Ryu
In meinem Herz wurde es warm, als sich ein Lächeln auf ihre Lippen zeichnete und der Schrecken dieses Tages einen kurzen Moment ins Hintergrund rückte. Wir brauchten solche kleine Momente, die uns kurz die Sorgen vergessen und ein bisschen glücklicher fühlen ließen. Nur so schaffte man es weiterzumachen ohne dabei die Hoffnung zu verlieren. Diese Lichtblicke waren wichtig. Der Wind gehorchte auf das Wort, schmiegte sich wie ein Liebhaber eng an Imesha, sodass ich beinahe eifersüchtig auf ihn wurde. Dann webte ich in dem willigen Wind einen Zauber, damit Imesha selbstbestimmt fliegen konnte und ich spürte die Verbundenheit zu der Luftmagie, denn sie nährte sich von meiner Energie, damit der Zauber wirksam sein konnte. Aber es kostete mich nicht viel, denn hier gab es genug Luft und so wie sie sich an mir bediente, so bediente ich mich auch an ihr. "Egon, du kannst auf die Jagd machen. Wir werden dort hinten bei dem Baum sein", wandte ich mich an meinem treuen Tiergefährten. Ich wusste, dass er nach all der Zeit diese Freiheit brauchte. Er mochte zahm wirken, aber er war kein Haustier. Die Wildnis würde immer in seinem Herz schlagen und niemals würde ich es ihm nehmen. Sofort sprang der Feuersalamander von mir hinunter und verschwand zwischen den Büschen. Hier war er sicher genug und hier gab es keinen kalten, verschneiten Ort. "Dann lass uns fliegen", lächelte ich Imesha an und stieß mich in die Luft.
Ilea
Früher hatte ich Bücher und Pergamentrollen bewundert, sie waren ein teures Gut und manche Werke gar selten. Besonders die Bücher galten als Kostbarkeiten. Ich hatte stets Ehrfurcht vor den Buchstaben empfunden, war fasziniert von dem all den Wissen, die uns manchmal fehlte. Besonders die Bücher über heilende Pflanzen hatten mich inspiriert, mich zu einer Heilerin ausgebildet. Aber jetzt machte mir die Bücher in dieser Bibliothek Furcht, denn an ihnen klebten Jahrhunderte alten Erinnerungen. Ohne Aiko wusste ich nicht, ob ich noch die Kontrolle beibehalten hätte. Außerdem war hier der Ort gewesen, an dem ich mich beinahe endgültig verloren hätte. Mein Blick glitt über die Regale: "Mir kommt der Name vertraut vor. Also nicht mir, sondern diese Vertrautheit gehört einer der Götter. Es ist einer ihrer Erinnerungen, glaube ich." Ich ging zu einem Regal und berührte es, dann formte ich den Namen: "Nanashi." Da war wieder dieses verschwommenes Flackern vor meine innere Augen. Und ich hörte ein schläfriges Flüstern, das aufzuwachen schien. Ich schloss meine Augen und sah ein Gesicht.