Hanabi
Mit Pflanzen kommunizieren und den Raum beherrschen... Ja, davon hatte ich schon gehört. Allerdings fühlte es sich nicht an, als könnte ich das tun. Als hätte ich die Macht dazu. Es war schwer zu beschreiben. Aber der Beweis einer Verbindung zu diesem Baum wuchs zu meinen Füßen. Wunderschöne Sternenglöckchen, die sonst nur in Hana'yei wuchsen und ihre Blüten bei Nacht zeigten, wenn das Mondlicht sie berührte. Ich beugte mich vor, fuhr mit den Fingerspitzen durch das weiße Meer und lächelte still vor mich hin. Ich musste nicht verstehen, was gerade passiert war. Früher oder später würde ich herausfinden, zu was ich fähig war.
>Wir können gehen. Dieser Moment war zwar besonders, aber... mehr habe ich nicht gespürt.< sagte ich an die beiden Männer gewandt. Gleichzeitig war ich froh darüber, dass uns niemand angegriffen hatte. In diesem Land war genug Blut geflossen. Das war ein Ort des Friedens, nicht des Kampfes. Dabei sollte es bleiben. >Wenn möglich, würde ich auch gerne den Baum aufsuchen, wo Alitas Leben begonnen hat. Ich schätze, dass das ebenfalls ein wichtiger Anhaltspunkt ist.< Mein Blick fiel auf Kenai. >Allerdings weiß ich nicht, ob es dir erlaubt ist mitzukommen. Menschen sind in Hana'yei verboten.< Dass Silias Gefährte dort leben durfte, war mir ein Rätsel, aber sie hatte sich bestimmt die Erlaubnis von ihrer Schöpferin eingeholt. Eine sehr schwierige Aufgabe...
Malevor
Taigas Schwester sorgte dafür, dass sie gut versteckt zwischen den Rosenbüschen waren und das gab mir ein bisschen Frieden in Gedanken, weil ich mich nun auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten konnte. Ich bezweifelte, dass ich bloß ein paar nette Worte wechseln würde. Meine Art regelte Angelegenheiten mit Gewalt, nicht mit Worten. Nur so erlangte man den höchsten Platz in der Hierarchie. Da Fenrir und ich die Spitze bildeten, wollten uns jetzt gefühlt alle herausfordern, um den Ruhm zu ernten. War ihnen aber nicht klar, dass das Leben als Favorit des Schöpfers alles andere als perfekt war? Ich würde gerne tauschen, doch nur dann, wenn mein Gegenüber sich als würdig erwies. Da das bislang auf niemanden zutraf, würde ich weiterhin meinen Platz als Alpha verteidigen. Und da Taiga zur Familie gehörte, musste sie beschützt werden.
Ich stellte mich etwas breitbeiniger hin, fand einen stabilen Halt und fixierte die Lücke zwischen den Bäumen, aus der ich den Animagi kommen spürte. Natürlich handelte es sich um einen dunklen Animagi. Hier in Hana'yei würde mir mein Schöpfer wohl kaum eine Handvoll Indras als Willkommensgeschenk schicken. O nein. Er meinte es ernst.
Ein leichtes Beben ging durch den Boden und als in der Ferne ein Baum laut krachend in sich zusammenfiel, ballte ich die Hände zu Fäusten. Diesen Ort hätte mein Gegner nie aufsuchen sollen. Es war ein Gebiet mit friedvollen Kreaturen, ein Zentrum reiner Energie. Allein des Gleichgewichts wegen hätte ich hier nie einen Fuß gesetzt. Als Dunkelgeborener musste man auch vor diesen Dingen Respekt haben. Leider hatten sich die Umstände geändert, denn mein neuer Gegner hatte nur Zerstörung im Sinn. Der nächste Baum fiel und ich erhaschte einen Blick auf seine Gestalt. Die Kleidung, die er trug, erinnerte mich an die von Fenrir. Traditionell gehalten. Weit ausgeschnitten. Viel Bewegungsfreiheit. Langes, weißgoldenes Haar, teilweise zu einem Zopf gebunden. Dann schweifte sein Geruch zu mir herüber und... ich stieß ein bedrohliches Knurren aus. An ihm haftete der Duft von Cyrill. Sofort packte mich die kalte Wut. Die Stille in mir wurde ganz laut und ich musste mich stark zusammenreißen, um diesen Kerl nicht auf der Stelle brutal abzuschlachten. Erst brauchte ich ein paar Antworten.
>Sieh an, sieh an. Da ist er ja.< Seine Stimme ging mir jetzt schon gehörig auf die Nerven. >Wenn das nicht die Bestie aus Nycht'ia ist.<
Hm. Diese Bezeichnung hatte ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr gehört. Ich hätte es beinahe vergessen. Diese "süße" Zeit, in der ich meinesgleichen in Revierkämpfen getötet hatte, um die Spitze der Hierarchie zu erreichen. Offenbar erinnerte er sich daran. Er war kein Neuling. Ihn würde ich demnach nicht unterschätzen.