Ardan
Gesagt, getan. Im Gegensatz zu damals machte ich mich darauf gefasst von ihren stechenden Augen verfolgt zu werden. Nicht viele konnten Magie nur mittels ihrer Augen anwenden. Man verwendete normalerweise die Stimme, um Zauberformeln zu sprechen oder Hände zum Zeichnen von magischen Symbolen. Oder man leitete einen Teil der Energie in Gegenstände, so wie ich meine Sense größtenteils nutzte. Doch die Augen... Viella war die einzige Magierin, die dazu fähig war. Ich hatte bislang keine andere Person getroffen, die Magie durch Blickkontakt wirkte. Vielleicht der Dunkle Lord, da er scheinbar der stärkste unter den dämonischen Kreaturen war, doch davon würde ich mich am Ende des Krieges selbst ein Bild machen. Im Hier und Jetzt musste ich zunächst seine Schachfigur erledigen. Das nervige, halbnackte Weib, das sich kaum anzustrengen schien. Sie genoss es regelrecht, mich durch die Gegend zu jagen, denn durch den Fluch, den sie mir verpasst hatte, konnte sie mich binnen kürzester Zeit in die Knie zwingen. Dafür brauchte sie nur einen einzigen gezielten Treffer zu landen. Dazu würde ich es aber nicht kommen lassen.
Die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, umklammerte ich den Stab meiner Sense fester und spürte darin die dunkle Energie pulsieren. Eine Energie, von der ich mich fernhalten, jedoch nicht gänzlich davon abschotten konnte. Immerhin war sie ein Teil von mir. Ich stürmte nach vorne, gewann an mehr Geschwindigkeit und wich ihren sekundenschnellen Attacken aus. Sie änderte ihre Sitzposition nicht, sondern wollte mir höchstwahrscheinlich zeigen, dass ich in diesem Zustand nicht stark genug war, sie aus dem Konzept zu bringen. Das nannte sich Provokation und ich nutzte die daraus entflammende Wut, kanalisierte sie und sandte sie in Immerblitzen aus. Ihre Kraft donnerte im Himmel. Dunkelgraue Wolken zogen über unseren Köpfen hinweg.
Unter uns herrschte reinstes Chaos. Ich verschwendete nicht viel Zeit damit nachzuschauen, wie meine Leute sich gegen den Feind schlugen, doch ihr Brüllen und die Kampfgeräusche klangen nicht sehr positiv. So gern ich ihnen zur Hilfe eilen wollte, ich durfte meinen Posten nicht verlassen. Ich hatte eine offene Rechnung zu begleichen und würde mir bestimmt nicht die Chance entgehen lassen, dieses dämonische Miststück zu töten. Darum legte ich all meine Hoffnung in die Macht von Envar. Wenn er wirklich so stark war wie SIlia stets behauptete, dann konnte ich mich darauf verlassen, dass er meine Leute beschützte.
>Ist das etwa alles, Thyell? Ich habe mehr erwartet.< säuselte Viella und spreizte die Finger, um gelangweilt ihre Nägel anzuschauen. Sie legte es wirklich darauf an mich aus der Reserve zu locken. Sie wollte, dass ich die Beherrschung verlor. Ich knirschte angespannt mit den Zähnen und tat gut daran, auf ihre Worte nicht einzugehen.
Stattdessen feuerte ich eine Attacke nach der anderen ab, während ich im Inneren einen Zauber vorbereitete, dessen Maß sich durch das Gebirge fressen würde, sollte sie in der Lage sein ihm auszuweichen. Das Risiko ging ich gern ein. Das hier war das Land des Dunklen Lords. Etwas mehr Zerstörung fiel nicht besonders auf. Hier lebte niemand. Nur wilde Bestien und totes Land. Ich musste auf niemanden Rücksicht nehmen. Der nächste Immerblitz zischte nur knapp an ihr vorbei und auch wenn ich sie fast getroffen hätte, zuckte sie nicht einmal mit der Wimper. Sie kniff bloß die Augen zusammen und begann schwarze Energiebälle in meine Richtung zu schmeißen. Diesmal beging ich nicht den Fehler und fing sie mit meiner Sense ab. Mehr Psion konnte ich nicht gebrauchen, nicht im Moment. Ich musste schlau vorgehen.
Mehrmals ausweichend trieb ich sie näher zum Gebirge, wo wir uns ein heftiges, schweißtreibendes Machtduell lieferten. Ihre dunkle Energie summte in der Luft, brachte sie zum Vibrieren, während in ihren Augen ein Funkeln erschien, das ich noch nie an ihr bemerkt hatte. Als steckte sie in einer Art Fieberwahn. Sie erwärmte sich für den Kampf. Sie bewegte sich schneller, geschmeidiger, nutzte die toten Ressourcen um uns herum, um ihre Angriffe zu verstärken. Ich gab es nur ungern zu, aber sie brachte mich an eine Grenze, hinter der mich Kontrollverlust erwartete. Trotzdem gab ich nicht auf, sondern bereitete meinen Körper sowie Geist auf meine Erlösung vom Fluch vor. Jedenfalls hoffte ich, dass ich es nicht vermasselte. Wenn das, was ich vorhatte, schiefging, gab es kein Zurück mehr. Ob Jadis es noch einmal schaffen würde, mich zur Besinnung zu bringen, wäre dann unklar. Ich wünschte, sie wäre hier, damit wir sie gemeinsam besiegen konnten, aber im Moment war sie auf einer weitaus wichtigeren Mission. Ich spürte, dass sie noch sehr viel stärker zu mir zurückkommen würde und bis dahin würde ich ebenfalls neue Stärke erlangen. Für mich. Für sie. Für uns beide.
