Imesha
Ilea zögerte nicht lange, sondern kam gleich zu mir rüber, um mir ihre äußerst spannende Gabe zu erklären. Magie war wirklich grenzenlos. Dass sie in der Lage war in die Vergangenheit anderer Menschen zu blicken, war für mich fast genauso außergewöhnlich wie die Tatsache, dass die Männer aus einer anderen Welt kamen. Ich wusste nicht, ob ich bereit war in ungewisse Abgründe zu tauchen, aber wenn ich dadurch herausfinden konnte, woher diese Tätowierung kam und was es damit auf sich hatte, dann ließ ich die sanfte Berührung widerstandslos zu. Dabei schloss ich leicht nervös die Augen. Wartete. Atmete tief ein. Wieder aus.
Dann geschah es. Die Magie in mir regte sich. Farben explodierten vor meinem geistigen Auge. Ich sah ein Chaos aus Strängen, mal lange, mal kurze, viele davon miteinander verwoben, andere frei in der Luft schwebend. Sie summten in unterschiedlichen Höhen und Tiefen. Ich hörte das Flackern von Feuer, das starke Rauschen von Wasserfällen... Steine, die aneinanderschlugen. Und dann war da noch der Wind. Pfeifend, singend. Das alles nahm ich im Bruchteil weniger Sekunden wahr. Es war überwältigend. Als würde ich mich im freien Fall befinden, während um mich herum bunte Fäden tanzten und allem irgendwie einen Sinn gaben. Selbst das, was ich gerade durchlebte, machte... Sinn.
Cael
Dass Ryus Magie sie beinahe verschlungen hätte, war nicht schön zu hören, gleichzeitig wusste ich, wie stark mein bester Freund war und dass das Drachensein zu ihm gehörte. Wie es bei Imesha aussah, konnten wir alle nicht vorhersagen. Bis heute wusste ich nicht, wie ihre Magie funktionierte und zu was genau sie fähig war. Sie konnte verdammt gut kämpfen, das schon, aber welche Elemente oder so ihr lagen... keine Ahnung. Aus diesem Grund wartete ich gespannt, was Ilea gleich herausfinden würde. Sie berührte Imesha am Nacken, die ihre Augen schloss und ziemlich entspannt wirkte. Nur Sekunden später veränderte sich ihre Körperspannung. Die Augen hinter den Lidern bewegten sich unruhig. Sie holte kurz zittrig Luft, schluckte schwer und bekam an den Armen Gänsehaut. Wenigstens schrie sie nicht vor Schmerz auf. Oder weinte los. Stattdessen blieb sie aufrecht sitzen, bis sie ihre Augen aufriss und ich derjenige war, der Gänsehaut bekam. Die dunkle Wärme in ihrem Blick war einem intensiven Blauviolett gewichen. Es war, als würde sie direkt in meinen Geist schauen, und tiefer. Dann verflog die Magie in ihren Augen und sie blinzelte mehrmals, um scheinbar zu sich selbst zurückzufinden. >Ich... ich glaube ich habe... meine Eltern gehört.<