Hanabi
Taiga stellte uns alle vor und erst jetzt erkannte ich den Mann, mit dem sie gestern getanzt hatte. Gestern war er mir nicht so aufgefallen, aber jetzt schien er ehrliches Interesse an ihr entwickelt zu haben. Sonst wäre er nicht hier. Und er würde sie nicht danach fragen, ob Fenrir und ich das einzige Pärchen waren. Malevor schien ihn einzuschüchtern, denn immer wieder glitt sein Blick zu ihm. Trotzdem fasste er Mut und wollte sie heute Abend ausführen. Meine Schwesterfreundin war eben sehr gefragt. Immerhin war sie bildhübsch und hatte einen wundervollen Charakter. Ich wünschte, Malevor würde sie genauso sehen. Als eine Frau, die es zu erobern galt, aber ich verstand, dass er Kummer im Herzen trug und ihn vielleicht dieses Thema abschreckte. Oder dass er damit nichts zu tun haben wollte.
Deshalb überraschte es mich nicht, als er meinte, Taiga könne für sich selbst entscheiden, wie sie ihren Abend verbringen wollte. Jedoch war mir nicht der Ausdruck "schön" entgangen. Hatte er das einfach so gesagt oder steckte mehr dahinter? Außerdem fand ich es eigenartig, dass er plötzlich beschloss alleine spazieren zu gehen. Vorhin hatte es ihn nicht gestört... Nachdenklich schaute ich ihm hinterher. Dann neigte ich den Kopf zur Seite, sodass ich Fenrir ansehen konnte. >Ist alles in Ordnung mit ihm?<
Malevor
Es dauerte nicht lange, bis Taiga uns offiziell vorstellte, weil es den Kerl natürlich brennend interessierte, ob er eine Chance bei ihr hatte. Sie war nicht in einer Beziehung wie Hanabi und Fenrir. Das spielte ihm genau in die Karten. Ein großer Teil in mir hätte ihn am liebsten am Nacken gepackt und über Bord geworfen. Zwei Sekunden, mehr wäre gar nicht nötig. Der rationale Teil hingegen erinnerte mich daran, dass sie nicht mein Besitz war. >Taiga ist eine unabhängige, schöne Frau. Sie benötigt nicht unsere Erlaubnis, um Spaß zu haben.< erwiderte ich neutral und drückte mich mit den Händen von der Reling ab. Ich wollte ihre Antwort nicht hören. Sonst befürchtete ich, dass ich entweder etwas Dummes sagen oder tun würde. Und Dummheit stand mir nicht. Ich überließ nur ungern meinen triebhaften die Gedanken die Kontrolle über mein Verhalten. >Ich gehe noch etwas spazieren, bis später.<
Dadurch, dass wir durch die Wolken flogen, wurde das Sonnenlicht blockiert und bewahrte mich vor einer unangenehmen Hitzewelle. Von mir aus konnte die restliche Reise nur aus Wolken und erdigen Gerüchen bestehen. Dann konnte ich mich draußen aufhalten, frische Luft einatmen und den Wind in meinem Gesicht genießen. An Deck fühlte ich mich wesentlich freier als in Hildegards Bauch. Zumal das Bett in der Kajüte viel zu klein war, um einfach dazuliegen und zu entspannen. Außerdem wollte Taiga nachher ihre Entwürfe für mich schneidern und ich hatte ihr gesagt, dass ich ihr dabei Gesellschaft leisten würde. Fragte sich nur, ob sie das noch tun wollte... Was der Kerl vorhatte, war mir herzlich egal, solange er mir nicht auf die Nerven ging. Wobei dafür war es längst zu spät.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ein kleines Mädchen mit Sonnenhut Wolkenfetzen hinterherjagte und fröhlich lachte. Sie war ziemlich schnell unterwegs, achtete gar nicht auf ihre Umgebung, bis eine Brise aufkam und ihr den Hut stahl. >Neeeein!< rief sie kläglich aus. Sie rannte dem Hut hinterher, der vom Wind in alle Richtungen gestoßen wurde. Einmal stolperte sie, aber sie eilte weiter, Hände nach oben gestreckt und hoffend, dass sie es doch noch schaffte. Ihr junger Wille blitzte durch ihre Aura. Im Moment war ihr nichts wichtiger, als dass sie diesen Hut einfing. Ehe ich länger darüber nachdenken konnte, bewegte ich mich darauf zu und streckte den Arm in die Höhe, bevor der Sonnenhut außer Reichweite geriet und es keine Hoffnung mehr gab. Ich bekam ihn am Rand zu fassen. Das Mädchen geriet ins Stolpern, als sie vor mir zum Stehen kam und staunend zu mir aufsah. Sie war genauso klein wie Cael.
Ich beugte mich vor und hielt ihr den Hut hin. >Dankeschön, fremder Mann.< sagte sie schüchtern. Oder sie war eingeschüchtert. Ich mochte Fenrir großgezogen haben, aber ich kannte mich trotzdem nicht gut mit Kindern aus. Sie lernten erst ihren Willen zu formen, deshalb waren sie mir nie groß aufgefallen. Sie schmeckten nicht. Ihr Blut war zu... unschuldig. >Achte besser darauf, wohin du läufst. Einen Hut kann man neu kaufen, aber ein Mädchen wie dich nicht.< gab ich ihr noch den Rat mit, bevor ich mich abwandte und den Spaziergang fortsetzte. Für mich war die Sache erledigt, allerdings nicht für das Mädchen. Sie zupfte leicht an meinem Stoffgürtel, ihre Augen immer noch ganz groß. >Mama sagt immer, dass ein Dankeschön nicht reicht. Man muss auch etwas zurückgeben.< Sie griff in die Tasche ihres Blumenkleides und hielt mir eine kleine Kugel hin. Eine Kugel aus Glas. Darin waren seltsame farbige Muster zu erkennen. >Ich habe eine Glasmurmel-Sammlung. Du darfst diese hier haben.< Ich brauchte keine Glasmurmel. Ich sah keinen Nutzen darin. Trotzdem nahm ich sie entgegen und nickte langsam. >Danke.<
Ihr Gesicht erhellte sich und mit einem Satz war sie auch schon kichernd davongelaufen. Seltsames Kind. Warum Glasmurmeln? Ich hielt sie mir näher vor die Augen und betrachtete das Farbenspiel darin. Hm. Das hatte ich vorhin nicht gesehen. Eingeschlossene Magie.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »talia« (22.05.2020, 12:53)