Cael
Leise vor mich hinsummend schob ich den Shoji beiseite und sah Ilea im Bett liegen. Ein Anblick, den ich zu lieben gelernt hatte. Wäre da nicht die seltsame Haltung und das Zittern, das ihren Körper durchlief. Sofort ging ich neben ihr auf die Knie, Hände auf ihrer Schulter und ihrem Arm, um sie zu mir drehen. Schmerz war das Erste, was ich in ihrem Gesicht las. >Ilea, was ist los? Wo hast du Schmerzen?<
Ich musste unwillkürlich an das Mal denken, an Mattwei und seine harschen Worte. War das sein Werk? Tat er ihr gerade weh? Wenn dem so war, würde es mich mächtig ärgern und ich wusste nicht, ob ich dann fähig wäre ihn zu retten, wenn Ileas Wohl für mich am wichtigsten war.
Imesha
Das Gesicht der Frau war leicht verschwommen, dennoch konnte ich ihren Ausdruck gut erkennen. Sie strahlte mich an. Sie freute sich über etwas, das ich getan hatte, denn sie klatschte mehrmals in die Hände, während ich selbst auf der Stelle tänzelte. Klatschte ich etwa mit? Ein Schatten blockierte daraufhin die grelle Sonne hinter ihr und zum Vorschein kam ein großer, breitschultriger Mann mit dunkler Haut und dunklen Haaren. Seine Augenfarbe konnte ich zwar nicht richtig sehen, dafür aber eine Reihe weißer Zähne, als er ebenfalls lächelte. Er war mir vertraut. Wie die Frau neben ihm. Sie streckten mir beide ihre Hand entgegen, in die ich meine eigenen, viel kleineren Hände legte. Angenehme Wärme erfüllte mich. Gleichzeitig spürte ich eine solch tiefe Sehnsucht, dass das Licht der Sonne verblasste und starkem Regen Platz machte.
Mein eigenes Schluchzen riss mich aus dem Schlaf. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich weinte. Mein Hals fühlte sich eng an, meine Augen brannten. Feuchtigkeit klebte an meinen Wangen. Ich setzte mich schniefend auf, wischte die Spuren fort und fragte mich, warum ich dauernd in Tränen ausbrach. Selbst dann, wenn ich nicht einmal den Grund dafür kannte. Was hatte dieser seltsame Traum zu bedeuten? War das eine Erinnerung? Die beiden Menschen wirkten so vertraut, gleichzeitig waren mir... fremd. Wie war das möglich? Ein Ziepen in meinem Nacken unterbrach meinen Gedankengang. Ich fasste an die pochende Stelle, seufzte schwer. Offenbar hatte ich in einer ungünstigen Position geschlafen. Außerdem stellte ich fest, dass es draußen noch dunkel war. Ich könnte mich wieder ins Bett legen und versuchen weiterzuschlafen, doch meine Blase drückte, weshalb ich schwerfällig aufstand und so leise wie möglich das Zimmer verließ.
Im Flur war es dunkel, sehr still. Alle schliefen. Im Baderaum begrüßte mich dann der einladende Duft von Ileas Kreationen, den ich tief inhalierte. Er beruhigte meine Nerven. Irgendwie war ich ganz aufgewühlt vom Traum. Mich ließen diese Bilder nicht los. Gedankenverloren wusch ich mir das Gesicht, genoss die frische Kälte des Wassers, als mich diesmal ein ganz anderes Gefühl erfasste. Es war mehr ein Reflex als eine durchdachte Handlung, als ich mit stockendem Herzen und einem Stück Kernseife herumwirbelte, um es in eine Richtung zu werfen, aus der ich geglaubt hatte ein Geräusch vernommen zu haben. Stattdessen flog die Seife ins Leere, knallte gegen die Wand und fiel in zwei Hälften zu Boden. Schweratmend starrte ich die Stelle am Boden an.