Hanabi
Mit großen Augen sah ich Taiga hinterher. Was für ein hübscher Luchs! Jetzt wusste ich endlich, welches Tier sie darstellte, auch wenn sie einer seltenen Art von Luchs angehörte. Das vermutete ich zumindest. Es war ganz schön ironisch, dass sich ausgerechnet ein Hase und ein Luchs zusammengeschlossen hatten, um zwei Dunkelgeborene zu versorgen. Jeder Tag hatte das Potenzial zu überraschen, besonders der heutige. Ich warf einen letzten Blick auf die beiden schlafenden Animagi, ehe ich mich auf den Weg machte. Es war bereits abends, doch das störte mich als Sternenhase nicht. Ich sah alles klar und deutlich vor mir.
Über mir leuchteten die Sterne und der Mond versteckte sich teils hinter flauschigen Wolken. Ich genoss das warme, sanfte Licht. In Gedanken bat ich den Nachthimmel um Hilfe, denn ich kannte den Weg zum Menschendorf leider nicht. In der Nähe war es jedenfalls nicht. Sobald einige Sterne heller zu strahlen begannen, verwandelte ich mich in meine tierische Gestalt und hoppelte los. Dabei ließ ich die Kraft der Lichter durch meinen Körper fließen, bis ich keinen Boden mehr unter den Pfoten spürte, sondern in der kühlen Nachtluft weiterrannte. Mit meinem scharfen Gehör ging ich sicher, dass nirgends Gefahr lauerte, während ich mich in ein Gebiet wagte, welches mir noch völlig fremd war. Ab hier musste ich vorsichtiger sein.
In der Ferne entdeckte ich bereits erste Hütten, die am Fuße eines kleinen Berges standen. Sanftes Licht flackerte hinter den Fenstern. Einige Menschen schienen demnach noch wach zu sein. Hoffentlich fand ich das, wonach ich suchte, denn ich wollte den Sterblichen zu dieser Zeit nicht begegnen. Am Tag wäre es mir deutlich lieber. Auf leisen Pfoten landete ich in der Nähe eines Hofes, wo verschiedene Tiere gehalten wurde. Ein Zaun hinderte sie daran zu fliehen. Das sah ich nicht zum ersten Mal. Menschen machten sich bestimmte Tiere zunutze. Immerhin gehörten sie auch zu den Fleischessern. Leicht angewidert verzog ich das Gesicht, schlüpfte durch eine schmale Öffnung im Zaun und hoppelte über ein zum Teil abgegrastes Feld. Mir fiel auf, dass ich heute kaum etwas zu mir genommen hatte, aber das schob ich auf ein Später. Ich hatte nun keine Zeit dafür. Ich musste diese Milch finden, die für Fleischesser gedacht war.
Leider erwies sich die Suche nach einiger Zeit als ergebnislos. Mir blieb nur noch eine Möglichkeit... ich musste tiefer ins Gebäude eindringen. Dort gab es weitere Tiere, die da drin gehalten wurden. Wenn ich mich nicht irrte, wurden sie als Kühe bezeichnet. Solange sie keinen Krach machten, konnte ich umherschleichen und weitersuchen. Wenn die Sterne mich hierher geführt hatten, dann musste es Milch geben. Nur sah ich sie nirgends. Nicht, bis ich versehentlich gegen ein kleines metallenes Gefäß stieß, in dem es seltsam gluckerte. Ich hielt inne. Gluckern, interessant. Auf beiden Hinterpfoten stehend schnupperte ich am Verschluss dieses Gefäßes und riss die Augen auf. Das roch verdächtig nach Milch. Ich hatte sie letztendlich doch gefunden! Heilfroh über meinen Fund zauberte ich meinen Stoffbeutel herbei und ließ das Gefäß darin verschwinden. Es tat mir leid, dass ich gerade Diebstahl beging, darum hinterließ ich den Menschen sternförmige Blumen, die der Heilung körperlicher Leiden dienten. Das brauchten zerbrechliche Wesen wie die Menschen.
Besseren Gewissens trat ich die Rückreise an und kam nach geraumer Zeit zu Hause an. Der Anblick des Luchses in meinem Bau erschreckte mich zuerst, bis mir wieder bewusst wurde, was sich heute alles ereignet hatte. >Das kann ja noch heiter werden...< murmelte ich, während ich die Milch dort abstellte, wo Taiga offenbar das Fleisch in Tüchern lagerte. Sie hatte sogar Kräuter darauf gestreut, damit der Geruch nicht so streng war. Was für eine aufmerksame Geste! Lächelnd ging ich auf mein Bett zu, auf dem alle drei Animagi friedlich schliefen. Ich war mehr Platz gewohnt, aber fürs Erste reichte es, wenn ich mich neben den Wolfsjungen legte. In dem jetzigen Zustand konnte er mir sowieso nichts tun. Und er duftete irgendwie gut. Entweder nach Baby oder nach... hm... keine Ahnung. Ich war zu müde, um darüber nachzudenken und schlief in der nächsten Sekunde ein.