Ardan
>Hättest du jemals daran geglaubt, irgendwann in dieses Kostüm zu steigen und zu heiraten?< fragte mich Raja mit einem leichten Lächeln, als er mir dabei half, meine Kleidung für die bevorstehende Zeremonie zu richten. Thales stand derweil etwas abseits von mir und behielt den heiligen Platz im Auge, wo ich schon sehr bald Jadis zu meiner Königin machen würde. Für mich gab es keinerlei Zweifel, dass Sakrazhue sie akzeptieren würde. Ignulae brauchte eine Königin wie sie. Ich brauchte sie.
Darum konnte ich auf diese Frage ehrlich antworten: >Nein, eigentlich nicht. Vielleicht aus Loyalität zu meinem Volk und mit einer Frau, die ich nie so sehr lieben könnte wie Jadis. Aber die höheren Mächte meinen es gut mit mir, weil sie sie vor einiger Zeit mit einer Flotte zu mir schickten.< Mein Blick glitt in die Ferne. >Wäre sie nicht hierhergekommen, weiß ich nicht, ob wir uns jemals wiedergesehen hätten. Vielleicht auf dem Kriegsfeld, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon... Ich bin glücklich damit, wie die Dinge sich gefügt haben. Trotz einiger Dramen... Gerade deswegen sind wir jetzt unzertrennlich.<
>Spar dir das für dein Gelübde.< kam es von Thales, der an mich herantrat und mir das dünne, rote geflochtene Seil um die Hüfte band. Das Symbol für die schicksalhafte Vermählung zweier Menschen. Das rote Band, das uns für immer miteinander verbinden würde. >Ich freue mich für dich, werter Freund. Du hast alles Glück dieser Welt verdient. Du hast viel durchgemacht und wirst noch viel mehr durchmachen, aber das kannst du dann wenigstens mit Jadis teilen.<
Mussten Hochzeiten immer so emotional und mit gefühlvollen Worten ausgeschmückt werden. Mir gefiel der Kloß im Hals nicht. Ich räusperte mich, um meine Stimme wiederzufinden und nickte. Raja war fertig mit mir und trat einen Schritt zurück. >Der perfekte Bräutigam... Ich würde ja meinen, dass Jadis sicherlich stolpern oder losheulen wird, wenn sie dich sieht, aber die Wetten sprechen gegen dich, Mahajal. Du wirst zuerst weinen.<
Ich rollte mit den Augen. >Idioten seid ihr... ihr alle. Kaum zu fassen, dass ihr Wetten darüber abschließt, wer zuerst sentimental wird.< Auch wenn ich befürchtete, dass sie womöglich richtig lagen. Ich tat mir selbst den Gefallen und ging nicht mehr auf die Sache ein, sondern schaute in die Richtung, aus der ich andere vertraute Gestalten entdeckte. Jadis' Eltern, ihren Bruder und Inej. Zugegeben, ich war wirklich heilfroh, dass es den beiden gut ging. Und dass sie es geschafft hatten, dieser Zeremonie beizuwohnen. Das bedeutete mir wahnsinnig viel. Jadis sowieso.
Ich verließ meinen Platz unterm Baum und kam ihnen entgegen. >Es ist schön, euch zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass Heiraten so... so
aufregend sein kann.< Seitdem feststand, dass die Hochzeit schon heute stattfinden konnte, stand ich unter Spannung. Guter, positiver Spannung, versteht sich. Ich konnte es kaum erwarten, Jadis in ihrem Kleid zu sehen. Zwar wünschte ich, jemand könnte mir ihre Reaktion darauf zeigen, aber sie darin auf mich zuschreiten zu sehen, bedeutete mir so viel mehr. Allein die Vorstellung ließ meinen Puls in die Höhe schnellen. Schwitzten meine Hände? Sie schwitzten nie...
Raja geleitete alle zu der kleinen Gruppierung von Stühlen im Schatten von Sakrazhue und warnte sie vor den dünnen Lavaadern, die den Boden durchzogen. Das war keine normale Lava, in ihr floss Magie. Magie Ignulaes. Dieselbe, die auch in meinen Adern floss. Ich spürte ihr starkes Pulsieren. Sie reagierte auf das Geschehen um mich herum. Sakrazhue beobachtete uns alle.
>Mahajal, Eure Braut ist auf dem Weg.< teilte mir wenig später die Wache mit. Da diese Zeremonie sehr privat war, verzog sich der junge Mann wieder. Der Älteste begab sich in Position. In seinen Händen lag eine goldene Schale und in ihr würde bald das flüssige Gold von Sakrazhue sein. Dieser Part war der wichtigste und leider nicht ganz schmerzfrei... In meinem Volk gehörte Schmerz eben zum Wachstum dazu, aber ich wusste, dass Jadis kein Problem damit haben würde, sich diesem Test zu stellen. Sie hatte weitaus Schlimmeres durchgestanden als das. Sie war meine Auserwählte.
