>Aus dem gleichen Grund, warum du auch hier bist, Mal. Wir haben einiges zu besprechen. Ich möchte nicht, dass wir im Hass auseinandergehen.< Als sie mich von der Seite ansah, musste ich schwer schlucken. Diese Augen... die gab es nur einmal in dieser und in jeder anderen Welt. Augen der Sonne. Lebendige Flammen. Ich schaute wieder stur nach vorne und betrat den Raum, in den sie uns führte. Ein Musikraum. Was sonst. Hier drin fühlte sie sich wohl. Inmitten all der Instrumente. Taiga würde es hier auch gefallen. Da war ich mir sicher. Diese Leidenschaft teilte sie mit Sury. Leider.
Ich suchte mir einen Platz nahe des Fensters, denn von dort aus hatte ich das ganze Zimmer gut im Blick. Sury hingegen nahm vor dem Klavier Platz. Eine Weile lang herrschte totes Schweigen zwischen uns, bis ich die Stille durchbrach, weil ich es für richtig hielt, dass ich den Anfang machte. Immerhin war ich derjenige, dessen Herz gebrochen worden war. Nicht das ihre, das nun für jemand anderes schlug.
>Du hast dein Versprechen nicht gehalten, Sury. Du hast weder einen Weg gefunden mich aus der Ewigen Verdammnis zu befreien noch hast du unsere Bindung zueinander in Ehren gehalten. Stattdessen hast du diesen Schattenmagier geheiratet. Du hast ihn... geheiratet.< Allein dieses Wort auszusprechen, kostete mich viel Überwindung. Ich hätte am liebsten die Zähne gefletscht, bewahrte aber die Ruhe. Noch hatte ich mich gut im Griff. Nur für wie lange?
Sury mied normalerweise niemandes Blick, auch nicht meinem, aber heute tat sie es. Sie vermied es in meine Richtung zu sehen und starrte bloß ihre Finger an, die sich auf die Tasten legten. Ohne zu spielen. >Was ich damals getan habe, war falsch. Ich hätte dir nicht zustimmen sollen, dass der einzige Ausweg die Ewige Verdammnis ist. Ich war allerdings zu dumm und zu verzweifelt gewesen, um zu erkennen, wo wirklich das Problem lag.< Ihre Stimme klang belegt. >Wir haben nicht nachgedacht. Wir haben überstürzt gehandelt, waren überfordert von der Situation. Wir haben den Fehler begangen unsere Familie auszugrenzen und sie letzten Endes mit unserer Entscheidung zerbrochen.<
>Du sprichst von Wir, aber ich war nicht derjenige, der unsere Beziehung zerstört hat. Ich habe nicht jahrhundertelang in der Ewigen Verdammnis nach Ersatz für dich gesucht. Wenn, dann hat mich der Gedanke an unsere gemeinsame Zeit, auch die mit unserer Familie, mich nicht wahnsinnig werden lassen. Ich habe gehofft, dass jeder Tag der Tag sein könnte, an dem du oder die anderen mich befreit.< Kaltes Eis sprach aus mir. >Aber dieser Tag kam nie. Stattdessen wurde ich von einem mythischen Wesen der Dunkelheit dazu manipuliert diese Welt zu zerstören. Und dich mit dazu. Anfangs wollte ich nicht glauben, dass du dich auf einen Sterblichen eingelassen hast, dass deine Liebe zu mir bedingungslos ist. Dass nicht einmal die Zeit diesen Bund zerstören kann. Doch du hast es zugelassen.<
Bei diesen harschen Worten zuckte sie zusammen. Ich bereute keines davon. O nein, ich kam erst richtig in Fahrt. >Damals wolltest du mir unbedingt zeigen, wie sehr es sich lohnt im Licht zu wandeln. Wie wunderbar die Welt ist, in der du lebst und dass man dort jederzeit willkommen ist. Du hast gesehen, dass in mir keine Flamme des Lebens pulsiert, kein Herzenslicht im ursprünglichen Sinn. Hoffnung ist etwas, was ich nicht empfinden kann und trotzdem hattest du es dir zur Aufgabe gemacht mir genau das beizubringen.< Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich mich vorbeugte und sie aus eiserner Miene direkt ansah. Diesmal erwiderte sie den Blick. Tapfer wie früher. Aber da lag auch Angst in ihren von der Sonne gezeichneten Augen. Angst vor dem, was ich als Nächstes sagen würde. >Was glaubst du, was ich von Hoffnung halte, wenn ich in eine Welt voller Enttäuschungen entlassen werde und von dieser wichtigen Person dermaßen hintergangen werde, dass ich mir am liebsten das hier...< Ich zeigte auf meine Brust. Dort, wo mein Herz wie wild gegen seinen Käfig aus Knochen schlug. >...rausreißen und vernichten möchte? Hast du die geringste Ahnung, wie es ist, ständig in der Dunkelheit zu wandeln, den Worten einer Lichtgeborenen ausnahmsweise zu vertrauen und letzten Endes von ihr verstoßen zu werden?<