Ich achtete nicht mehr auf das verdächtige Pulsieren in meinen Adern. Das dunkle Violett, das meine Haut an den Unterarmen durchzog. Der Fluch zeigte sich. Er wirkte. Er wurde zunehmend stärker. Genau das hatte Viella von Anfang an geplant. Mich so weit zu treiben, dass ich nicht anders konnte als auf meine dämonische Seite zurückzugreifen. Sie unterschätzte mich gewaltig. Ich hatte in den letzten Wochen nicht zum Spaß meditiert. Ich hatte nicht nur der Unterhaltung wegen mit Drachen in meinem Geist gesprochen, um eine Lösung für mein Problem zu finden. Ehrlich gesagt, hatte der Fluch mich sogar näher zu meinem wahren Ich gebracht. Fast wäre ich ihr zum Dank verpflichtet. Fast.
Durch all das Chaos, das wir mit unserer Energie freisetzten, schaffte ich es nicht rechtzeitig einem Ansturm an Psion auszuweichen. Er traf mich direkt an der linken Seite. Ich zischte vor Schmerz. Mein gesamter Körper geriet unter Spannung und löste ein Stechen aus, das mir fast die Luft nahm. Ohne es wirklich zu wollen, nahm ich meine halbdämonische Gestalt an und klammerte mich dabei an meiner Sense fest, die ebenfalls unheilvoll zu pochen begann. Als steckte echtes Leben in ihr. Tat es irgendwie auch. Ich atmete schwerer, krümmte mich zusammen und kratzte jeden Rest Menschlichkeit zusammen, der mich zur Besinnung brachte.
Viella lachte. Ein bösartiges, glockenhelles Lachen. >Da haben wir’s. Du bist doch kein ach so allmächtiger Bastard, der es bis zu den Pforten meines Meisters schafft. Du bist und bleibst ein-< Sie brach abrupt ab. Nicht, weil ich sie mit einem Angriff zum Schweigen gebracht hatte, sondern weil ich sie anscheinend überraschte.
Vor meiner Brust sammelte sich Psion und Psios in gleicher Menge zu einer Kugel zusammen. Weiße und schwarze Energie. Mein gesamter Fokus lag auf genau diesem Energiezentrum, während mehr und mehr Magie aus mir floss und damit auch der pechschwarze Fluch, der auf mir gelastet hatte. In meinem Inneren, direkt in der Brust, nahm ich sowas wie Drachenbrüllen wahr, als ich meine gekrümmte Haltung löste und in eine erhabene Stellung wechselte. Die Arme seitlich ausgestreckt und das Kinn leicht erhoben sah ich auf meine Feindin hinab. Ihre Augen waren geweitet. Sie war sprachlos. >Der Fluch, er kann nicht-<
>Du scheinst wohl vergessen zu haben, dass ich von Geburt an verflucht bin. Unglücklicherweise für dich... war dein Fluch zu schwach, um endgültig an mir haften zu bleiben.< Die Sicht meines linken Auges veränderte sich. Ich wusste mit plötzlicher Gewissheit, dass meine gesamte linke Seite weitaus dämonischer wirkte als die rechte. Das hatte ich dem Psion zu verdanken, welches unheilvoll in mir pulsierte. Ignis, der dämonische Drache und auch Hibiol, der rote Drache reagierten auf mein gedankliches Rufen und gaben mir einen gewaltigen Energieschub.
Links und rechts wand sich die weiße und schwarze Magie um meine Arme und wirbelte in wilden Luftströmen in die Höhe. Ich fühlte mich berauscht. Unglaublich mächtig. Unbesiegbar. Ein selbstgefälliges Schmunzeln zupfte an meinen Mundwinkeln, als ich die Arme langsam anhob und den Schock in Viellas Gesicht erkannte. >Das... das ist unmöglich!< rief sie verwirrt aus. >Du kannst nicht in der Lage sein-<
>O doch.< schnitt ich ihr das Wort ab und ließ noch mehr Energie aus meinem Körper fließen. Feine Blitze zuckten in den reinen Magiewirbeln umher, als ich die Finger über meinem Kopf ineinander verschränkte. Psion und Psios prallten aufeinander. >Zu schade, dass Jadis nicht hier ist, um mit anzusehen wie du für deine Taten büßt.<
>Ich kann nicht fassen, dass du den Dämon in dir...< Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende, sondern starrte mich entgeistert an, unfähig sich zu rühren, als ich die Hände nach vorne warf und damit einen gewaltigen Magiesturm auslöste, der all ihre Barrieren im Nu zerfraß. Ihr Unglaube hatte sie unachtsam gemacht. Sie war nicht imstande, dieser Perfektion von Psi-Manipulation auszuweichen. Ich schickte meinem damaligen Meister ein großes Dankeschön in den Himmel und sah zufrieden dabei zu, wie sich Viella wild kreischend zersetzte. Ihre gesamte Existenz erlosch. Nichts blieb übrig. Auch nicht die Gipfel der Berge unter uns.
Ich hatte sie besiegt und mit ihr den mir auferlegten Fluch.
Coole Attacke