Jenaya
Ich blickte Kenai warm an und war froh, dass ihn diese Sache nicht zu sehr an diesem besonderen Tage runterzog. Wir würden eine Lösung finden. Ich hatte meine Worte ernst gemeint. Ob ich seinen Bruder mochte oder nicht, das spielte keine Rolle. Für Kenai würde ich alles tun. Aber jetzt... >Na los, zieh dich um. Ich habe dir ein Kostüm ausgesucht, das dir bestimmt wunderbar passen wird.<
Und dann würde es mir sicherlich schwerfallen die Finger von ihm zu lassen. Kenai in Anzügen... das war zu viel für mein schwaches Mädchenherz. Egal, was er trug, er machte mich vollkommen verrückt mit seiner Attraktivität. Ja, unser Freundeskreis bestand aus sehr adeligen Personen mit sehr guten Genen, aber Kenai... Kenai stach einfach hervor. Schon von Anfang an hatte er in mir mehr ausgelöst als der hübscheste Prinz auf etlichen Festen. Er war mein Traummann. Mein Zirkusjunge. Diese Hochzeit machte mir mal wieder bewusst, wie sehr ich ihn ebenfalls zum Mann nehmen wollte. Ein für alle Mal. Darüber würde ich noch mit ihm sprechen müssen, aber heute galt es für unsere Freunde da zu sein und mit ihnen viel Spaß zu haben.
Yun war so schlau und gab mir währenddessen ein Tuch, mit dem ich meine Tränen der Rührung würde trocknen können. Er wusste, wie nah am Wasser ich gebaut war. Warum auch immer es in letzter Zeit schlimmer geworden war...
Dann kam Kenai auch schon fertig umgezogen aus dem Bad heraus und wie erwartet, drehte mein Mädchenherz komplett durch. Es raste wie irre und wollte ihm am liebsten an die Brust springen. >Schätze, wir kleben für den Rest des Tages aneinander.< grinste ich ihn verliebt an und hakte mich sogleich bei ihm unter. Er war so schön warm. Er roch nach Zuhause. Ich seufzte wohlig. >Mal sehen, wo sich die anderen aufhalten.<
Silia
>Bloß nicht verschlafen, Schwesterherz.< weckte mich die warme Stimme meines Bruders. Er stupste mir mit dem Zeigefinger in die Wange. Die Hitze und die grellen Sonnenstrahlen hatten mich direkt in den Schlaf geschickt. Nun fühlte ich mich, als könnte ich selbst meinen Platz im Himmel einnehmen und von dort aus eine Nacht zum Tag machen. So stark rauschte die Energie durch meine Adern. Na wenn das kein guter Vorsatz für die spätere Feier war.
Beschwingt sprang ich auf und richtete meine Kleidung, die zum Glück weitgehend offen war. Ich mochte es nicht Sachen zu tragen, die mich vollständig bedeckten. Ich lebte meine Freiheit aus. Gerne freizügig. Natürlich lief ich nicht zu nackt herum, da ich die Traditionen durchaus respektierte. Das hier... das war in Ordnung. Außerdem hatte ich noch das seidene Tuch mit den goldenen Stickereien. Ich legte es mir um die Schultern und folgte meinen Geschwistern durch den Garten, als wir auf Jenaya, Kenai und Yun trafen.
>Perfekter Zeitpunkt. Die Zeremonie beginnt gleich.< verkündete Envar lächelnd und nickte Jenaya zu. Die beiden verstanden sich sehr gut, besonders nachdem sie sich über ihre Vorfahrin unterhalten und gemeinsam an ihren besonderen Fähigkeiten gearbeitet hatten. Außerdem hatte er ihr in ihren einsamen Stunden eine Schulter zum Ausweinen geboten. Er war ihr nicht von der Seite gewichen, genau wie Yun. Wenn sie und Kenai bloß wüssten...
Ich musterte das nun glückliche Paar und lächelte breit. >Ihr seht fabelhaft aus. Ich bin froh, dass ihr zueinander gefunden habt. Wurde endlich Zeit.< Scheinbar hatten meine damaligen Worte an Kenai etwas sehr Gutes erreicht. Ich war froh, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht den Mund gehalten und ihn darum gebeten hatte, sich noch einmal an das letzte Gespräch mit ihr zu erinnern. Sie hatten sich ausgesprochen und waren wieder eine Einheit. So sollte es sein.
>Danke.< sagte Jenaya mit einem Lächeln, das ihre Augen erreichte und genau das erfüllte mich mit tiefster Freude. Sie war mir eine sehr gute Freundin. Ich wünschte mir nur das Beste für sie. Wie für meinen Vater und meine Mutter. Im Moment sah mein Vater ziemlich aufgeregt aus, denn er wusste nicht so recht, wohin mit seinen Händen. Als er mich erblickte, weiteten sich seine Augen. >Wenn meine Tochter schon so umwerfend aussieht, was soll ich dann machen, wenn deine Mutter kommt?<
Ich umarmte ihn und drückte ihn fest an mich. >Tief Luft holen. Wieder ausatmen. Nochmal einatmen und wieder ausatmen.< Er folgte meinen Anweisungen und schien etwas ruhiger zu werden. >Du siehst genauso umwerfend aus, Papa. Ihr werdet wohl beide ganz sprachlos voreinander stehen.< zwinkerte ich ihm zu, als ich daraufhin neben Zen Platz nahm. Auf der anderen Seite saß Alita. Envar hingegen blieb neben Thales stehen und zückte seine Gitarre. Er würde ein Hochzeitslied singen, das ziemlich alt war und welches wir in unserem letzten Leben von den Menschen gelernt hatten.
Mein Blick glitt zu dem von Blütenblättern übersäten Pfad, der vom Garten hierher führte. Mama würde gleich kommen und ich wollte keine Sekunde davon verpassen.
Hochzeitslied