Malevor
Sein wilder Durst brachte mich fast dazu ihm meinen Arm wieder zu entreißen, weil der animalische Instinkt nicht teilen wollte, doch meine Vernunft war größer. So viel Energie sollte ich nicht in meinem Körper verstauen. Zu groß war die Gefahr, dass das Gleichgewicht in meinem Inneren kippte und ich etwas tat, was ich später definitiv bereuen würde. Darum blieb ich ruhig und achtete darauf, dass Fenrir nicht zu viel trank. Selten hatte er diesen Grad an Kontrolle gezeigt, denn ich musste ihn nicht einmal aufhalten. Er hörte von selbst auf. Bemerkenswert. Zu dem Kommentar mit dem Wein schmunzelte ich nur. Es gab besseren Wein da draußen, aber der war für uns tabu.
Ich strubbelte ihm brüderlich durchs Haar und lächelte, nachdem er die Bisswunde inspiziert und verschlossen hatte. Früher hätte er größeren Schaden angerichtet, aber in diesem Leben schienen einige Dinge anders zu sein. Besser. >Ich hab dich auch lieb, Bruder.< Damit ließ ich ihn in Ruhe, denn die restlichen Stunden der Nacht sollten wir schlafen. Unsere Körper mussten sich voll und ganz auf das Wachstum konzentrieren.
Leise ging ich zurück zu Taiga, kletterte vorsichtig über sie hinweg und hob die Decke an, um darunter zu schlüpfen und sie anschließend an mich zu ziehen. Wenn sie aufwachte, sollte sie wissen, dass ich ihr nicht von der Seite gewichen war. Der Mantel aus Stille lag noch auf ihr und ich ließ es dabei bleiben. Hauptsache, die Schatten in ihrem Geist wurden nicht laut und sie konnte sich von diesem schrecklichen Tag erholen. Morgen würden wir weiterplanen.
Hanabi
Mir kam es vor, als müsste ich ersticken. Es war so warm. Überall. Ich konnte mich nicht einmal bewegen, irgendwie... war ich eingeschlossen. Aber in was? Verwirrt kämpfte ich mich an die Oberfläche, raus aus der Dunkelheit meines Schlafes und hin zum Tageslicht. Es bestand keine Gefahr, so viel wusste ich, denn Fenrir war bei mir. Genau. Fenrir. Leise seufzend öffnete ich die Augen und stutzte sogleich. Brust. Da war eine nackte Männerbrust vor mir. Aber sie... sie war breiter und... mein Blick wanderte nach unten... und mein Atem stockte. Das war nicht der Oberkörper eines Jungen, in dessen Armen ich noch gestern gelegen hatte. Das... das... war ein Mann. Ein erwachsener Mann mit einem sehr, sehr attraktiven Körper. Hitze strömte in meine Wangen und ich wagte es nicht nach oben zu schauen. Ich kam mir plötzlich so klein vor. Seine Arme lagen schwerer auf mir. Kräftig und mit deutlich definierten Muskeln, dass ich bei ihrem Anblick schwer schlucken musste. Kein Wunder, dass mir so unendlich warm war. Sein gesamter Körper heizte, als läge ich neben einem Lagerfeuer.
Nun erwachte auch mein Herz, denn es stolperte unbeholfen, als mein Blick langsam nach oben wanderte. Vorbei am Schlüsselbein zu einem markanten Unterkiefer und Lippen, die ich gestern für eine Sekunde gespürt hatte. Jetzt wirkten sie voller, weicher und... einladender. Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich hatte nicht vergessen, was gestern passiert war und dass die Ereignisse mir nach wie vor schwer im Magen lagen, doch diese Wendung traf mich genauso unvorbereitet. Fenrir war kein Jugendlicher mehr. Er war ein Mann. Ein kräftiger Mann, der mich im Schlaf hielt. Würde ich es überhaupt schaffen, seinen Arm von mir zu nehmen? Ich musste von ihm loskommen, sonst verbrannte ich. Innen und außen... besonders innen schien ich zu verglühen. Aber der Versuch meine Hand dazu zu nutzen, seinen Arm zu heben, scheiterte kläglich. Ich bräuchte zwei Hände dazu. Nein, vier. Sollte ich ihn aufwecken? Was, wenn er erst vor kurzem eingeschlafen war? Ich wollte seine Ruhe nicht stören. Einen schlafenden Wolf weckte man nicht.