Sache. Er konnte mir nichts anhaben. Alles, was er sagte, wusste ich schon.
Als sein Gesicht sich dem meinen näherte, blickte ich ihm fest ins Auge und ignorierte das schnelle Herzklopfen in der Brust. Er war nicht echt, er war nicht echt, wiederholte ich in Gedanken und sog scharf Luft ein. Seine Hand lag nun an meinem Hals. Ein sanfter Druck, ein schiefes Lächeln. Mein Körper gehorchte mir nicht, denn er erschauderte, obwohl ich viel lieber gekotzt hätte. Auf ihn. >Hast du eigentlich daran gedacht, was passieren könnte, wenn deine erste, große Liebe erfährt, dass du sie zuerst weggesperrt und dann einfach ersetzt hast? Ziemlich erbärmlich, findest du nicht? Schwörst ewige Treue und jetzt das...< Aufhören, schallte es in meinem Kopf wider. >Ich würde zu gerne wissen, für wen du dich letzten Endes entscheidest. Stell dir mal vor, du könntest deine Liebe zurückhaben, wenn du dafür den
Schattenjungen in die Ewige Verdammnis schickst. Würdest du es tun? Könntest du es?<
Ich musste nicht darauf antworten. Ich musste nicht. Meine Lippen zitterten, so fest presste ich sie zusammen, denn ich würde ihm nicht die Genugtuung erlauben, nach der er verlangte. Stattdessen schwieg ich, während die Gefühle in mir durcheinandergerieten. Nein. An diese Option hatte ich nicht gedacht. Sie kam nicht infrage. Was Malevor und mich verband, war ein Versprechen, das ich nicht brechen durfte und wenn es möglich wäre, würde ich es dennoch nicht tun. Ich konnte Akela nicht in die... Mein Herz schmerzte. Es drückte sich gegen meine Rippen, als wollte es sich das alles nicht mehr anhören.
Fremde, vertraute Lippen näherten sich meinen, aber sie berührten mich nicht. Meine Pupillen weiteten sich. Malevor. Akela. Wieder Malevor. >So verzweifelt nach dieser einen Sache suchend und trotzdem wirst du alleine enden. Das ist einfach... traurig.< Dieses eine Wort schnitt tiefer in mein Fleisch hinein, als es mein eigenes Schwert je könnte. Ich versuchte mich selbst daran zu erinnern, dass das alles hier nur ein Spiel war, aber verdammt nochmal, er wusste davon. Er wusste von den Dingen, die mich innerlich zerrissen und er brachte alles zum Vorschein. Zeigte mir die hässlichen Seiten meines Lebens auf. >Im Gegensatz zu dir schreibe ich meine eigenen Regeln. Meine eigene Geschichte. Du folgst deinem Schicksal wie ein braver Fuchs, der du bist und verlierst dabei
alles, was du dir je erhofft hast. Früher oder später landest du genau dort, wo du hingehörst, nicht wahr? Allein, allein, o so
allein in deinem Zuhause, nur darauf wartend, dass diese schwache Welt eine hübsche Heldin herbeibeschwört, die sie rettet, um sie sowieso letzten Endes gebrochen zurückzuschicken. Und ich dachte schon, wir Dämonen wären grausam.<
Tränen sammelten sich in meinen Augen. Nein, das war nicht wahr. Ich trug eine edle, wichtige Aufgabe. Ich beschützte die Herzenslichter. Sie waren immer dankbar. Sie gaben mir Kraft. Ich endete nicht allein. Sie waren da. Immer. Aber warum brannten meine Augen? Warum blutete mir das Herz? Warum hörte er nicht endlich auf, mir ins Gesicht zu atmen und mir über den Kopf zu streicheln, als bräuchte ich seinen Trost? >Sssh, ist schon gut. Der Dunkle Lord braucht nicht zu erfahren, dass du bei mir bist. Du kannst hierbleiben. Ich passe auf dich auf. Ich sorge dafür, dass du nicht wie ein Ding benutzt wirst, um diese undankbare Welt zu retten, die dir nichts zu bieten hat. Nicht mehr als Händeschütteln und ein gebrochenes Herz.<
Aufhören, hör einfach auf, flehte ich ihn in Gedanken an. Mein Körper zitterte und das Schimmern auf meinen Wangen zeugte von den Tränen, die unaufhaltsam aus meinen Augen flossen. Mir wurde kalt, so unfassbar kalt. Und diese Stille. Diese Stille quälte mich. Ich wollte ihm nicht mehr zuhören, ich wollte nicht mehr in diesem Boden stecken. >Hör auf...< flüsterte ich, konnte aber das starke Beben in der Stimme nicht unterdrücken.
Er umfasste mein Gesicht mit warmen Händen. Akelas Hände. Sein Gesicht allerdings war das von Malevor. Ich hörte den stummen Schrei in meiner Brust. Folter. Das hier war die pure Folter für mich. Ich schloss die Augen, um diesen Anblick nicht mehr ertragen zu müssen und spürte, wie mir das Schwert aus der Hand glitt und klirrend zu Boden fiel. Das einzige Geräusch in diesem verflucht großen Raum. >Keine Angst, Schätzchen. Ich werde gut auf dich aufpassen, so wie ich auf jedes meiner Mädchen Acht gebe. Du wirst neben mir blühen wie eine Sonnenblume.< raunte er verführerisch.