Taiga
Hin und wieder schaute ich zu den Kinder, die wieder tief und fest schliefen. Nach einer Weile war auch Hanabi wieder zurückgekommen und ich konnte mich mehr entspannen, als ich sie unversehrt sah. Auch die Aufregung hatte sie erschöpft und sie hatte sich zu den Brüder hingelegt. Obwohl ich selbst die Erschöpfung spürte, konnte ich nicht schlafen. Dafür war ich zu durcheinander und nur in meiner Kunst fand ich wieder die Ruhe, die ich brauchte. Das leise Kratzen meiner Kohlestift auf der Wand hatte was Vertrautes und auch der Geruch von Kreide. Das bunte, tanzende Glitzer um meine Fingern fühlten sich tröstlich an. Solange es noch Farben gab, war für mich die Welt nicht verloren, auch wenn ich heute einen furchtbaren Erlebnis hatte. Ich würde stark sein, so wie Silia. Immer mehr Farben erschienen auf der Wand, bekamen ihre Formen und ergaben sich zu einem Bild. Es füllte die ganze Wand aus. Ich hatte den funkelnder See im Sonnenlicht gemalt. Den klaren Himmel. Die Trauerweide am Ufer, deren hängende Äste leicht im Wind wiegten. Die bunte Steine in der sandige Erde. Das Schilf, deren Kolben wie weiche Kissen aussahen. Das satte Grün der Wiese. und überall die prächtige Farbtupfer der Blumen. Schillernde Insekten, deren Summen ich zu hören glaubte. Malevor, wie er fröhlich im flachen Wasser plantschte und den Fische nachsah. Hanabi und Fenrir bei ihrem gemütlichen Spaziergang, während der Wolfsjunges versuchte nach einem blauen Schmetterling zu schnappen. Ich, wie ich mich an der Trauerweide lehnte und zeichnete. Auf meinem Block konnte man die Raute mit unsere Symbole sehen. Und dann war noch der Regenbogen über dem See. Für mich symbolisierte er alles. Farben. Magie. Hoffnung. Frieden. Freundschaft. Glück. Und Liebe.
Fenrir
Mein Herz klopfte wild in meinem Brustkorb. Verdammt, ich musste diese Gefühle unter Kontrolle bringen. Ich hatte schon einmal erlebt wie lächerlich ich mich damit gemacht hatte und ein zweites Mal würde nicht passieren. Aber der Gedanke endlich wieder mit ihr alleine zu sein, fühlte sich berauschend an. „Wo sind denn alle?“, fragte sie in meinem Kopf verwirrt, als sie kam. Ich zuckte mit der Schulter: „Dein Bruder wurde spontan von eurer Schöpferin gerufen und die anderen Beiden sind beschäftigt. Wir haben das Gruppentreffen auf Morgen verschoben.“ Als ihr Bruder sich abgemeldet hatte, war es für mich ein Leichtes meinem Bruder und seiner Sonnenfüchsin zu überreden das Treffen einfach zu verschieben. Das Pärchen nutzte jede freie Zeit für die Zweisamkeit, aber dieses gemeinsames Familiending war ihnen dennoch wichtig gewesen. Jedenfalls verspürte ich keinen Stich mehr, wenn ich sie zusammen sah. Ich schaute auf das Hasenmädchen herab und mein Herz begann verräterisch schnell zu klopfen. „Oh…“, formte sie das Wort lautlos mit ihre Lippen. In letzter Zeit träumte ich davon wie es sich anfühlen mochte diese Lippen zu schmecken und jedes Mal weckte mich die Hitze in meinem Körper auf. Niemand wusste, was in mir vorging und ich erzählte auch Niemanden davon. Nicht mal meinem Bruder. Ich wollte nicht wieder abgewiesen werden, das könnte ich nicht verkraften. Es war lächerlich. Ich war Fenrir. Mächtig, finster und gefährlich. Ein Wolf, wovor sich alle gefürchtet hatten bis mein Bruder und ich vor einem Jahr in diesem Reich gelangt waren. Als wir die Gruppe, bestehend aus Sonnenfüchsin, Hasenmädchen und Katzenjunge, trafen, hatte sich was verändert. Ich hatte lange nicht mehr das Bedürfnis gespürt Jemanden aus Spaß den Kopf abreißen zu wollen. „Wenn du nichts vorhast, können wir ja was zusammen machen“, wieder zuckte ich mit der Schulter und machte ein fast gleichgültiges Gesicht. Sie sagte selten Nein und deswegen hoffte ich, dass es dieses Mal auch so war. „Sehr gerne“, lächelte sie schüchtern und ich fand das ziemlich süß. Wärme explodierte in meinem Brustkorb und mit aller Macht unterdrückte ich das Schwanzwedeln, denn es hätte mich sonst verraten. Niemand durfte von diese Gefühle wissen. Niemand würde erfahren, dass ich ihr mein Herz geschenkt hatte. Dass ich sie auserwählt hatte. Es war besser so. Auf diese Weise konnte ich wenigsten ihre Freundschaft besitzen.