Cael
Ich beschloss allen Leuten einen kurzen Besuch abzustatten, die mir in den letzten Wochen ans Herz gewachsen sind, damit ich guten Gewissens an anderer Stelle anpacken konnte. Aus diesem Grund steuerte ich erst das Geschäft von Misaki an. Ich hoffte, sie dort vorzufinden. Aus unseren Gesprächen wusste ich, dass sie Familie hatte und einige von ihnen zu den Kämpfern gehörten. Hoffentlich hatten es alle heil zurück auf die Insel geschafft. Mehr Verluste würden den tiefen Kummer nur verstärken.
Allerdings fand ich niemanden im Laden vor. Die Tür war verschlossen, der Innenraum in Dunkelheit getaucht. Ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war? Vielleicht sollte ich als Nächstes meinen Mentor aufsuchen und ihn fragen. Er wusste immer gut Bescheid, aber auch sein Geschäft war geschlossen. Langsam machte ich mir Sorgen. Erst recht, als ich an die Kinder dachte. Ich könnte mehr Glück bei den größeren Plätzen haben. Wenn alle mit anpackten, um die geretteten Dorfbewohner zu betreuen, würde ich dort auf vertraute Gesichter treffen. Mit dieser Hoffnung setzte ich meinen Weg zum nächstliegenden Sammelplatz fort. Dabei begegnete ich vielen gestresst wirkenden Bewohnern, einige müde und abgekämpft. Trotzdem schleppten sie sich voran, um dort zu helfen, wo sie benötigt wurden. In Zeiten wie diesen fiel mir auf, wie ähnlich die Mentalität der Bewohner Mahomashus der aus meiner Heimat war. Nicht wie in der Palaststadt, wo man ignoriert wurde und Misstrauen an der Tagesordnung stand.
Imesha
Dankbar für Ileas Worte drückte ich sanft ihre Schulter und machte mich anschließend auf die Suche nach Amara und Rakurai. Ich vermutete mindestens einen von ihnen am Hafen anzutreffen. Dort war am meisten los und ich bezweifelte, dass alle Arbeiten erledigt waren. Nach wie vor herrschte viel Aufruhr und es gab viel zu tun. Hauptsache, das Schlimmste war unter Kontrolle und wir konnten uns von den Strapazen des letzten Tages einigermaßen erholen.
Nach diesem einschneidenden Erlebnis war ich mehr als bereit für den nächsten großen Schritt. Ich hatte es lange genug vor mir hergeschoben, aber mir wurde zu oft bewiesen, dass Zeit sehr wertvoll war. Ich durfte sie nicht nutzlos verstreichen lassen, egal wie schlecht es mir manchmal ging. In Zeiten wie diesen musste ich die Zähne fest zusammenbeißen und durchhalten. Darauf hoffen, dass ich einen Punkt erreichte, an dem ich mich erholen und heilen durfte. Bis dahin würde ich weiter an mir arbeiten und dafür benötigte ich Hilfe. Zum Glück musste ich nicht lange danach suchen, denn ich lag mit meiner Vermutung richtig. Rakurai war damit beschäftigt Anweisungen zu erteilen, bis ich ihn dabei unterbrach und er sich mir zuwandte. >Imesha, geht es dir gut?< erkundigte er sich leicht besorgt.
Ich nickte langsam. >Es war ein aufregender Morgen. Gawain ist endlich aufgewacht. Ilea und die Hohepriesterin konnten ihm helfen.<
>Maiwenn war auch vor Ort?< fragte er ein wenig überrascht.
Wieder nickte ich. >Er schläft jetzt und muss sich erholen. Alle anderen sind auch beschäftigt, deswegen wollte ich die Zeit nutzen und dich um einen großen Gefallen bitten.<
>Natürlich, sehr gerne.<
Kurz atmete ich tief durch, dann sah ich ihn direkt an. >Ich bin bereit das Biestflüstern zu erlernen. Mein Vater hat mir dieses Erbe vermacht und wenn ich das irgendwie einsetzen kann, um andere zu beschützen, dann will ich stärker werden.<
>Das ist eine noble Einstellung, Imesha. Ich werde dir alles beibringen, was ich weiß.< Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. >Deine Eltern wären sehr stolz auf dich.<