Cael
In meiner Heimat war ich oft auf Reisen gewesen und hatte viele verschiedene Bräuche und Traditionen kennengelernt, die über Jahrhunderte hinweg gepflegt wurden. Dieser rituelle Abschied stellte eine Mischung aus meinen bisherigen Erfahrungen dar und ich war fasziniert davon. Gleichzeitig spürte ich den schweren Kummer der Leute, während sie die Laternen fest in den Händen hielten und auf ein Signal zu warten schienen. Die Priesterinnen hatten indes einen langsamen, eleganten Tanz begonnen, der um den Baum herumführte, während sie gemeinsam ein sanftes Lied sangen. Mir gefiel der Harmonie der Gruppe. Sie sangen aus ihrem Herzen heraus. Das spürte ich. Die anderen Anwesenden bestimmt auch.
Hier und da hörte ich zudem verhaltenes Schniefen oder leise Stimmen, die mitsangen. Ich verstand nicht den genauen Wortlaut, konzentrierte mich nicht darauf, sondern mehr auf das Gefühl, das sich wie eine warme Decke über uns ausbreitete. Als dann das Läuten der Glöckchen lauter wurde, hoben die Menschen ihre Laternen und ließen sie gemeinsam in den Himmel steigen. Wunderschön...
Imesha
Die Zeremonie begann auf wundervolle Weise und ich spürte die ersten Tränen in meinen Augen brennen. Normalerweise hatte ich mich besser im Griff, doch die Musik, der sanfte Tanz, der Baum, den alle so ehrten und respektierten... Mich berührte das zutiefst. Ich blinzelte mehrmals, um keine Sekunde zu verpassen und legte wenig später den Kopf in den Nacken, als die ersten Laternen emporstiegen. Bilder aus der Vergangenheit mischten sich mit den heutigen und mir wurde schwer ums Herz. In Gedanken schickte ich meine herzlichsten Gebete an alle, die ihr Leben für das Gute geopfert hatten; Motaro, Sumire und den Baum mit eingeschlossen.
Das Klingeln der Glöckchen ließ allmählich nach, die Priesterinnen versammelten sich wieder in der Mitte, sprachen ihre Gebete und machten dann Platz für eine andere Gruppe, die von Amara angeführt wurde. Irgendwie hatte ich sie aus den Augen verloren und stellte überrascht fest, dass fast alle unter ihnen denselben Hautton wie ich trugen. In der Palaststadt war ich eine Rarität gewesen, hier allerdings traf ich auf so viele mehr und das machte irgendetwas mit mir. War es Erleichterung? Unglaube? Verbundenheit?