Ryu
In kurzen Worte erklärte die Verwandte von Roselyn ihr was sich zusammengetragen hatte und sie nickte verstehend. Dann stellte mein bester Freund die entscheidende Frage und aufmerksam sah ich den Gründer an. Dieses Jahr soll die Zukunft bestimmen? Das klang alles Anderes als gut und ich hoffte inständig, die Prophezeiung konnte uns durch Ileas Hilfe sagen, was wir machen mussten, um den Kaiser zum Fall zu bringen. Dann wurde das besonderes Fest erklärt und ich erinnerte mich daran, dass in meiner Heimat auch Lebewesen gab, die zu bestimmte Mondphasen oder Sonnenphasen stärker wurden. Besonders bei den Animagis war es so. "Wir haben also noch etwas Zeit, bevor es zum entscheidende Schlacht kommt und dadurch können wir uns vorbereiten", stellte ich fest. Natürlich wusste man nie, was noch dazwischen kommen konnte, aber daran wollte ich nicht denken. Roselyn begann unruhig zu rutschen und rieb über ihrem Brustkorb, gleichzeitig wirkte ihr Blick abwesend. "Ist alles in Ordnung?", erkundigte ich mich. Sie blinzelte kurz, dann huschten ihre Augen kurz zu Cael und schließlich zu mir: "Ich spüre etwas über die Verbindung, es fühlt sich ein wenig seltsam an. Aber bestimmt hat es mit dieser Barriere zu tun."
Ilea
Tief atmete ich ein und schaute noch einmal zu den Seelensammlern, die um dem Seelenbaum herumschwirrten. Ich konnte die besondere Energie spüren, spürte das leichte Zupfen in mir und meine eigene Magie regte sich. Doch ich war aus einem anderen Grund hier, auch wenn ich mehr über diese Welt erfahren wollte. "Du wolltest mich wegen der Prophezeiung sprechen. Du hast es gewusst, dass ich hierher kommen werde. Was hat all das zu bedeuten? Und warum kann ich plötzlich wieder hören?", ich sah meine Mutter direkt an. Es lagen noch mehr Fragen auf meiner Zunge, doch das hier waren wichtigere Fragen, als meine persönliche Gefühle in Bezug auf sie. "Die Prophezeiung ist von Anfang an deine Bestimmung, denn das Schicksal hat dich dazu auserwählt", antwortete sie ruhig, doch gleichzeitig lag eine Schwere in ihre Augen: "Jede Zukunftsvision hat dich dorthin geführt, ich habe keinen anderen Weg gesehen. Dein feines Gehör ist ein Teil von deiner Gabe und als damals die erschaffene Seuche in deinem Dorf kam, sollte sie die Magis vor ihrer Volljährigkeit schwächen, während die anderen Menschen teilweise daran gestorben sind, zu schwach um dagegen anzukämpfen. Die höhere Macht, die die Prophezeiung gewebt hat, scheint dich geheilt zu haben und ich kann den Nachhall göttlicher Präsenz an dir spüren." Es überraschte mich nicht, dass sie von der Seuche damals wusste, aber es ließ einen Beigeschmack zurück, weil sie trotz dieses Wissens nicht zu uns zurückgekehrt war. In dieser Zeit hätte ich besonders eine Mutter gebraucht. Aber ich wollte mich jetzt nicht von meine Gefühlen leiten lassen: "Ich habe deine Botschaft in der Bibliothek erhalten. Da hast du von dieser Bestimmung gesprochen und mir nahe gelegt mich nicht mit Cael zu verbinden. Warum?" "Setzt dich, bitte", sie nahm selbst Platz vor dem Baum und etwas widerwillig folgte ich ihrer Bitte. "Du weiß, ich sehe Zukunftsvisionen und jede kleinste Abweichung kann zu eine andere Vision führen. Schließt sich eine Tür, können sich andere Türen öffnen. Es gibt unklaren und klaren Visionen. Die klaren Visionen führen manchmal am Ende zu der gleiche Tür, trotz all den Abweichungen. Es gibt auch Visionen, die sich mir erst spät zeigen und höchstens nur angedeutet oder manche Visionen bleiben im dichten Nebel, sodass ich deren Ausgang nicht kenne. Kaiser Oda ist zum Beispiel im dichten Nebel eingehüllt und selbst für mich ist es gefährlich mich dort zu irren. Bei dir gibt es eine klare Vision, ich habe immer am Ende dich mit der Prophezeiung gesehen und sobald du dich mit der Prophezeiung verbindest, ist danach nichts. Es ist als würdest du aufhören zu existieren. Ich habe versucht eine Vision zu finden, wo es nicht geschieht, aber ich war erfolglos. Ich muss annehmen, dass du dich opfern wirst. In einer Vision wird Cael es nicht gut verkraften, seine Schattenmagie wird außer Kontrolle geraten und das kann für die Stadt gefährlich werden. Ich habe gehofft meine Warnung könnte etwas bewirken, aber ein roter Faden kann man nicht reißen. Eure Seelen sind eng miteinander verbunden, egal wo und egal wann, ihr wäret euch begegnet. Es tut mir leid, welche Bürde ich dir auferlegen muss." Geschockt starrte ich sie an und versuchte zu verstehen, was sie mir gerade erzählt hatte. Ich würde nicht mehr existieren? War mein Weg hier etwa das Ende? Das konnte nicht sein. Es musste einen anderen Weg geben, vielleicht hatte meine Mutter es nur noch nicht gesehen. Mein Körper begann zu zittern und meine Kehle schnürte sich zu. Meine Hände krallten sich in meinem Schoß. "Was....was passiert, wenn ich es ablehne?", stieß ich hervor, bestimmt gab es auch diese Vision. "Dann ist der Untergang gewiss", antwortete sie: "Die Dunkelheit wird über uns brechen. Du bist der Schlüssel und die Prophezeiung die Tür, durch die wir gehen müssen. Denn dahinter liegt die Antwort, wie Kaiser Oda gebrochen werden kann." Die Welt begann sich zu drehen, immer schneller und in meine Ohren rauschte es laut. "Warum ich? Warum diese Ungerechtigkeit?", keuchte ich schwer und meine Augen brannten. So viel Schmerz. So viel Leid. So viele Kämpfe. So viele Verluste. Cael war immer meine Zukunft gewesen, die Hoffnung auf ein glücklicheres Leben ohne all den Leid. Doch auch das sollte mir genommen werden. Eine Hand legte sich auf meine Schulter: "Es tut mir so leid, ich habe es versucht dir dieses Schicksal zu ersparen. Aber ich konnte dir nur ein paar Jahren schenken, doch auch sie waren schwer gewesen." Bildete ich es mir ein oder hörte ich den Schmerz in ihrer Stimme? Blinzelnd schaute ich auf und als sie mir ihre Arme öffnete mit den Augen voller Mitgefühl, konnte ich es nicht anders. Ich warf mich in ihnen und aus meine tiefste Seele kamen die Schluchzern, brachten mein Körper zum Beben. Wir kannten Beide die Wahrheit: Ich würde diesen Weg weiterschreiten, denn ich könnte niemals all die Lebewesen, die unsere Hilfe brauchten, in Stich lassen. Mein Herz brach, immer ein Stück mehr, weil ich dafür all die Menschen, die ich liebte und mein Leben zurücklassen musste. Bei den Gedanke an Cael brach mein Herz endgültig, denn ich würde ihm auch das Herz brechen.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Feder« (16.06.2022, 20:43)