Viele Tage später...
Cael
Heute war ein mittelmäßiger Tag. Er hatte wunderbar angefangen, mit Ilea in meinen Armen und ihren weichen Lippen auf meinen. Seit wir ein Paar waren, schliefen wir keine Nacht ohne den anderen. Einerseits weil ich es liebte neben ihr einzuschlafen und aufzuwachen, anderseits weil ich mir große Sorgen um ihren Zustand machte. Wir hatten noch keine Lösung für Mattwei gefunden. Egal wie oft ich in die Zwischenwelt reiste, egal wie oft ich Ivoli darum bat etwas Hilfreiches zu finden, wir blieben erfolglos. Das frustrierte mich von Tag zu Tag mehr. Ilea litt. Sie litt so sehr, dass sie es mit einem erzwungenen Lächeln überspielte. Sie wollte mir und den anderen keine Sorgen bereiten, trotzdem fühlte ich mich unfassbar machtlos. Ich konnte ihr nicht helfen und das musste bald ein Ende finden. Koste es, was es wolle.
Mit einem tiefen Atemzug zog ich mich am niedrigsten Ast von einem der Bäume im Innenhof hoch. In letzter Zeit brauchte ich das viele Krafttraining, um den aufgestauten Stress abzubauen. Es war nicht nur die Sache mit Mattwei, die mich belastete, sondern auch der Umstand, dass es mir zunehmend schwerer fiel die Finger von Ilea zu lassen. Obwohl ich an andere Dinge denken sollte, konnte ich meine Sehnsucht nach ihrer Nähe kaum zügeln. Deshalb der viele Sport. Das war die bessere Alternative. Dabei fiel mir ein, dass auch Ryu mit verborgenen Gelüsten zu kämpfen hatte, denn wie es das Schicksal so wollte, hatte er sich in die ehemalige Jägerin verknallt. Das hatte ich irgendwie kommen sehen. Sie war exotischer als jede Tierart, die er je in seinem Leben erforscht hatte. Aus ihr wurde man schwer schlau. Deshalb hatte es mich ganz schön überrascht zu erfahren, dass sie mit dem Kaiser sehr eng und hautnah zusammengearbeitet hatte. Und dass sie Ryu wohl als ihr anderes Ich zuerst kennengelernt hatte. Damals beim Überfall. Welch Ironie des Schicksals... mal wieder.
Hätte das Schicksal noch eine ideale Lösung für meine Probleme parat, wäre ich mehr als dankbar dafür. Nur wurde man in dieser Welt eher getreten als beschenkt, darum musste ich aus eigener Kraft handeln. In Gedanken erreichte ich bereits die Zahl 102, also würden 48 weitere Klimmzüge folgen, bis ich vollends zufrieden war. Trotz der eisigen Kälte trug ich ein langärmliges Oberteil, das ich bis zu den Unterarmen hochgekrempelt hatte und die Hose lag locker an den Hüften. Mir war warm, sehr warm sogar. Demnach trainierte ich richtig. >Ist... Ilea in... ihrem Laden?< presste ich die Frage hervor, als Ivoli herbeigeflogen kam. Seine Flügel streiften mich an der Seite, es kitzelte ein wenig. Dann gurrte er bejahend. Gut. Es beruhigte meine Nerven, wenn ich wusste, dass sie in der Nähe war. Seit ein paar Tagen hatte ich nämlich das ungute Gefühl, dass sich etwas Dunkles zusammenbraute. Die Schattenmagie, die in mir floss, wurde zunehmend unruhiger. Ein schlechtes Zeichen.
Imesha
Ich drehte den Ring an meinem linken Zeigefinger und atmete tief aus. Es war immer noch ungewohnt für mich ihn tagtäglich zu tragen. Früher hatte er Motaro gehört. Es war ein Teil von ihm gewesen. Letztendlich hatte ihn nicht einmal das vor seinem Tod bewahrt, aber ich würde ihn dennoch in guter Erinnerung für ihn weiter tragen. In ihm lag ein kleiner Teil seiner Magie verborgen. Sie war mir so vertraut wie inzwischen die Pai Sho Spieleabende mit Ryu oder Ilea. In letzter Zeit häuften sich allerdings die gemeinsamen Abende mit Ryu, was wohl daran lag, dass Ilea mit Cael beschäftigt war. Die beiden waren dermaßen ineinander verliebt, dass man gar nicht mehr hinsehen wollte, weil es zu... intensiv wurde. Allerdings vertrieb das nicht die Sorge um das Wohlergehen meiner Freundin. Ihre Magie, irgendetwas an ihrem Wesen war schwer vergiftet und es wurde mit jedem Tag schlimmer. Ich sah die schwarzen Fäden und wurde den Knoten in meinem Magen nicht los. Nur durch Zufall hatte ich mal ein paar Worte zwischen ihr und Cael aufgeschnappt. Traumwelt. Schatten. Mattwei. Der Name hatte sehr schmerzhaft aus ihrem Mund geklungen. Was auch immer die beiden planten, ich hoffte, dass sie eine Lösung für das Problem fanden. Mir selbst waren die Hände gebunden, weil ich mich in dem Bereich der Mikos kaum auskannte. Ich wäre keine große Hilfe. Leider. Ob Ryu davon wusste? Hatte Cael ihm davon erzählt?
Was Ryu betraf, musste ich gestehen, dass ich die Zeit mit ihm genoss. Er war unkompliziert, er stellte kaum Fragen zu meiner Person, drängte mich zu nichts und ließ mich oft mit Egon spielen. Seit ich den Ring erfolgreich umfunktioniert hatte, traute ich mich auch mehr in die Außenwelt. Vor ein paar Tagen hatten wir zum Beispiel neue Schneetiere gebaut. Darunter einen großen Schneepanda in der Nähe meines Zimmers. Er hatte wissen wollen, warum ich ausgerechnet dieses Tier bevorzugte, aber ich hatte es ihm nicht verraten. Mir fiel es nach wie vor schwer über Sumire zu sprechen. Aus diesem Grund hatte ich ihm versprochen es ihm zu sagen, wenn er mich im Pai Sho besiegen sollte. Dabei hatte ich nicht bedacht, wie schnell er dazulernte und dass er mich inzwischen ganz schön ins Grübeln brachte. Sein strategisches Denken konnte ihm unmöglich angeboren sein. Er hatte es sich antrainiert. Wie einen Muskel. Das mochte ich an ihm. Dass er mich auf diese Weise herausforderte. Es lenkte mich von allem anderen ab. Heute Abend würden wir wieder eine Partie zusammen spielen. Vielleicht sogar zwei. Manchmal mehr. Im Moment vertrieb ich mir mit Egon die Zeit, der gerade auf meiner Schulter hockte, während ich meinen Block mit weiteren Informationen füllte, die sich um Kaiser Oda und andere wichtige Persönlichkeiten handelten.
Ich würde ihn zu Fall bringen.