Cael
Es war normal, dass sie einige Fragen zu diesem Thema hatte, denn solche Eingriffe waren immer mit Risiken verbunden. Nicht nur für denjenigen, der den Fluch trug, sondern auch für den Fluchbrecher. Onkel Akela hatte mich oftmals gewarnt, dass es einige Flüche gab, die immens großen Schaden anrichteten, wenn sie gebrochen wurden, anstatt einfach mit ihnen zu leben. Das waren die ganz fiesen. Da ich Imeshas allerdings nicht kannte, wusste ich nicht, worauf wir uns beide einließen.
Sie zeigte mir beschriebene Seiten in ihrem Block, die ich gründlich las. >Du bist also wirklich eine Jägerin? Das erklärt nämlich so einiges...< Mit gerunzelter Stirn las ich weiter. >Ich kann immer noch nicht glauben, zu welchen Mitteln dieser Kaiser greift, um die völlige Kontrolle zu haben. Es tut mir wahnsinnig leid, Imesha. Niemand hat ein solches Schicksal verdient.< sagte ich tief betroffen. Nicht zuletzt hatte sie zwei sehr wertvolle Personen in ihrem Leben verloren, da wurde einem alles zu viel. Ich hatte ihr vor ein paar Tagen erklärt, dass Selbstmord dennoch kein guter Weg war, um den Qualen zu entfliehen. Es hätte sie erst recht von ihren Liebsten auseinandergerissen. Ihr Blick wurde trüb und sie zuckte leicht mit den Schultern. Wenn man erst verloren war, fand man den Weg nur schwer zurück. Das sagte ihr Ausdruck aus.
>Bist du also ganz sicher, dass du den Fluch brechen willst? Denn dann würde ich ihn mir gerne anschauen.< Es wäre gut, wenn ich mir einen ersten Überblick verschaffte und anhand dessen plante, was helfen könnte. Ich wollte keine Leichtsinnsfehler begehen.
Als sie zustimmend nickte, wies ich sie an sich hinzulegen und rutschte näher zu ihr, sodass ich auf Brusthöhe neben ihr hockte. Sie schloss die Augen und berührte ihre Stirn zum Zeichen, dass sich der Kern des Fluches dort befand. Die besten Plätze für einen Fluch waren tatsächlich der Kopf oder das Herz. Dort wirkten sie am stärksten. >Keine Sorge, es wird nicht wehtun. Vielleicht wirst du ein Ziehen spüren... oder ein Pochen. Mehr nicht.< beruhigte ich sie.
Imesha
Ich war angespannt. Obwohl ich mich für diesen Schritt bereiterklärt hatte, wurde mir ganz mulmig zumute. Mir waren die Risiken nun bewusst und es störte mich, dass ich dadurch auch Cael in Gefahr brachte. Er hätte mich auch anlügen und behaupten können, dass das Brechen von Flüchen keine Folgen für ihn hatten, aber einige von ihnen waren scheinbar sehr gefährlich. So wie ich den Kaiser kannte, hatte er sich bestimmt den schlimmsten ausgesucht. Ich wollte ungern der Grund für mehr Schaden sein.
>Entspann dich bitte.< drang seine ruhige Stimme an mein Ohr, während seine Finger federleicht über meine Stirn tanzten. Ich spürte ein kurzes Ziehen, einen leichten Druck, als würde er meinen Kopf öffnen wollen. Ein sehr seltsames Gefühl. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, aber ich versuchte meine Atmung zu kontrollieren, um dadurch ruhiger zu werden. Ich hatte keine Ahnung, was er sah. Ob er überhaupt etwas sah oder es mehr einem Gefühl glich, dem er folgte. Wäre ich nicht diejenige mit dem Fluch, hätte es mich sehr interessiert wie er gerade vorging und woher er so viel wusste. Ich wollte die magischen Fäden sehen, wollte verstehen, was vor sich ging. Das war wieder typisch für mich, denn ich gab die Kontrolle ungern an andere Leute weiter. Der Kaiser hatte mir gefühlt alles genommen, jetzt wollte ich nicht auch noch diese Sache übergeben. Zugegeben, ich konnte ganz schön kompliziert sein. Gleichzeitig war ich dankbar für die Hilfe.
>Auf den ersten Blick kann ich erkennen, dass es sich definitiv um einen sehr starken Fluch handelt. Er ist wie... wie eine Krankheit, die deinen gesamten Körper und Geist befallen hat. Das ist gar nicht gut, weil je mehr Zeit vergeht, er sich tiefer in dich hineingegraben hat. Dadurch sehe ich den Kern kaum, aber er ist da. Er ist da und ziemlich kraftvoll.< Das Gute an Cael war, dass er nichts verschönerte, sondern die knallharte Wahrheit aussprach. Klar, hätte ich mir eine bessere Diagnose gewünscht, aber jetzt wusste ich zumindest, wie es um mich stand.
Richtig übel.
Ich hörte ihn schwer seufzen. >Um den Fluch zu brechen, werde ich sehr viel Magie benötigen. Das kriege ich bestimmt hin. Was dich betrifft, wird man dich jedoch festhalten müssen. Es tut mir leid das zu sagen, aber es wird schmerzhaft werden. Gleichzeitig wirst du deines Geistes wegen an eine sehr wichtige Erinnerung halten müssen, um dich nicht zu verlieren. Das wäre sonst fatal und du so gut wie tot.<
Toll. Das klang ja noch besser. Diesmal öffnete ich die Augen, als er seine Hände zurückzog und mich mitfühlend sowie entschuldigend ansah. >Es ist dein Leben. Du entscheidest. Auf mich kannst du jedenfalls zählen. Egal, was es mich kostet, ich werde dir helfen.<
Bei seinen ernsten Worten musste ich schwer schlucken. Mir war es schleierhaft, warum man sich so sehr für mich einsetzte. Ich hatte diesen Menschen nichts gegeben. Nichts Großartiges für sie getan. Plötzlich begannen meine Augen zu brennen und sein Ausdruck wurde weich. >Dankbarkeit fühlt sich gut an, nicht wahr? Das ist schon mal etwas Gutes, an das du dich festhalten kannst, wenn es soweit ist.
<
Zittrig atmete ich aus und nickte langsam. Ja... ja, ich war bereit.