>Ich habe dich nie verstoßen, Mal!< erwiderte sie voller Inbrunst. Ihre Aura brannte plötzlich wie Feuer und sie wirkte nicht mehr so zurückhaltend wie zuvor. Auch sie kam nun in Fahrt. >Ich habe nie aufgehört dich zu lieben. Nie aufgehört an dich und dein Wohlergehen zu denken. Du bist mir nach wie vor sehr wichtig, ob du es glauben magst oder nicht. Ich habe lange damit gerungen, mich überhaupt auf Akela einzulassen, einfach aus dem Grund, weil ich keinen erneuten Verlust ertragen konnte. Und ja... ich habe mich anfangs sehr schlecht gefühlt, weil ich mir selbst wie die schlimmste Verräterin des Jahrtausends vorkam. Aber in unseren langen Leben sind wir durchaus in der Lage mehr als bloß einmal zu lieben. Wir dürfen uns neu verlieben. Wir dürfen neu anfangen. Hätte ich einen Weg gekannt, um dich aus der Ewigen Verdammnis zu befreien, hätte ich es getan! Nichts lieber als das. Zu wissen, dass ich munter und froh auf der Erde wandeln kann, während du deine Zeit in der Hölle einsam absitzen musst, hat mich innerlich zerfressen. Genau wie der Hass von Fenrir. Er war mir genauso wichtig. Und trotzdem habe ich es zugelassen, dass er mich jagt, dass er mich mit seinem Hass verfolgt, weil ich wusste, dass ich genau das verdiene. Aber Akela... er... er hat mir in all dem Chaos einen Sinn geschenkt. Einen Sinn, wofür es sich zu kämpfen lohnt und welcher der richtige Weg für mich ist.<
>Ein Weg, den du zusammen mit ihm gehst. Weil du ihn offenbar mehr liebst.< sagte ich verbittert. Als daraufhin Tränen in ihre Augen stiegen, sah ich weg und hinaus aus dem Fenster. Weiße Wolken, wohin das Auge reichte. Was für eine Verschwendung von Aussicht. >Heißt das also, es ist endgültig vorbei? Dass er derjenige ist, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen willst?< In dem Moment, als ich diese Frage stellte, wurde es in meinem Herzen ganz schwer und es fühlte sich an, als würde man mich von innen aushöhlen. All die Splitter... sie schmerzten wie damals, als meine Seele wegen all des Drucks zerbarst.
Sury zögerte nur wenige Sekunden. Grund genug, dass ich ihr Glauben schenkte, als sie antwortete: >Ja... ja, er ist der Mann, mit dem ich zusammen sein möchte. Nicht, weil ich ihn mehr liebe. Das ist nämlich kein Wettbewerb, Mal.< Ihre Stimme zitterte inzwischen. >Sondern weil er der Richtige für mich ist. Es ist schwer zu beschreiben, was genau ich damit meine, aber ich hoffe, dass du eines Tages dieselbe Erfahrung machst, um mich zu verstehen. Um zu verstehen, dass ich dir nicht absichtlich das Herz brechen wollte. Mal, bitte...<
Ihr Schluchzen war es, welches mich dazu brachte wieder in ihre Richtung zu blicken. Auch in meinen Augen spürte ich das verdächtige Brennen und dabei beließ ich es. Tränen würde ich nicht vergießen. >Wenn du glaubst, dass ich nach dieser Erfahrung noch irgendjemandem vertraue, irrst du dich gewaltig. Diese Hoffnung, die angeblich wichtig ist, ist mit dir gestorben, Sury.<
Damit stand ich auf, bereit dieses Zimmer zu verlassen, doch sie hielt mich mit der Hand an meiner Brust davon ab. Diese Berührung... sie schmerzte mehr als mein damaliger Tod durch ihr Licht. >Sag sowas nicht. Gib nicht auf, Mal. Du kannst unmöglich dein Glück von mir abhängig machen. Das kannst du mir nicht antun. Und dir ebenso wenig.< Ich hasste es, sie weinen zu sehen und gleichzeitig verschaffte es mir eine Genugtuung, die der dunkle Teil in mir gierig aufsog. >Du bist auf einem guten Weg. Besser als je zuvor und das hast du ohne mich geschafft. Ich weiß nicht genau, was zwischen Taiga und dir läuft, aber sie ist ein gutes Mädchen. Sie- <
>Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Natürlich habe ich ohne dich überlebt. Natürlich kann ich noch auf beiden Beinen stehen, ohne dass du an meiner Seite bist. Und dabei bleibt es auch.<
>Was meinst du damit?< Sie ließ ihre Hand sinken und wirkte trauriger als je zuvor.
Ohne mit der Wimper zu zucken, sah ich sie an und sagte: >Dass unsere Wege sich hier wieder trennen. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Taiga mag zwar unweigerlich ein Teil deines Lebens sein, aber das heißt nicht, dass ich das auch sein muss. Du hast die ganze Zeit von Familie gesprochen, nur sind wir das nicht mehr. Schlag dir das endlich aus dem Kopf, Sury.< Ich schob mich an ihr vorbei und griff nach dem Türknauf. Hielt inne. Etwas in mir wollte noch etwas klarstellen, bevor ich ihr endgültig den Rücken zukehrte. >Trotz allem sehe ich dich nicht als Feind, aber auch nicht als Freund. Werd glücklich mit deinem neuen Leben, nur tu das weit weg von mir.<