Cael
Das Sprichwort kannte ich: Zeit heilt alle Wunden. Nur wüsste ich zu gerne, wie lange es dauerte, bis meine Wunden heilten. Ich mochte diesen Zustand nicht. Ich ging mir damit selbst auf die Nerven, weil ich mich anders kannte. Man könnte fast meinen, ich fühlte mich in meiner eigenen Haut unwohl und das war mir wirklich noch nie passiert. Dabei vereinte ich sowohl Dunkelheit als auch Licht in mir. Gerade ich müsste wissen, wie man die Balance zwischen diesen Gegensätzen aufrechterhielt, aber niemand hatte mir das Handbuch über die Liebe in die Hand gedrückt. In dem Bereich gab es weder Warnschilder noch Heilzauber.
Vielleicht hatte Ryu recht und es war Süßes, das mir dabei helfen würde meinen Frust loszuwerden. Wenn es ihm damals geholfen hatte, warum nicht auch mir? >Na gut, ich probiere alles, damit ich mich endlich besser fühle.< willigte ich ein und folgte ihm ins duftende Geschäft.
Imesha
Je näher ich dem Gasthaus kam, desto bildlicher sah ich den Abend vor mir, als ich hier gesessen und unfassbar guter Musik zugehört hatte. Ich erinnerte mich an das leckere Essen, an den guten Tee, an die lachenden Gesichter der Gäste und wie einige von ihnen unbeschwert tanzten. Egal, ob es gut aussah oder nicht. Es war ein schöner Abend gewesen, bis mein Fund alles zunichte gemacht hatte. So war es in meinem Leben. Sobald ich nur einen Hauch Gutes für mich entdeckte, machte ich es mir selbst kaputt oder äußere Umstände sorgten dafür, dass ich es verlor. Dass es mir in unerreichbare Weite entglitt. Wie gut, dass das bald ein Ende fand.
Ich stieg die wenigen Treppen hinauf zur Haupteingangstür und trat nach einem tiefen Atemzug ein. Da ich Ryu im Archiv vermutete, dürfte ich ihm nicht über den Weg laufen. So war es gewollt. Ich war hauptsächlich wegen der jungen Frau hier und hoffte, dass sie mein Geschenk ohne Protest annahm. Wäre ich ihr doch früher begegnet, dann hätte ich zum einen mehr helfen können und zum anderen hätte ich mehr von ihren Produkten getestet. Es stand außer Frage, dass sie großes Talent besaß. Wie der blonde Musiker, der hier ebenfalls hauste. Als ich aber ins Innere trat, erschreckte es mich fast schon, dass niemand hier war. Kein Gast, keine Wärme, keine Musik, keine lachenden Gesichter. Es kam mir vor, als wäre der Abend damals gar nicht passiert, sondern nur das Produkt meiner Fantasie.
Da ich wusste, wo sich das Geschäft befand, brauchte ich nicht nach dem Weg fragen, sondern steuerte direkt auf den offenen Türbogen zu, hinter dem ich vertraute Gerüche wahrnahm. Mehr Kräuter.