Gute Nacht
Cael
Als sich die Tür öffnete, musterte ich Ilea und musste unwillkürlich lächeln. Dann fiel mein Blick auf Imesha und das Lächeln schwand ein wenig, weil ihr die Hoffnungslosigkeit anzusehen war. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass sie sich gleich am nächsten Tag wie neugeboren fühlte. Sie hatte ein sehr traumatisches Erlebnis hinter sich und musste sich nun auch mit einem dunklen Fluch herumschlagen. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich mich an ihrer Stelle fühlen würde.
Sie trat etwas zögerlich ein, sah erst zu Ryu, dann zu mir und begrüßte uns mit einem knappen Nicken. Diesen Moment nutzte ich, um das Wort zu ergreifen. >Du kannst die Einrichtung nach Belieben ändern. Wir wollten nicht, dass du in ein Zimmer ziehst, das kalt und leer wirkt. Ilea hat dir bestimmt gesagt, dass es zudem von innen und von außen sicher vor Magie ist. Gerade wegen des Fluchs ist das wichtig.< Ihre dunklen Augen musterten mich aufmerksam, ließen jedoch nicht erahnen, was dabei in ihrem Kopf vorging. Sie stand einfach nur da und ich fuhr unbeirrt fort. >Was den Fluch betrifft, bin ich mehr als bereit mir das näher anzusehen. In meiner Familie gibt es jemanden, der sich damit sehr gut auskennt und vielleicht bin ich fähig dir mit diesem Wissen zu helfen. Vorausgesetzt du erlaubst das.<
Imesha
Ich musste zugeben, dass das Zimmer mich ein wenig an das meine im Palast erinnerte. Es war schlicht sowie hübsch dekoriert und ermöglichte einen Blick nach draußen in einen verschneiten Garten. Ich rechnete fest damit, dass mir dieser Anblick Unbehagen bereitete, stattdessen fühlte ich... nichts. Auch gut. Nachdem sie sich die Mühe gemacht hatten es zu versiegeln, musste ich mich nicht überwinden vorerst hier zu bleiben. Es hatte ein Bett, eine schöne Aussicht... mehr war gar nicht nötig. Dass ich immer noch nicht verstand, warum sie das für mich taten, beschäftigte mich trotzdem. Dieser Cael kam gleich zur Sache und sprach den Fluch an, der mich an den Kaiser band. Dass er sich in diesem Gebiet auskannte, sollte mir Hoffnung machen, tat es aber nicht. Erst wollte ich abwarten. Das war der sichere Weg.
Kurz wanderte mein Blick zu Ryu, der bislang nichts gesagt hatte. Seit er vor meinem Zimmer gestanden und ich ihn abgewiesen hatte, blieb er auf Distanz und das war... nett. Er bedrängte mich nicht und das half mir relativ entspannt zu bleiben. Ich konzentrierte mich wieder auf seinen Freund, der bei genauerer Betrachtung ganz anders wirkte als er. Viel... heller. Ihn umgab eine Aura ähnlich wie die von Ilea. Möglicherweise war das der Grund, wieso ich bereitwillig sein Angebot annahm. Er wollte mir helfen? Viel Glück dabei.
Sofort hellten sich seine Gesichtszüge auf, als hätte ich ihm ein Kompliment gemacht und seine Hand zeigte auf das Bett an der Wand. >Du darfst frei entscheiden, wann ich dich untersuchen soll. Dafür müsstest du dich nur hinlegen, damit es besonders für dich gemütlicher ist. Vorab möchte ich aber ehrlich zu dir sein und dich vor den Folgen eines Eingriffs warnen. Flüche zu brechen, ist eine Kunst an sich. Je nachdem wie tief er in deinem Geist verankert ist, kann es sehr schmerzhaft für dich werden. Manchmal sind sogar mehrere Eingriffe nötig. Es liegt vor allem an dir, ob du für dieses Risiko bereit bist und wie viel du aushältst.< Inzwischen war er sehr ernst geworden. Ich wusste seine Ehrlichkeit zu schätzen und dass er mir die freie Wahl ließ, ob ich diese Qual, die mir sicherlich bevorstand, erleben wollte. Unter anderen Umständen hätte ich sofort zugestimmt, doch da war wieder dieses fiese Gefühl in mir und der Druck, der mir jegliche Luft rauben wollte. Ich senkte den Blick, schüttelte langsam den Kopf und deutete auf die Tür. Fürs Erste wollte ich allein in diesem Zimmer sein. Ich musste meine Gedanken ordnen.